Nina Blazon hat mit „Der Spiegel der Königin“ ein eindrucksvolles Portrait zweier starker Frauen geschaffen: Der echten Königin von Schweden Kristina I. (1626 – 1689) und der fiktiven Scheuermagd und späteren Hofdame Elin, die einen Platz an Kristinas Seite und damit Einblicke in deren Leben und Sorgen erhält. Der Autorin gelingt eine wunderbare Symbiose von Fakten und Fiktion im gut recherchierten Schweden des 17. Jahrhunderts.
Inhalt: Stockholm im Jahr 1647: Während die junge Königin Kristina I. nach dem Tode ihres Vaters den Thron und damit die Sorge um Schwedens Zukunft geerbt hat, schlägt sich das Waisenmädchen Elin Asenban allein durch die Welt und findet im Palast der Königin in Uppsala eine Anstellung als Scheuermagd in der Küche. Als ein Schmuckstück verschwindet, wird ihre beste Freundin verdächtigt. Elin folgt ihrer Intuition, um die Freundin zu entlasten und wird schließlich selbst des Diebstahls bezichtigt. Nun muss sie sich vor der Königin rechtfertigen, doch Kristina ist von Elins direkter Offenheit so angetan, dass sie beschließt, sie mit sich nach Stockholm auf das Schloss Tre Kronor zu nehmen. So ändert sich das Dasein der einstigen Scheuermagd zwar wie durch ein Wunder von einem Tag auf den anderen, doch ein Zuckerschlecken ist das Leben an Kristinas Seite wirklich nicht.
Die impulsive und jähzornige Königin bleibt trotz immer mehr Vertrautheit zwischen den beiden Frauen stets unberechenbar. Einmal bezeichnet sie Elin als ihren Spiegel und ebenso wie mit einem solchen macht es ihr an manchen Tagen viel Vergnügen, hinein zu blicken und an anderen möchte sie den Spiegel am liebsten zerschlagen. Die Königin nutzt Elin als Vertraute und Spionin und malträtiert das Mädchen mit dem Wechselspiel von Zuneigung und eisiger Härte. Dennoch hat Elin der Königin viel zu verdanken, denn durch sie lernt das einfache aber hoch intelligente Mädchen reiten, lesen und schreiben, betreibt intensive medizinische Studien und findet ihre große Liebe. Die sich in der Königsrolle nicht immer wohl fühlende Königin, die mit ihrem starken Willen und ihrer eigensinnigen Art maßgeblich an der Beendigung des 30-jährigen Krieges beteiligt war, versucht Elin stets zu beeinflussen und nach ihrem Bild zu formen. Durch Elins immer weiter fortschreitende geistige und körperliche Unabhängigkeit bekommt die Beziehung zu der Königin langsam Risse. Als sie sich schließlich zwischen ihr und ihrer Liebe entscheiden muss, zerbricht der Spiegel endgültig.
Nina Blazon gelingt der Spagat zwischen historischen Fakten und einer fesselnden Handlung um die fiktive Elin hervorragend. All die Intrigen, die interessanten Persönlichkeiten am Hofe, die Sitten und Gebräuche der Zeit und das so andere Leben im hohen Norden, alles ist in diesem kurzweiligen Roman verpackt. Er hat keinerlei Längen und liest sich flüssig und glaubwürdig. Elins Charakter, der Kampf um die Freiheit des Geistes und die Unabhängigkeit einer Frau sind einfach hervorragend gezeichnet. Auch viele Nebencharaktere sind gut herausgearbeitet und finden den Weg in das Herz des Lesers. Hier bleibt Nina Blazon keineswegs nur bei fiktiven Figuren, sondern bedient sich auch der realen Persönlichkeiten wie zum Beispiel Axel Oxenstierna, René Descartes oder der Hofdame Ebba. Faszinierend waren für mich die vielen Kleinigkeiten, über die sich die Autorin informiert haben muss. Alles wirkt authentisch und wie aus einer anderen Zeit, auch wenn der Roman in sehr einfacher Sprache geschrieben ist.
Die gebundene Ausgabe des Ravensburger Buchverlags ist schön und sehr gut lektoriert. Das Cover, das in den Farben der schwedischen Flagge blau und gelb gehalten ist, ist sehr ansprechend und auch sehr passend für das Buch und hat an dieser Stelle auch ein Lob verdient (Umschlagillustration: Henriette Sauvant). Im Anhang sind ein kurzes Portrait zu Nina Blazon sowie ein Nachwort der Autorin zu finden, in dem sie über die historischen Fakten und ihre Recherche spricht.
Fazit: „Der Spiegel der Königin“ ist als Jugendroman angegeben, war aber für mich auch sehr fesselnd. Ich kann das Buch für alle Altersgruppen ab zwölf Jahren empfehlen. Viele historische Ereignisse, die im Geschichtsunterricht vielleicht nur schwer verdaulich waren, werden durch diesen Roman länger hängen bleiben und machen das Buch zu einem besonderen Erlebnis. „Der Spiegel der Königin“ ist ein beeindruckend gut recherchierter Roman über zwei willensstarke Frauen, die versuchen, ihren Platz im Leben zu finden.
Nina Blazon „Der Spiegel der Königin“, Hardcover mit 352 Seiten, erschienen beim Ravensburger Buchverlag unter ISBN 978-3473352579.
Laila Mahfouz, 16. Juli 2012
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