13. + 14. März 2015: Wir sind viel unterwegs gewesen, haben ein anderes Sonnensystem besucht, sind mit einer Notärztin herumgefahren, haben Müll sortiert und sind durch ein unheimliches Rollo in eine andere Welt eingetaucht.
Ausgeschlafen starten wir am zweiten Messetag zur ersten Lesung und sind gleich wieder vollkommen drin, in diesem wunderbaren Geschichtenmeer Leipzig!
11:00 Uhr – taz.studio Halle 5, Stand E408 – Leif Randt – Lesung und Gespräch mit Doris Akrap – „Planet Magnon“ : In seinem aktuellen Roman erschafft Leif Randt gleich eine ganz neue Welt. In seinem Sonnensystem herrscht endzeitlicher Frieden, die sechs Planeten und zwei Monde werden von einer weisen Computervernunft regiert, die auf Grundlage von perfekter Statistik und totalem Wohlstand die fairsten Entscheidungen trifft. Menschen haben sich zu Kollektiven, wie das der Dolfins, zusammengeschlossen. Doch dann tritt das aggressive Kollektiv der gebrochenen Herzen auf den Plan, von dem man annimmt, es bestehe aus emotionalen Verlierern. Wie sich aus der sehr guten Lesung vermuten lässt, ist vieles im Roman auf unsere Welt übertragbar. Leif Randt zieht Parallelen und bewegt sich doch in einem ganz eigenen Kosmos. Philosophische Fragen werden aufgeworfen und bleiben wohl auch manchmal unbeantwortet im unendlichen Raum stehen. Anders und ich sind uns einig, dass aus Leif Randt einmal ein großer Dolfin werden kann.12:00 Uhr – Die Unabhängigen Verlage Halle 5, Stand E309 – Kristof Magnusson – Lesung aus seinem Roman „Arztroman“: Nein, Kristof Magnusson hat keinen Liebesschundroman für den Kiosk um die Ecke und auch kein Pixi-Buch verfasst. Dennoch kratzte ein Pixi-Buch über eine Notärztin etwas an seiner Illusion der Originalität seiner Geschichte, wie er mit einem Lachen sagte. Seine Protagonistin ist Notärztin, liebt es anderen Menschen zu helfen und steht doch selbst mitten im Scherbenhaufen des eigenen Lebens. Kristof Magnusson erzählt auf mitreißend humorvolle Art von ihren Einsätzen in den Leben ganz normaler Menschen und von ihrem Versuch, den Boden unter den Füßen doch nicht ganz zu verlieren. 13:30 Uhr – LiteraturRat NRW Halle 5, Stand F406 – Judith Kuckart und Norbert Scheuer im Gespräch mit Bettina Fischer und Dagmar Fretter, den Herausgeberinnen der Anthologie „Eigentlich Heimat – Nordrhein-Westfalen literarisch“: Die von den beiden Herausgeberinnen vorgestellte Anthologie beinhaltet Beiträge von Jörg Albrecht, Markus Berges, Marc Degens, Liane Dirks, Gunther Geltinger, Frank Goosen, Roswitha Haring, Guy Helminger, Sabrina Janesch, Navid Kermani, Esther Kinsky, Barbara Köhler, Thorsten Krämer, Hanna Lemke, Marcel Maas, Marie T. Martin, Rainer Merkel, Markus Orths, Selim Özdogan, Christoph Peters, Thomas Pletzinger, Marion Poschmann, Tilman Rammstedt, Burkhard Spinnen, Julia Trompeter, David Wagner, Wolfgang Welt und eben auch von Judith Kuckart und Norbert Scheuer, die jeweils einen kleinen Teil ihres Textes lasen. Judith Kuckart hat sich als Sehnsuchtsort in Nordrhein-Westfalen Wuppertal ausgesucht, das sie in die Buchstaben des Alphabets unterteilt hat. Unter anderem las die großartige Autorin ihren – wie sie sagte – persönlichsten Text „Z wie Zahnspange“. Eine offenbar sehr empfehlenswerte Anthologie.15:00 Uhr – Autorenbuchhandlung Halle 5, Stand A101 – Andrej Kurkow – Signierstunde zu seinem Roman „Jimi Hendrix live in Lemberg“: Andrej Kurkow hat mit „Jimi Hendrix live in Lemberg“ einen sehr skurrilen Roman abgeliefert, in dem im Vielvölkerstaat im Westen der Ukraine sehr merkwürdige Dinge geschehen, die irgendwie mit der Faszination zu tun haben, die Jimi Hendrix‘ Musik auch heute noch in seinen Verehrern auslöst. Ich bin schon sehr, sehr gespannt auf diesen Roman, der vor verrückten Einfällen nur so wimmeln soll und habe ihn gleich auch noch als Geschenk für einen guten Freund mitgenommen, der ebenfalls ein Musikfan ist! Der Autor stellte unsere Neugierde und Geduld allerdings auf eine harte Probe und brachte die arme Verkäuferin der Autorenbuchhandlung, die tapfer vor seinem Haufen Bücher saß, ganz schön ins Schwitzen, denn er erschien etwa zwanzig Minuten zu spät, was bei der Menschenmenge, die teilweise kein schnelleres Durchkommen ermöglichte, sehr verzeihlich ist. Es gab uns Zeit zum Durchatmen und anschließend eine sehr schöne Widmung auf deutsch (Der Autor spricht insgesamt elf Sprachen.)! Danke, Andrej! 15:00 Uhr – Die Unabhängigen Verlage Halle 5, Stand E309 – Manuela Sambo, Michael Kegler und Barbara Mesquita präsentieren ‚Eine Entdeckungsreise in die Literatur Angolas‘ – Moderation: Ineke Phaf-Rheinberger und Andreas Heidtmann: Leider habe ich den Anfang dieser interessanten Veranstaltung verpasst, aber mir ist sie dennoch in sehr lebhafter Erinnerung. Mit der zweisprachigen Anthologie „Mögen Pitangas wachsen“ (Übersetzung: Barbara Mesquita), die Beispiele aus Romanen, Erzählungen und Gedichten bietet, stellt der Poetenladen Verlag eine Reihe neuer Autoren aus der aufblühenden Literaturlandschaft Angolas vor. In der Gesprächsrunde wird ein Überblick über die angolanische Literatur vorgestellt, u. a. auch der Autor Ondjaki mit seinem Roman „Die Durchsichtigen“ (Übersetzung: Michael Kegler, Herausgeberin: Dr. Ineke Phaf-Rheinberger). Beeindruckt hat mich auch die Übersetzerin und Künstlerin Manuela Sambo, die aus Luanda in Angola stammt und die afrikanische Formensprache mit der europäischen Tradition verbindet. Es tut gut, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich auch mit der Literatur aus einem ganz anderen Kulturkreis zu beschäftigen.16:00 Uhr – Die Unabhängigen Verlage Halle 5, Stand E309 – Iris Hanika – Lesung aus ihrem Roman „Wie der Müll geordnet wird“: Was für ein Vergnügen! Die sympathische Autorin las so pointiert und mit soviel Witz aus ihrem aktuellen Roman „Wie der Müll geordnet wird“, dass Anders und ich schon während der ersten Sätze laut loslachten und unser Lachen war wohl so ansteckend, dass auch die Autorin einen Lachanfall nur schwerlich unterdrücken konnte. „Stop Making Sense“, das sollte der ursprüngliche Titel dieses Romans werden. Und er wäre sehr passend, denn die Autorin zeigt den Sinn der Sinnlosigkeit in dieser wunderbaren Gesellschaftssatire, auf deren vollständige Lektüre ich mich jetzt schon sehr freue. Ihre Figur Antonius geht beim Versuch der allgemeinen Sinnlosigkeit Herr zu werden, so weit, nur noch sinnlose Dinge tun zu wollen und das ist gar nicht so leicht. Mitten in unserem Kapitalismus, mitten hinein in diese Systeme setzt Iris Hanika ihre Sinnlosigkeit. Wer dabei nicht zum Nachdenken angestiftet wird, dem ist nicht mehr zu helfen. 19:00 Uhr – Bibliotheca Albertina, Vortragssaal – Heinrich Steinfest – Lesung aus seinem Roman „Das grüne Rollo“: Ich halte ein zweifarbig gedrucktes Buch in Händen, in dem ein zehnjähriger Junge einen Zugang in eine Parallelwelt findet und dort Abenteuer erlebt. Nein, dies ist nicht „Die unendliche Geschichte“, doch ich hoffe, Heinrich Steinfest kennt dieses herausragende Werk Michael Endes. Der Österreicher Steinfest, der erst im letzten Jahr für seinen Roman „Der Allesforscher“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, schlägt auch mit seinem aktuellen Roman „Das grüne Rollo“ geheimnisvolle Töne an. Mit dem ihm typischen Humor erzählt er nicht die Geschichte eines Kindes, sondern die eines Mannes, der sich durch unvorhersehbare Ereignisse mit den verdrängten und als pure Hirngespinste abgetanen Erlebnissen seiner Kindheit auseinandersetzen muss. Spannend, humorvoll und sicher ein Volltreffer! Wir freuen uns schon auf die Lektüre!Samstag (14. März 2015) sind wir nur noch ein wenig um die großen Literaturverlage geschlendert und haben überall gestöbert. Für mich ist die Buchmesse Leipzig ab Samstag eigentlich überhaupt nicht mehr zu ertragen, da die Anzahl von Menschen in geschlossenen Räumen bei mir dann doch Panik auslöst. Aber Suhrkamp, Diogenes, C.H. Beck, Hanser und alle anderen haben so viele wunderbare Titel im aktuellen Programm, dass man sich wirklich wünscht, mindestens drei Leben zu haben, um all das Lesen zu können. Wirklich positiv fällt eine sehr intelligente, alles in Frage stellende Richtung in vielen Literaturverlagen auf. Weiter so!
11:00 Uhr – Autorenbuchhandlung Halle 5, Stand A101 – Stephan Thome – Signierstunde zu seinem Roman „Gegenspiel“: Die parallel stattfindende Manga-Convention war teilweis etwas anstrengend, aber Stephan Thome nahm es locker, dass das bei seinem Erscheinen anschwellende Gekreische der wartenden Mädchen nicht ihm galt. Wen auch immer sie nebenan zur Signierstunde erwartet haben, seine Uhr ging wohl nach dem Mond, denn wir haben ihn nicht gesehen. In Stephan Thomes neuem Roman geht es um Lissabon nach der Nelkenrevolution, die Hausbesetzerszene in Westberlin, die deutsche Provinz vor und nach der Wende. Hört sich spannend an, aber ich habe schon sooo viel zu lesen und habe mir nun erst einmal seine ersten Romane signieren lassen. 12:00 Uhr – Forum Die Bühne Halle 5, C404 – Bernd Löffler – Offene Arbeit Erfurt – „Alles verändert sich, wenn wir es verändern“: Worauf man stösst, wenn man sich treiben lässt… Plötzlich standen wir beim Verlag GraswurzelRevolution, haben Meinungen ausgetauscht und saßen in der ersten Reihe als gegenüber Bernd Löffler das Buch „Alles verändert sich, wenn wir es verändern“ vorstellte. Hier wird die „Offene Arbeit Erfurt“ im Wandel der Zeiten (1979-2014) vorgestellt. Diskutiert werden im Buch die offenen Fragen, die sich aus diesem Wandel ergaben: Was bedeutet Offene Arbeit im Wandel der Zeiten? Was ist von den Zielen und Ideen der Friedens- und Umweltgruppen in der DDR geblieben? Welche Wege sind unter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu gehen, um diese Ziele und Ideen weiterzuverfolgen? Das Buch nähert sich diesen Fragen mit vielfältigen Ansätzen und Perspektiven: analytisch, historisch und in Anekdoten, aus der Innen- und Außensicht, mit Fotos und Originaldokumenten, in Sachtexten, Interviews und biografischen Texten. Im Vorwort heißt es: „Es ist unser Anliegen, mit diesem Buch Menschen zum aufrechten Gang zu ermutigen.“ Wir haben beschlossen, dass dies ein wunderbarer Abschluss unseres Messebesuchs ist und haben uns auf den Heimweg gemacht.Aus zeitlichen Grüßen haben wir folgende Autoren verpasst, von denen wir hoffen, dass sie bald eine Lesung in Hamburg haben werden:
– Frank Schulz mit seinem Roman „Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen“, der Fortsetzung zu „Onno Viets und der Irre von Kiez“
– Martin Suter mit seinem Roman „Montecristo“
– Gertraud Klemm mit ihrem Roman „Aberland“
– Tobias Sommer mit seinem Roman „Jagen 135“ (hierzu wird es bald eine Rezension von mir geben)
und viele mehr, die ganz sicher auch wunderbare Bücher verfasst haben…
Was für ereignis- und vor allem WORTreiche Tage liegen hinter uns! Ich bin sicher, eine sehr gute Auswahl aus dem aktuellen Literaturangebot ausgesucht zu haben und freue mich schon auf die Bibliothekserfassung, das Bestaunen und vor allem das Lesen unserer neuerworbenen Schätze. Auch wenn es sich hier um Vorab-Lorbeeren handelt, von denen ich bisher nur einen kurzen Eindruck gewonnen habe, so möchte ich die vorgestellen Bücher empfehlen. Schon nach einem Auszug des Buches, wenn auch noch vom Autor vorgetragen und vorgestellt, weiß ich ja, ob mir der Inhalt und der Stil gefallen. Kauft Bücher, lest, staunt, lernt und lebt, verschenkt sie und zitiert sie! Eine wunderbare Lesezeit wünscht allen
Laila Mahfouz, 19. März 2015
Links:
Hier findet Ihr eine Fotostrecke zu unserem Messebesuch Tag 2 + 3. Sollten Autoren oder Verlage Fotos nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt mit Anders Balari auf. Vielen Dank!
Unser Messebericht zu Tag 1 findet sich hier
Website von Laila Mahfouz
Website vom Photographen Anders Balari