Am 23. März 2017 war es wieder so weit: Die Leipziger Buchmesse öffnete ihre Hallen für alle Literaturfreunde. Wir haben so großartige Autoren wie Adolf Muschg, Eva Menasse, Clemens Meyer oder Benedict Wells getroffen, Newcomer wie Ada Dorian, Juliana Kálnay oder Julia Weber entdeckt und uns von vielen, vielen Büchern verzaubern lassen. Kommen Sie mit uns auf eine dreitägige Messetour mit vielen Buchtipps und ganz ohne Messestress.
Wir sind schon gegen 6 Uhr von Hamburg aus aufgebrochen, haben es aber dennoch dieses Mal nicht geschafft, zur Vorstellung der Nominierten in der Kategorie Belletristik einen Platz zu ergattern. Allerdings hat mir Lukas Bärfuss seinen aktuellen und in dieser Kategorie nominierten Roman »Hagard« direkt noch signiert. Ihm und Anne Weber, die für ihren Roman »Kirio« nominiert war, habe ich am Nachmittag die Daumen für den Gewinn des Preises der Leipziger Buchmesse gedrückt – leider ohne Erfolg. Nicht immer kann ich die Entscheidung der Jury nachvollziehen. Immerhin wurde der chinesische Klassiker »Die Reise in den Westen«, an dessen Übersetzung Eva Lüdi Kong ganze siebzehn Jahre gearbeitet hat, mit dem Preis ausgezeichnet. Eine andere Entscheidung wäre in diesem Fall auch ungeheuerlich gewesen.
In Lukas Bärfuss‘ Roman »Hagard« folgt der Leser einem Verfolger, dessen Motivation nicht klar erkennbar ist – vielleicht sogar für den Verfolger nicht. Ob sich dies Rätsel am Ende löst? »Hagard« polarisiert ebenso, wie alles, was Lukas Bärfuss bisher verfasst hat. Meine Meinung zu diesem Roman werde ich bald in einer separaten Rezension beschreiben.
Der Roman ist im Februar 2017 für EUR 19,90 im Wallstein Verlag erschienen – gebunden, 174 Seiten, ISBN 978-3835318403.
Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Ob Anne Webers Roman »Kirio« von einem Verrückten, einem Erleuchteten oder einem Heiligen erzählt, muss wohl jeder Leser selbst entscheiden.
Anne Webers umfangreiches Werk wurde unter anderem mit dem Heimito-von-Doderer-Preis, dem 3sat-Preis, dem Kranichsteiner Literturpreis und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet.
Der Roman »Kirio« ist im Februar 2017 für EUR 20,00 im S. Fischer Verlag erschienen – gebunden, 224 Seiten, ISBN 978-3103972696.
Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Meine Rezension zu Anne Webers »Kirio« finden Sie hier.
Einer der wichtigsten chinesischen Romanklassiker »Die Reise in den Westen« ist im Oktober 2016 endlich in der Übersetzung von Eva Lüdi Kong auch in deutscher Sprache erschienen. Nachdem mehrere andere Verlage das Potenzial dieses Buches nicht erkannt haben, brachte der Reclam Verlag es in gebundener Form mit Lesebändchen auf 1.320 Seiten mit 100 Holzschnitten für EUR 88,00 heraus, ISBN 978-3150108796 .
Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Meinen Artikel zu Eva Lüdi Kongs »Die Reise in den Westen« finden Sie hier.
Im ARD-Forum konnten wir noch die letzten zwanzig Minuten von Denis Schecks »Best of Druckfrisch« erleben. Allerdings gab es keine neuen Buchtipps, die ich nicht schon anderswo gehört hatte. Als die Menschenmasse am Ende davonströmte, konnten wir es uns in der ersten Reihe für das nun folgende Gespräch mit Clemens Meyer bequem machen.
Meyers Roman »Im Stein«, der 2015 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, wurde von Katy Derbyshire ins Englische übersetzt und ist unter dem Titel »Bricks and Mortar« für den Man Booker Prize nominiert. Obwohl die Chance des Romans neben Werken wie Amos Oz‘ »Judas«, Mathias Enards »Kompass«, Jón Kalmans »Fische haben keine Beine« oder David Grossmans »Kommt ein Pferd in die Bar« gering ist, ist schon die Nominierung eine große Auszeichnung, deren Verdienst zur Hälfte bei der Übersetzerin liegt, so Meyer. Da er in England relativ unbekannt und das Werk daher nicht von vornherein mit einem Label belegt ist, schätzt er die Nominierung um so mehr.
»Ich bin unwichtig. Das Werk ist entscheidend!«
Entschieden wies Clemens Meyer die Aussage zurück, auch in seinem Erzählband »Die stillen Trabanten« würde er wieder von Menschen am Rande der Gesellschaft erzählen. Was der Rand ist, würde vom Auge des Betrachters abhängen, so Meyer. Außerdem gäbe es keine dominante Tradition der Gewinner in der Literatur. Eben dass es möglich ist, das Leben eines Müllmannes oder eines Straßenkehrers für alle Leser interessant zu gestalten, ist doch das Besondere an der Literatur.
»Die Literatur ist der einzige Raum, in dem der Stand keine Rolle spielt.«
Clemens Meyer erzählt u. a. Geschichten von einem Lokführer, einem Wachmann, einem Imbissbudenbesitzer und zieht den Leser hinein in andere Leben.
Sein Erzählband »Die stillen Trabanten« ist im März 2017 für EUR 20,00 im S. Fischer Verlag erschienen – gebunden, 272 Seiten, ISBN 978-3103972641.
Wer in den Erzählband reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Eines der literarischen Debüts, die mir in diesem Jahr aufgefallen sind, ist der Roman »Betrunkene Bäume« der 1981 in Hannover geborenen Ada Dorian. 2016 war Ada Dorian mit ihrem Debütroman für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert gewesen. »Ein wunderschöner, ein perfekter Text« meinte Klaus Kastberger, Jurymitglied des Bachmann-Preises. Wie weit ich diesem Satz zustimmen kann, wird sich mit meiner Rezension zeigen, die ich in den nächsten Monaten verfassen werde.
Nach zweijähriger Ideenvorarbeit schrieb Ada Dorian den Roman innerhalb von etwa zwei Jahren. Es ist der erste veröffentlichte Roman der Autorin, obwohl andere schon geschrieben, aber unveröffentlicht noch auf ihre Geburtstunde warten. An »Betrunkene Bäume« gefällt mir vor allem die Idee des alten Mannes, der in seiner Wohnung – von den restlichen Bewohnern des Hauses unbemerkt – einen Wald anlegt.
Meine Erwartungen sind hoch und werden hoffentlich erfüllt werden.
Ada Dorians Roman »Betrunkene Bäume« erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft des achtzigjährigen Erich und der noch nicht ganz volljährigen Katharina.
Der Roman ist im Februar 2017 für EUR 18,00 bei Ullstein fünf erschienen – gebunden, 272 Seiten, ISBN 978-3961010011.
Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier auch eine Leseprobe.
Meine Rezension zu Ada Dorians »Betrunkene Bäume« finden Sie hier.
Obwohl wir in den Presse-Bereich der Preisverleihung hätten gehen können, zogen wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre eine gleichzeitig stattfindende Veranstaltung vor.
Das Literarische Colloquium Berlin lud Eva Menasse zu einem Gespräch über und Lesung aus ihrem aktuellen Erzählband »Tiere für Fortgeschrittene«, für den die Schriftstellerin jahrelang tierische Zeitungsmeldungen sammelte, um schließlich die beschriebenen Verhaltensweisen in die Welt des Homo sapiens sapiens zu übersetzen.
Von Raupen, die sich ihr eigenes Grab schaufeln, Haien, die künstlich beatmet werden, Enten, die noch im Schlaf nach Fressfeinden Ausschau halten, Schafen, die ihre Wolle von selbst abwerfen und vielen mehr erzählt die Österreicherin in ihren Geschichten.
Die Idee zu ihrem Buch »Tiere für Fortgeschrittene« ist einfach unwiderstehlich. Vielleicht sollten wir die Berichterstattung von Zeitungen und Fernsehen nochmal mit ganz anderen Augen betrachten?
»Mich interessiert der menschliche Blick und das, was er reininterpretiert.«
Für ihren Roman »Quasikristalle« wurde Eva Menasse mit dem Gerty-Spies-Literaturpreis, dem österreichischen Alpha-Literaturpreis sowie dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln ausgezeichnet. Außerdem erhielt sie für ihr bisheriges Werk den Jonathan-Swift-Preis für Satire und Humor. Eben dies gepaart mit viel Tiefe und psychologischen Einblicken erhoffe ich mir auch von »Tiere für Fortgeschrittene«.
»Die Geschichten entstehen beim Schreiben.
Das führt dazu, dass ich mich selber überrasche.«
Eva Menasses Erzählband »Tiere für Fortgeschrittene« ist im März 2017 für EUR 20,00 im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen – gebunden, 320 Seiten, ISBN 978-3462047912.
Hier liest Eva Menasse zehn Seiten ihres Buches und gibt damit einen kleinen Vorgeschmack auf die tierisch-menschlichen Verhaltensmuster.
Wer in den Erzählband reinlesen möchte, findet hier auch eine Leseprobe.
Der Inhalt von Feridun Zaimoglus überraschendem Luther-Roman »Evangelio«: 4. Mai 1521 bis 1. März 1522 – Martin Luther hält sich auf der Wartburg auf und übersetzt in nur zehn Wochen das Neue Testament ins Deutsche. Da man ihm nach dem Leben trachtet, wird er von dem Landsknecht Burkhard bewacht, der selbst Katholik und Anhänger des alten Brauchs ist und Luthers Wirken mit Sorge beobachtet.
Ich bin schon gespannt, wie Zaimoglu dieser Teufelsritt gelungen ist.
Der sympathische Autor hat sich für Kultumea nach seiner Lesung einmal schnell in Pose geworfen.
Der im anatolischen Bolu geborene Zaimoglu lebt seit seinem sechsten Lebensjahr in Deutschland. 2002 erhielt er den Hebbel-Preis, 2003 den Preis der Jury beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und 2005 den Adelbert-von-Chamisso-Preis. Im Jahr 2005 erhielt er den Hugo-Ball-Preis und 2007 den Grimmelshausen-Preis, 2008 den Corine-Preis für seinen Roman »Liebesbrand«, 2010 den Jakob-Wassermann-Literaturpreis und 2012 den Preis der Literaturhäuser. 2016 bekam er den Berliner Literaturpreis. Nach seinen Bestsellern »Leyla« und »Liebesbrand« erschien zuletzt der erfolgreiche Roman »Siebentürmeviertel«. 2016 erhielt Feridun Zaimoglu die Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein.
Feridun Zaimoglus Luther-Roman »Evangelio« ist im März 2017 für EUR 22,00 im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen – gebunden, 352 Seiten, ISBN 978-3462050103. Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier auch eine Leseprobe.
Am ersten Abend hatten wir Karten für die Lesung Bodo Kirchhoffs aus seiner Novelle »Widerfahrnis«. Die Lesung fand im wunderschönen Saal der Deutschen Nationalbibliothek statt. Das Ambiente allein war schon ein Genuss, die Lesung Kirchhoffs dann allerdings um so mehr. Seine Novelle »Widerfahrnis« gilt als die Essenz des literarischen Schaffens von Bodo Kirchhoff.
»Ich weiß nicht, wohin ein Buch führt.
Ich wusste es auch bei diesem Buch absolut nicht.«
Die Novelle »Widerfahrnis«, für die Bodo Kirchhoff den Deutschen Buchpreis 2016 erhielt, ist im September 2016 für EUR 21,00 in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen – gebunden, 224 Seiten, ISBN 978-3627002282.
Auszug aus der Laudatio für Bodo Kirchhoffs »Widerfahrnis«: „Kirchhoffs »Widerfahrnis« ist ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existentielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt.“
Wer in die Novelle reinlesen möchte, findet hier auch eine Leseprobe.
Meine Rezension zu Bodo Kirchhoffs »Widerfahrnis« finden Sie hier.
Vor 33 Jahren, im Jahr 1984, erschien die »Mexikanische Novelle« von Bodo Kirchhoff erstmals. In diesem Frühling brachte die Frankfurter Verlagsanstalt diese wichtige Arbeit Kirchhoffs in einer vom Autor überarbeiteten Fassung heraus.
Die vollständige Neubearbeitung der Novelle »Mexikanische Novelle« ist im März 2017 für EUR 21,00 in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen – gebunden, 180 Seiten, ISBN 978-3627002367.
Wer in die Novelle reinlesen möchte, findet hier auch eine kurze Leseprobe.
Meine Rezensionen zu Lukas Bärfuss‘ »Hagard« und Clemens Meyers »Die stillen Trabanten« folgen bald.
Meinen Bericht zum 2. Messetag finden Sie hier, den zum 3. Messetag hier.
Laila Mahfouz, 28. März 2017
Links:
Unsere Fotostrecke mit weiteren großartigen Fotos der drei Messetage finden Sie hier. Die Rechte aller Fotos zur Lesung liegen bei Anders Balari.
Informationen zu Laila Mahfouz finden Sie hier.
Informationen zu Anders Balari finden Sie hier.