Hermien Stellmachers Roman »Cottage mit Kater« erzählt von der Autorin Nora, die es in ein wunderschönes Cottage nach Cornwall verschlägt, um endlich ihren Krimi zu beenden. Nach einer schwierigen Zeit in Deutschland mit Krankheit, Tod und Enttäuschungen lernt sie langsam, wieder Vertrauen zu fassen und die Erlebnisse loszulassen. Ein kleiner Kater und ein paar liebenswerte Dorfbewohner spielen dabei auch eine Rolle. Ein Sommerroman mit Samtpfoten und Tiefgang!
Handlung (Verlagstext):Schwere Zeiten für die Krimiautorin Nora: die Mutter gestorben, der Lebensgefährte auf und davon. Da kommt ihr die Einladung in ein Cottage an der Küste Cornwalls gerade recht. Endlich alles hinter sich lassen, Spaziergänge durch leuchtend bunte Blumenwiesen, Sonnenuntergänge am Strand und in Ruhe schreiben – wunderbare Aussichten! Doch wieder einmal macht das Leben ihr einen Strich durch die Rechnung. Ein kleiner Kater, den sie von einer Klippe rettet, weicht ihr fortan nicht mehr von der Seite. Immer wieder schmuggelt er sich heimlich ins Haus und wirbelt ihren Alltag durcheinander. Mit dem neuen Manuskript geht es auch nicht wie erhofft voran. Es ist zum Verzweifeln!
Aber da ist noch Phil, der nette, gut aussehende Nachbar, der immer wieder seine Hilfe anbietet.
Krimiautorin Nora hat genug von ihrem Leben in Deutschland und hütet für einige Zeit des Haus eines Freundes in Cornwall. Und auch, wenn es klischeehaft klingt, wie Nora selbst sagt: es ist einfach traumhaft schön.
»Der Wind nahm zu und die Sonne kam hinter den Wolken hervor. Sofort schillerte das Meer in leuchtenden Türkistönen. Davor purpurfarbener Fingerhut und Kuckucksnelken in Pink. Ein Kontrast, der schöner nicht sein konnte.«
Seite 26
Nora hat sich gleich in den Ort verliebt und die schrulligen Bewohner kommen auch sympathisch daher: Da wären die kernigen Hafenarbeiter, die ihr den Weg zum Cottage nach längerer Diskussion weisen oder die anpackende Mrs. Mashe, die einen vollgestopften und kreativ zusammengewürfelten Gemischtwarenladen hat, immer auf dem Laufenden ist und halbwegs sichere Wetterprognosen abgibt.
Alles hätte so schön friedlich sein können, hätte sie nicht den kleinen Kater auf dem Felsvorsprung entdeckt. Ohne Nora wäre er in den Tod gestürzt und nun folgt er ihr bis ins Cottage. Noch traumatisiert von der Krankheitsphase ihrer Mutter und deren sehr unnahbaren Katze wollte Nora auf keinen Fall mehr für eine Katze sorgen. Aber diese Rechnung hat sie ohne den Kater gemacht. Wird sie das putzige Tier in ihr Leben lassen? Und kann sie die Vergangenheit, die letzten schwierigen Monate und Jahre, loslassen?
Vertrauen und Loslassen ziehen sich als Themen durch den ganzen Roman. Nora hat eine schwierige Zeit hinter sich: die Mutter alzheimerkrank und ihr Partner verließ sie, als sie ihn am meisten gebraucht hätte. So fällt es ihr zunächst schwer, wieder Vertrauen zu fassen.
Sie muss die Erfahrungen mit der Krankheit und dem Tod ihrer Mutter loslassen. Ebenso wie ihre Mutter selbst loslassen, deren langsamen aber unaufhaltsamen Verfall sie mit ansehen musste.
»Zuerst wird sie nur für Momente in eine unbekannte Welt gesogen. Bald werden die Phasen länger. Bis die Augenblicke, in denen sie erreichbar ist, zur Ausnahme werden.«
Seite 129
Zum Glück haben Noras Freunde sie in dieser Zeit unterstützt, z.B. ihre Freundin Alex und der Hausbesitzer Paul, mit denen sie im Romanverlauf immer wieder in Mailkontakt ist. Diese Mails wirken auflockernd im Roman, da man sonst die meiste Zeit von Noras Gedanken und Handlungen liest.
Ziemlich früh in der Geschichte wird klar, wie sehr Nora in den letzten Monaten und Jahren gelitten hat. Während eines Films, den Nora und ihr Nachbar Phil gemeinsam ansehen, bekommt sie Beklemmungen, weil sie an das Seniorenheim, in dem ihre Mutter zuletzt lebte, erinnert wird. Sie ahnt, dass sie dabei ist, die schwierigen Erlebnisse zu verarbeiten. Der räumliche Abstand hilft ihr dabei.
»Der graue Himmel verwandelt sich in einen endlosen Flur. Glänzendes Linoleum, an der Wand ein langer Handlauf aus Holz, darüber ein paar verblasste Kunstdrucke in randlosen Rahmen. Ich habe Angst, in den Film hineingesogen zu werden, kralle mich mit einer Hand an der Sofalehne fest. […] Die süßliche Mischung aus Kantinenessen, Krankenhaus und Urin steigt mir in die Nase […].«
Seite 55
Damals lernte Nora, dass es besser ist, sich auf diese andere Welt, in der ihre Mutter zunehmend lebt, einzulassen.
»Ich merke mir, dass ich nicht fragen darf, was sie zu Mittag gegessen hat. Sondern mich besser danach erkundige, was ihr Lieblingsfach in der Schule ist. Und wie ihr Hund heißt.«
Seite 134
Unterhaltsam und selbstironisch empfinde ich die Einblicke, die man ins Autorendasein bekommt. Dass die Anfangsphase schlimm ist, weil man ständig Ideen hat und eigentlich nicht gesellschaftsfähig ist und dass man zu Beginn eines Romans quasi mit den Figuren lebt.
Der Leser erfährt viel über Noras Gefühle und Erfahrungen während des Schreibprozesses, weil ja im Roman selbst ein Roman entsteht. Der Zusammenhang eines freien, produktiven Schreibens mit innerer Freiheit wird sehr klar.
»Plötzlich wurde mir klar, dass ich nicht nur einen freien Tag hatte. Nein, ich war frei. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte, und war niemandem darüber Rechenschaft schuldig. Ich sog die Seeluft tief in mich auf. Ich war der Lebendfalle entkommen.«
Seite 179
Diese innere Freiheit hat auch damit zu tun, sich selbst treu zu bleiben und keine Kompromisse zu machen. Nora hatte sich beim Schreiben auf einige Kompromisse eingelassen, an denen sie zu knabbern hat. Nun hat sie die Chance, sich auf eine neue Umgebung, neue Menschen, einen Kater und das Schreiben auf neue Weise einzulassen. Wird sie den Mut zum Neuanfang aufbringen? Lesen Sie selbst.
Fazit: Hermien Stellmachers Roman »Cottage mit Kater« ist ein vielschichtiger und dennoch leichter Roman über eine Frau, die nach einer Krise ganz neu anfängt. Ganz besonders herzerwärmend ist der kleine Kater, der sich in Noras Herz tapst und die Beschreibungen der traumhaft schönen Landschaft Cornwalls.
Aber der Roman behandelt auch wichtige Lebensthemen wie das Gleichgewicht zwischen Vertrauen und Freiheit sowie den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen, ohne sich von anderen hinreinreden zu lassen. Ernstere Themen wie Alzheimer, Enttäuschung und Tod werden nicht ausgespart.
Insgesamt ist es eine schöne Sommergeschichte mit Tiefgang, Hoffnung, Humor und einer kleinen Prise Spannung.
Hermien Stellmachers Roman »Cottage mit Kater« ist im Juli 2015 für EUR 8,99 im Insel Verlag erschienen – Taschenbuch, 253 Seiten, ISBN 978-3458360889.
Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Über die Autorin: Hermien Stellmacher, geboren 1959, wuchs in Amsterdam auf. Im Alter von 15 Jahren zog sie nach Deutschland. Sie illustrierte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher. Seit einigen Jahren schreibt sie hauptsächlich für Erwachsene, zum Teil unter dem Pseudonym Fanny Wagner. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Katern in einem kleinen Dorf in der Fränkischen Schweiz.
Miriam K., 28. Februar 2018
Links:
Informationen auf den Seiten des Insel Verlages finden Sie hier.
Hermien Stellmacher hat noch mehr Katzenromane geschrieben, die in schöner Umgebung spielen. Hier finden Sie den Buchtrailer zu dem Roman »Katzenglück und Dolce Vita«:
Die Website von Hermien Stellmacher finden Sie hier.
Weitere Informationen zu Hermien Stellmacher finden Sie hier.
Die Rechte am Foto liegen bei Andrea Forster.
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