Chimamanda Ngozi Adichie, deren Roman »Americanah« von der New York Times zu einem der fünf besten Romane des Jahres 2013 gewählt wurde und für den sie den Heartland Prize for Fiction sowie den National Book Critics Circle Award erhielt, legte mit ihrem feministischen Manifest »Liebe Ijeawele: Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden« ein Essay in Briefform vor, das auf jeder Buchseite Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeitssinn aufleuchten lässt.
Inhalt (der Verlagsseite entnommen): Mit fünfzehn Vorschlägen für eine feministische Erziehung wirft die Bestseller-Autorin Chimamanda Ngozi Adichie so einfache wie wichtige Fragen auf und spannt den Bogen zwischen zwei Generationen von Frauen – ein Buch für Mütter und Töchter.
Chimamanda Ngozi Adichie, Feministin und Autorin des preisgekrönten Weltbestsellers »Americanah«, hat einen Brief an ihre Freundin Ijeawele geschrieben, die gerade ein Mädchen zur Welt gebracht hat. Ijeawele möchte ihre Tochter zu einer selbstbestimmten Frau erziehen, frei von überholten Rollenbildern und Vorurteilen. Alles selbstverständlich, aber wie gelingt das konkret?
Chimamanda Ngozi Adichie beweist mit ihren fünfzehn Vorschlägen für eine feministische Erziehung, dass Feminismus kein Reizwort ist, ja mehr noch, dass es endlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Dass ein selbstbestimmtes Leben mit der richtigen Erziehung beginnt. Dass die Eltern als Vorbilder unendlich viel zu dem Frauen- und Männerbild beitragen, das die nächste Generation als selbstverständlich erachtet, zeigt die nigerianische Schriftstellerin mit einfachen, für alle verständlichen Beispielen.
»Feminismus und Weiblichkeit schließen sich nicht aus. Es wäre frauenfeindlich, das Gegenteil zu behaupten.«
Zehnter Vorschlag: Überlege dir gut, wie du mit ihr
und ihrem Aussehen umgehst / Seite 57
Wie aktuell dieses Thema ist, sehen wir an der heftigen Kritik, der die feministische Schauspielerin Emma Watson derzeit ausgesetzt ist, da sie sich für die März-Ausgabe der Zeitschrift Vanity Fair auf eine Weise hat fotografieren lassen, die vielen Menschen wohl zu freizügig ist. Kritiker dieser Art bezeichnet Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem aktuellen Buch als Vertreter des Feminismus Light, den sie vollkommen ablehnt. Oder wie es Emma Watson so richtig sagt: „Ich weiß wirklich nicht, was meine Brüste damit zu tun haben.“ Wer sich für das Thema interessiert, findet hier ein kleines Video-Statement von Emma Watson zu den Vorwürfen.
Chimamanda Ngozi Adichies fünfzehn Vorschläge für eine selbstbestimmte Erziehung reichen von „Sei eine vollständige Person“ über „Bring ihr bei, Sprache zu hinterfragen“, „Sorge dafür, dass sie es nicht darauf anlegt zu gefallen“ oder „Sprich mit ihr über Sex und fang früh damit an“ bis zu „Weise sie auf Vielfalt hin“.
Auch wenn ein paar der Regeln für uns selbstverständlich klingen, so sollten wir uns erstens vor Augen führen, dass Adichies Freundin in Nigeria lebt und zweitens, dass die Selbstverständlichkeit in diesen Bereichen in unserem Lande noch auf ganz jungen und wackligen Beinen steht.
Alle fünfzehn Themen sind richtig und wichtig und lassen sich entsprechend auf die Gegebenheiten jedes Landes übertragen.
Mein einzig wirklicher Kritikpunkt betrifft einen Teil des fünfzehnten Vorschlags, der Anerkennung der Vielfalt. Hier spricht Adichie als Beispiel ausgerechnet über Menschen, die Palmöl mögen und welche, die es nicht mögen . Schlimm dabei ist, dass sie die Tochter nach dem Grund der Ablehnung fragen lässt und als für sie richtige Antwort der Mutter „Ich weiß es nicht. So ist die Welt eben.“ gibt. Wenn der Autorin oder einer entsprechenden Mutter nicht klar ist, dass die Ablehnung keine Frage des Geschmacks ist, sondern einzig der Erhaltung der Arten und der Gesundheit der Erde dient, da die Monokultur und das Abholzen des Urwalds verheerende Konsequenzen hat, dann sollte sie als Antwort lieber geben: „Ich weiß es auch nicht. Lass es uns gemeinsam herausfinden.“
Schon mit ihrem im letzten Herbst auch in Deutschland veröffentlichten feministischen Manifest »Mehr Feminismus!« / »We Should All be Feminists« sorgte die nigerianische Schriftstellerin für Furore. Adichies Verständnis von Feminismus, das schon Beyoncé für ihren Track >Flawless gesampelt hat, stimmen wir ganz sicher zu:
»Feminist(in): Eine Person, die an die politische, soziale und wirtschaftliche Gleichheit der Geschlechter glaubt.«
»Feminist: A person who believes in the social, political and economic equality of the sexes.«
Mit diesem neuen Manifest und den erhellenden Erziehungstipps ist es Chimamanda Ngozi Adichie gelungen, das Thema Feminismus einmal auf ganz neue Weise ins Licht zu rücken. Das Thema verdient unsere Aufmerksamkeit, besonders in der Erziehung von Kindern beider Geschlechter, denn nach wie vor herrschen in den Köpfen der meisten Menschen weltweit Vorurteile gegenüber Frauen. So werden Frauen weiterhin benachteiligt. Es werden ihnen ganz einfach von vorneherein Steine in den Weg gelegt, ihre Chancen auf gleiche Behandlung in sozialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht werden gering gehalten. Ohne Männer in irgendeiner Weise zu benachteiligen, ist Feminismus möglich und nötig und daher ist der Originaltitel des vorherigen Buches (Originaltitel: »We should all be Feminists«) Programm, denn wir sollten alle Feministen sein, egal welchen Geschlechts oder welcher Nationalität wir angehören.
»Mach Vielfalt zu etwas Gewöhnlichem, Normalem. Bring ihr bei, Andersartigkeit keinen Wert beizumessen. Und nicht, weil sie fair oder nett sein soll, sondern einfach menschlich und praktisch. Denn Unterschiede sind die Realität. Und indem du sie darauf hinweist, stattest du sie mit dem Rüstzeug aus, um in einer Welt der Vielfalt zu überleben.«
Fünfzehnter Vorschlag: Weise sie auf Vielfalt hin / Seite 78
Ein wenig vermisse ich noch ein Kapitel zum Thema „Liebe Ijeawele, wenn dein nächstes Kind ein Junge wird, erziehe ihn auf diese Weise feministisch…„. Die Erziehung der Jungen von heute schafft uns die Art der Männer von morgen. Ihren Blick auf die anderen fünfzig Prozent der Weltbevölkerung in die richtigen Bahnen zu lenken, ist ebenso wichtig, wie den Mädchen ihre Rechte klarzumachen.
Fazit: Chimamanda Ngozi Adichies »Liebe Ijeawele: Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden« ist in der deutschen Version auf 80 Seiten gedruckt, die wirklich alle Menschen gelesen haben sollten, ganz besonders aber Eltern und Lehrer. Die von Adichie anführten Beispiele aus unserem täglichen Leben und Sprachgebrauch sind einleuchtend und erhellend. Das Buch eignet sich ebenso gut dazu, die eigenen Verhaltens- und Ausdrucksweisen zu überdenken, wie auch als konkrete Anwendungshilfe für die selbstbestimmte und feministische Erziehung aller Kinder, denn:
»We Should All be Feminists!«
Chimamanda Ngozi Adichies »Liebe Ijeawele: Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden« (Originaltitel: »Dear Ijeawele« or »A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions«) ist zum Weltfrauentag am 8. März 2017 für EUR 8,00 in der Übersetzung von Anette Grube im S. Fischer Verlag erschienen – Taschenbuch, 80 Seiten, ISBN 978-3596299683.
Wer reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Chimamanda Ngozi Adichies »Mehr Feminismus! Ein Manifest und vier Stories« (Originaltitel: »We Should All be Feminists«) ist am 22. September 2016 für EUR 8,00 in der Übersetzung von Anette Grube im S. Fischer Verlag erschienen – Taschenbuch, 112 Seiten, ISBN 978-3596036769.
Wer reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Über die Autorin: Chimamanda Ngozi Adichie ist eine der großen jungen Stimmen der Weltliteratur. Ihr Roman ›Blauer Hibiskus‹ war für den Booker-Preis nominiert, ›Die Hälfte der Sonne‹ erhielt den Orange Prize for Fiction 2007. Insgesamt wurde ihr Werk in 37 Sprachen übertragen und sie steht auf der renommierten Liste der »20 besten Schriftsteller unter 40« des »New Yorker«. Für ›Americanah‹, von der »New York Times« zu einem der fünf besten Romane von 2013 gewählt, erhielt sie 2013 den Heartland Prize for Fiction und im selben Jahr den National Book Critics Circle Award. Adichie wurde 1977 in Nigeria geboren und lebt heute in Lagos und in den USA.
Laila Mahfouz, 8. März 2017
Links:
Informationen zur Autorin auf den Seiten des S. Fischer Verlages finden Sie hier.
Weitere Informationen zu Chimamanda Ngozi Adichie finden Sie hier.
Informationen zu Laila Mahfouz finden Sie hier.