Wanderfalke
(Kaffeeaquarell Erasmus Scheuer)
Norbert Scheuers im März 2015 bei C.H.Beck erschienener Roman „Die Sprache der Vögel“, der in die Endausscheidung zum Preis der Leipziger Buchmesse 2015 gelangte, verschafft Einblicke in eine unbekannte Welt, die ich nur zu gern bereisen würde. Wenn Kriege und von Menschen selbst geschaffene Grenzen und Zäune (auf Landkarten, auf dem Erdball und in den Köpfen) irgendwann außer Kraft gesetzt werden, dann sind wir endlich so frei, wie es bisher wohl nur Vögel sind.
Handlung:
Paul Arimond meldet sich 2003 freiwillig als Sanitäter der Bundeswehr und reist nach Afghanistan, in ein Land, das schon sein Ururgroßvater einst, auf der Suche nach der Universalsprache der Vögel, wegen seiner reichen Tierwelt bereist hatte. Auch Paul liebt es, Vögel zu beobachten und über ihr Verhalten und ihre Besonderheiten Aufzeichnungen zu machen. Seine Leidenschaft setzt sich über die Regeln des Krieges hinweg, doch weiß er genau, dass der Mensch an Grenzen gebunden ist, die für Vögel nicht gelten. Während er im Lager festsitzt, schlägt er immer verzweifelter mit den Flügeln, um sich aus seinem eigenen Käfig zu befreien.
Präsentation des Romans „Die Sprache der Vögel“ auf der Leipziger Buchmesse 2015
(Foto: Anders Balari)
Mehr möchte ich dem künftigen Leser an Inhalt nicht vorweg nehmen. Der Roman ist aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Paul Arimond berichtet in Tagebucheinträgen von seinen Kriegserlebnissen und Vogelbeobachtungen. Von seinem Ururgroßvater können wir ebenfalls die teilweise noch erhaltenen Reiseberichte aus dem Jahr 1781 lesen. So wurde mir nach und nach ein Land vertraut, welches ich fast nur mit Krieg und Zerstörung in Verbindung brachte und von dem ich nie ahnte, welch reiche Flora und Fauna in mir eine wohl leider unstillbare Reisesehnsucht wecken würde. In der dritten Person sind die Teile geschrieben, die von Pauls Freundin erzählen, die in Deutschland ihren ganz eigenen Kampf ums Überleben ausficht. Auch fasziniert haben mich die Abschnitte über Pauls Lehrerin, der durch „Zufall“ seine Aufzeichnungen in die Hände fallen. Verbunden mit Pauls Rückblicken in seine Jugend, den Tod seines Vaters und den Autounfall mit seinem besten Freund, entsteht – trotz oder gerade wegen der jeweils kurzen Passagen – ein sehr dichter Roman, mit Personen, deren Leben man nach der Lektüre nicht einfach loslassen möchte.
Wunderschön sind auch die Kaffeeaquarelle von Norbert Scheuers Sohn Erasmus, die viele der im Roman erwähnten Vogelarten darstellen. Ich habe mir erlaubt, eines dieser Bilder im Text zu verwenden, um einen Eindruck von der wunderbaren Gestaltung des Buches geben zu können und ich hoffe, dass dies auch im Sinne des Künstlers ist.
Fazit: In eindringlichen Bildern erzählt Norbert Scheuer von Vögeln und ihrem Lebensraum im fernen Afghanistan und von einem Mann, der davon träumt, selbst über alle Grenzen hinweg fliegen zu können. Da ich selbst Vogelbeobachterin bin, konnte ich mich Norbert Scheuers Schilderungen von Anfang an nicht entziehen. Die verschiedenen Erzählperspektiven und der melancholische und poetische Ton der Erzählung haben meinen Nerv getroffen, so dass ich das Buch zwischendurch kaum weglegen mochte. Daher kann ich die Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 auf jeden Fall verstehen. Eine klare Empfehlung für Ornithologen und Literaturbegeisterte. Überm Rauschen des deutschen Literaturbetriebes schwingt sich die feine Stimme von Norbert Scheuer in federleichte Höhen.
Hier finden Sie unsere Berichte von der Leipziger Buchmesse mit einem Bericht über die Lesung Norbert Scheuers zu „Die Sprache der Vögel“ am 12. März 2015: Tag 1 und Tag 2 + 3.
Norbert Scheuers Roman „Die Sprache der Vögel“ ist im März 2015 im C.H.Beck Verlag für EUR 19,95 erschienen – gebunden, 238 Seiten, ISBN 978-3406677458.
Über den Autor: Norbert Scheuer, geboren 1951, lebt in der Eifel.
Er veröffentlichte die Romane „Flussabwärts“ (2002), „Der Steinesammler“ (Neuausgabe, 2010), den Erzählband „Kall, Eifel“ (2006) und Gedichte, „Bis ich dies alles liebte“, 2011 bei C.H.Beck, zuletzt den Roman „Peehs Liebe“ (2012).
Sein Roman „Überm Rauschen“ (2009) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und war 2010 „Buch für die Stadt“ in Köln und der Region. Scheuer hielt Poetikvorlesungen an den Universitäten Duisburg-Essen (2011) und Bonn (Thomas- Kling-Poetikdozentur 2014). Er erhielt zahlreiche Literaturpreise, zuletzt den Georg- K.-Glaser-Preis (2006), den d.lit.-Literaturpreis (2010) und den Rheinischen Literaturpreis Siegburg (2010).
Laila Mahfouz, 23. März 2015
Links:
Informationen zu Norbert Scheuer auf der Seite des „C.H.Beck Verlages“
Alle unsere Fotos von Norbert Scheuer und der Leipziger Buchmesse 2015 finden sich hier.
Informationen zu Laila Mahfouz
Informationen zu Anders Balari