23. August 2013 im kleinen Hoftheater: Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt! Dem kleinen Hoftheater gelang ein wahres Feuerwerk der Gefühle, das zur Premiere mit Standing Ovations belohnt wurde.
Inhalt: Seit vielen Jahren verbringt die Familie Hines mit ihrer Haushälterin Filomena den Sommer in ihrem wunderschön gelegenen Sommerhaus. Burt Hines hat schon mehrere Herzinfarkte erlitten und genießt den ersten arbeitsfreien Sommer in seinem Landhaus. Seine Ehefrau Annie hat ihn schon vor Jahren verlassen, da er durch den Sog des wirtschaftlichen Erfolgs stets zu wenig Zeit mit seiner Familie verbrachte. Burt trauert Annie immer noch nach. Ihre Tochter Josie kann der Mutter jedoch die Trennung nicht verzeihen und sieht ihrem angekündigten Besuch mit negativen Gefühlen entgegen. Josie ist mit dem netten Jurastudenten Kenny verlobt, doch sie löst die Verlobung, als ihre Hochzeit in greifbare Nähe rückt. Als wären dies nicht Spannungen genug, tauchen noch Filomenas seit sieben Jahren verschollener Ehemann Luciano, Josies Ex-Freund Ray mit seiner Freundin Samii und der eher undurchsichtige Vinnie Basani auf. Ein Wechselspiel an Eifersucht, Kränkungen, Wut, aber auch Hoffnung, Liebe und Erlösung durchziehen das Wochenende.
Kenny hält wenig vom plötzlichen Auftritt Vinnie Basanis. (v. l. Sandra Kiefer, Norman Deppe, Jan Holtappels, Ulf Albrecht, Petra Behrsing und Ines Hubert) Foto: Anders Balari
Der Vorhang öffnete sich und enthüllte das mit rotem Licht angestrahlte Landhaus der Familie Hines und vor diesem das harmonische Bild aller Darsteller. Als dann Filomenas Stimme aus dem Off ertönte, wurde das Standbild auf der Bühne im Kopf des Publikums zu Filomenas „verklärtem“ Blick auf die Vergangenheit. Denn schon nach wenigen Worten wurde klar, dass Filomena inzwischen tot ist. Sie starb, wie es ihr einst prophezeit worden war, im Alter von 92 Jahren. Doch noch immer erinnert sie sich an diesen Sommer, von dem sie im Anschluß berichtet. Das Bühnenbild von Jörg-Michael Müller ist wunderschön und harmoniert ebenso wie die stimmungsvolle Beleuchtung aufs Beste mit der Handlung. Das Haus wurde unaufdringlich gestaltet, spiegelt aber durchaus diesen besonderen Glanz wider, den ihm seine Bewohner in ihren Erinnerungen geben.
Filomena als verbindendes Element (Sandra Kiefer, Ines Hubert, Petra Behrsing). Foto: Anders Balari
Dem kleinen Hoftheater ist mit Neil Simons (* 4. Juli 1927 in New York City) „Der letzte Sommer“ ein ganz großer Wurf gelungen! Ich bin sicher, der Autor wäre sehr zufrieden mit dem Ergebnis, denn seine fein erdachte Achterbahn der Gefühle wurde bis ins kleinste Detail ausgelotet und auf der Bühne gelebt. Mit seiner perfekten Besetzung zählt „Der letzte Sommer“ zu dem Besten, was ich bisher im kleinen Hoftheater sehen durfte. Als deutsche Erstaufführung inszenierte Lars Ceglecki das Bühnenstück, welches den Zuschauer von Anfang bis Ende einem Wechselbad der Gefühle aussetzt. Unverständlicherweise haben sich bisher nur Laientheater mit dem Stück, das bereits 1997 als „Proposals“ seine Bühnenpremiere feierte, beschäftigt.
Ines Hubert überzeugte so in der Rolle der Haushälterin Filomena, dass am Ende des Stückes wohl jeder von ihrer italienischen Herkunft überzeugt sein musste. Ihre Erzählstimme (aus dem Off) ist so wunderbar eingesprochen, dass ein ganzes Hörspiel dieser Art denkbar wäre. Ihre dominante und doch verletzliche Darstellung war äußerst berührend. Peter Esch als lang verschollener Ehemann Filomenas hatte zwar die wenigsten Szenen, schaffte es aber, sich auch in dieser Rolle einen Platz zu erobern und das Publikum zu gewinnen.
Annie, feinfühlig dargestellt von Petra Behrsing, wird im Laufe des Stückes immer sanfter, bis schließlich ihr wahres Ich erkennbar wird. Auch Ulf Albrecht als Burt Hines zeigte sich hier von einer ganz neuen Seite: ruhig, nachdenklich und gleichzeitig verschmitzt und kraftvoll spielte er einen todkranken Mann, der versuchte, die Fehler seines Lebens in seinem letzten Sommer ungeschehen zu machen. Rührend war seine Vorfreude auf den Besuch seiner Ex-Frau Annie und seine Versuche, sie mit ihrer gemeinsamen Tochter Josie zu versöhnen. Als er seine Ex-Frau am Ende leise um ihre Hilfe bat, wirkte er beinahe, als würde er mit jedem Moment durchsichtiger und flüchtiger. Eine bemerkenswerte Leistung!
Natalie Renken als Model-Freundin von Ray gebührt auf jeden Fall bald eine größere Charakterrolle, denn wie schon in „Im Weissen Rössl“ bewiesen, hat sie viele Talente und weiß diese gekonnt und so charmant einzusetzen, dass man sich noch lange an sie erinnert.
Norman Deppe gelang ein wahres Zauberkunststück: War seine Rolle des Vinnie Basani durch dessen Dummheit und grobe Sprüche anfangs noch eine komische aber ungeheuer nervtötende Figur, so wandelt er sich im Gespräch mit Samii (Natalie Renken) zu einem direkt sympathischen Zeitgenossen, dem man mit seiner neuen Liebe Glück wünscht. Ist die Stimmung manchmal gar zu traurig, ist man ihm sogar unendlich dankbar für seine alles auflockernde Art. Wieder einmal ist Norman Deppes bemerkenswerte Körpersprache zu erwähnen, durch die er ganz mit seiner Rolle verschmilzt.
Grabrede für einen erschlagenen Vogel. (v.l. Norman Deppe, Natalie Renken, Sandra Kiefer, Marc Felske) Foto: Anders Balari
Die Aufführung von „Der letzte Sommer“ bietet so viele besondere Momente, dass es schwerfällt, sie alle aufzuzählen. Ein paar seien hier dennoch genannt: Die Szenen zwischen Annie und ihrer Tochter Josie, die besondere Verbindung von Mr. Hines und Filomena sowie beider Beziehung zu Josie. Filomemas Wiedersehen mit Luciano. Auch Jan Holtappels sensible Darstellung des Kenny, seine Verletzlichkeit und Wut, die ein besonderes Lob verdient hat.
Elektrisierende Spannung zwischen Ray und Josie (Marc Felske und Sandra Kiefer). Foto: Anders Balari
Besonders die intensive Spannung zwischen Josie und Ray wurde durch die hervorragende Darstellung von Sandra Kiefer und Marc Felske direkt körperlich spürbar und ließ die Zuschauer die Luft anhalten. Vom fast hörbaren Knistern sprang der Funke direkt ins Publikum über. Wie Marc Felske und Sandra Kiefer als Ray und Josie umeinander kreisten, sich immer wieder stritten, aber nicht loslassen konnten, machte ihre magnetische Anziehungskraft deutlich. Mit der Verkörperung des Ray erhielt Marc Felske endlich eine Rolle, in der er sein Talent ausleben konnte. Sandra Kiefer spielte mit einer Intensität und Leidenschaft, dass sie die Luft zum Vibrieren brachte. Eine kleine, aber wirklich große Schauspielerin, von der wir hoffentlich noch viel sehen und hören werden!
Kenny und Ray sind hilflos angesichts der geballten Stutenbissigkeit von Josie und Samii
(v. l. Jan Holtappels, Sandra Kiefer, Natalie Renken und Marc Felske). Foto: Anders Balari
Fazit: Hier stimmt einfach alles! Das kleine Hoftheater hat sich mit Lars Cegleckis Inszenierung von Neil Simons „Der letzte Sommer“ zu einer neuen Liga emporgeschwungen. Der Regisseur und die hervorragenden Darsteller des Theaterstückes hatten die vielen Vorhänge und die Standing Ovations mehr als verdient. Ganz sicher werden die Zuschauer diesen letzten Sommer ebenso wenig vergessen wie Filomena. Unbedingt anschauen!
Laila Mahfouz, 27. August 2013
Links:
Der letzte Sommer“ wird im kleinen Hoftheater noch bis 22. September 2013 jeweils freitags und samstags um 20 Uhr sowie sonntags um 16 Uhr gezeigt. Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des kleinen Hoftheaters.
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