Hatten Sie einen schlechten Tag? Dann greifen Sie zu Wladimir Kaminers neuem Buch mit dem kuriosen Titel »Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger – Ein Unruhestand in 33 Geschichten« und entschwinden mit ihm in eine fröhliche Welt voll liebevollem Spott, sei es über seine Familie, allen voran seine Mutter samt ihren Freundinnen oder über die Russen allgemein und die kleinen Schwächen, das allzu Menschliche, das ein wenig doch in uns allen steckt.
Inhalt (dem Verlagstext entnommen): Trotz ihrer 84 Jahre erkundet Wladimir Kaminers Mutter munter die Welt und erlebt dank ihrer unersättlichen Neugier mehr Abenteuer als alle anderen Familienmitglieder – ob beim Englischlernen, beim Verreisen oder beim Einsatz hypermoderner Haushaltsgeräte. Dabei sammelt sie eine Menge Erfahrungen, die sie natürlich nicht für sich behalten, sondern an die nächste Generation weiterreichen möchte. Schließlich ist Wladimir mittlerweile in einem Alter, in dem man gute Ratschläge zu schätzen weiß und Erziehungsarbeit langsam sinnvoll wird. Wladimir folgt den Eskapaden seiner Mutter daher mit großem Interesse, allzeit bereit, etwas zu lernen. Und sei es nur, sich nicht von einer sprechenden Uhr terrorisieren zu lassen …
Alle Geschichten lesen sich leicht. Sie sind wie fröhliche, kleine weiße Federwölkchen in den blauen Himmel getupft. Die enthaltenen sachlichen Informationen und Kritiken, egal ob familiär, menschlich oder politisch, sind so geschickt verpackt, dass sie beim fröhlichen Lesespaß kaum wahrgenommen werden und erst später nachwirken, so dass ich das Buch zweimal gelesen habe.
Zum Beispiel die Rente allgemein und seine Mutter betreffend:
Ich denke, die ganze Menschheit teilt sich in dieser Frage in zwei Gruppen.
Die einen glauben, Arbeit wirke lebensverlängernd, die anderen meinen, die Rente tue es.
(In Rente gehen, Seite 21)
Wohltuend bei allem Spott und häufiger Kritik an den Zuständen in Russland und seiner Abneigung den Regierenden gegenüber ist die tiefe Liebe und Verbundenheit zu seinen russischen Landsleuten, die zwischen den Zeilen überall zu spüren ist, wie auch das Verständnis für die allzu menschlichen Schwächen anderer Völker, seien es die Deutschen, die Amerikaner oder auch die Syrer.
Es schien, als würde das Land keine Perspektive in der neuen freien Welt haben, alle warmen Plätzchen waren schon vergeben: Die Amerikaner machten IT, die Deutschen bauten Autos, die Chinesen klebten Turnschuhe und die Kambodschaner lieferten die Schnürsenkel dazu. Die Russen torkelten an diesem fremden Strand unter der harten Sonne des Kapitals hin und her, aber überall, wo es Schatten gab, lagen bereits die Badetücher anderer Länder.
(Kochen für den Frieden, Seite 60)
Selbst das Wesen des Kapitalismus kann Kaminer mit wenigen Worten anhand eines kleines Erlebnisses sehr einprägsam veranschaulichen:
Gleich am ersten Abend im Restaurant, als ich mir ein Glas Wein bestellen wollte, bot mir der Kellner sofort an, ihm gleich 10 Flaschen davon abzunehmen – mit 20 % Rabatt. Er nahm meine Serviette vom Tisch und rechnete darauf aus, wie viel reinen Gewinn ich bei dem Deal machen würde. Nach diesem Gespräch traute ich mich nicht mehr, bei demselben Kellner ein Steak zu bestellen. Ich befürchtete, er würde mir gleich eine ganze Kuh zum halben Preis auf den Schoß setzen.
(Halloween feiern, Seite 209)
Als Auftakt zu den vielen amüsanten Episoden des Buches steht die Feststellung der Mutter von Wladimir Kaminer, sie würde nach dem Tod ihres Mannes nun die Ruhe genießen und habe eigentlich immer allein leben wollen. Seither nimmt sie dieses neue Leben entschlossen in die Hand. Sie meint, 83 sei genau das richtige Alter, um die Welt zu entdecken und reist nun viel und gerne. Das Ziel ist dabei egal, Hauptsache die Reise ist möglichst preiswert und sollte nicht allzu fern sein.
Auch der allwöchentliche Englisch-Unterricht in der Volkshochschule, den sie seit bereits 23 Jahren besucht – immer in derselben Gruppe mit derselben Lehrerin und demselben Programm „unregelmäßige Verben“ – wird zielstrebig absolviert. Seine Mutter ist allerdings überzeugt davon, dass das Leben zu kurz ist, um richtig Englisch zu lernen. Regelmäßig besucht sie außerdem mit ihrem Sohn das Schwimmbad.
All diese Ereignisse sind natürlich durch den außergewöhnlichen Charakter der Mutter und den besonderen Humor des Sohnes ein wunderbarer Spaß und auch sprachlich ein Genuss.
Besonders herrlich schildert Kaminer das teilweise skurrile Familienleben seiner Mutter mit der Katze Wassilissa, der Schildkröte Lena, dem sprechenden Staubsauger Wasja und ihren Freundinnen: der Reise-Oma, der Musik-Oma und der Kommunisten-Oma.
Sogar Wassilissa […] bekam einmal fast einen Herzinfarkt, nachdem sich die Schildkröte in ihrem Katzenklo eingegraben hatte. Wassilissa saß gerade in einer intimen Angelegenheit in der berühmten Adlerposition auf dem Klo, als der Sand unter ihrem Hintern plötzlich anfing, sich zu bewegen. Wassilissa war zutiefst schockiert.
(Schildkröten sammeln, Seite 92/93)
Ein großes Lob dem Manhattan Verlag: Die Schrift ist sehr gut lesbar und nicht, wie jetzt häufig „modern“ in hellgrau und damit nur bei wirklich gutem Licht zu entziffern. Eines hat mich besonders gefreut – dies ist endlich einmal ein Buch völlig ohne Fehler. Selbst bei den renommiertesten Verlagen schleichen sich immer wieder Grammatik-, Rechtschreib- oder auch nur Tippfehler ein, wobei ich mich dann frage, wer dort vor dem Druck Korrektur liest.
Fazit: Wer mit einer solchen Mutter gesegnet ist, dem wird es im Leben sicher nie langweilig. Ich wünsche der alten Dame und ihren Freundinnen noch ein langes Leben und hoffe, dass Wladimir Kaminer uns noch oft mit vielen Büchern an seinem und dem Leben seiner Familie teilhaben lässt.
Nach der Lektüre des Buches »Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger – Ein Unruhestand in 33 Geschichten« von Wladimir Kaminer kann man einfach keine schlechte Laune mehr haben. Ein herrliches, entspannendes Buch für trübe Herbst- und kalte Wintertage und dafür uneingeschränkt zu empfehlen.
Und wie Wladimir Kaminer in einem Interview sagte: »Das ist alles aus dem Leben. Ich bin doch nicht so bekloppt, dass ich mir das ausdenke.«
Wladimir Kaminers Buch »Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger – Ein Unruhestand in 33 Geschichten« ist im August 2016 im Manhattan Verlag erschienen – gebunden, 256 Seiten, 17,99 Euro, ISBN 978-3442547593.
Random House Audio brachte ebenfalls im August die Hörbuchausgabe von »Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger« mit allerdings nur 17 bzw. 21 der 33 Geschichten heraus. Gelesen wird das Buch wie immer von Wladimir Kaminer selbst. Sie finden es hier. Eine Hörprobe finden Sie ebenfalls dort oder mit Klick aufs Bild.
Die Geschichten sind auf 2 CD’s mit einer Laufzeit von ca. 127 Minuten verteilt – ISBN: 978-3837136098 – EUR 16,99.
Über den Autor: Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk und studierte anschließend Dramaturgie am Moskauer Theaterinstitut. Seit 1990 lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin. Er veröffentlicht regelmäßig Texte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und organisiert Veranstaltungen wie seine mittlerweile international berühmte „Russendisko“. Mit der gleichnamigen Erzählsammlung sowie zahlreichen weiteren Büchern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands. Alle seine Bücher gibt es als Hörbuch, von ihm selbst gelesen.
G. Baschelke, 21. November 2016
Links:
Informationen zu Wladimir Kaminer auf der Seite des Manhattan Verlages. Hier finden Sie auch die anstehenden Lesungstermine.
Wer mehr lesen möchte und sich dennoch bisher nicht zu einem Kauf entschließen konnte, findet hier eine Leseprobe.
Die Website von Wladimir Kaminer finden Sie hier.
Die Facebook-Seite von Wladimir Kaminer finden Sie hier.
Hier eine Vorstellung des Buches »Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger – Ein Unruhestand in 33 Geschichten« durch Wladimir Kaminer und seine Mutter:
Die Website zu Wladimir Kaminers Russendisko finden Sie hier.
Mehr Informationen zu Wladimir Kaminer finden Sie hier.