„An jene, die Glyzinien und Sonnenschein zu schätzen wissen“: „Verzauberter April“ ist ein kleines Meisterwerk, ein Roman, der Lebensweisheit mit Leichtigkeit, Humor mit Tiefe paart und Leserinnen wie hoffentlich auch so manchen Leser glücklich zurücklässt, um sie zu gegebener Zeit wieder einzusammeln und erneut fortzutragen. Wenn ich bei der Beschreibung meines Lieblingsbuches ins Schwärmen gerate, so bitte ich um Nachsicht.
Was ist das Besondere an diesem Buch, an dieser Geschichte, die mich schon seit zwanzig Jahren gefangen nimmt? Vier sehr unterschiedliche Frauen erleben einen Monat voll innerem Wachstum, zurück zu einer alles umfassenden Liebe, die ihnen auf ihrem Lebensweg abhanden gekommen war. Wohl jede Frau erliegt der Magie des Romans/Films, denn die Identifikation mit einem oder mehreren der Charaktere fällt mehr als leicht. Als ich mich „Verzauberter April“ zum ersten Mal zuwandte, war ich noch nicht einmal zwanzig Jahre alt, nun bin ich schon fast vierzig, doch „Verzauberter April“ hat für mich nichts von seinem Zauber eingebüßt, im Gegenteil. Immer mehr berührt mich jeder Satz, jeder Augenblick des schönsten Aprils, den man sich vorstellen kann.
„An jene, die Glyzinien und Sonnenschein zu schätzen wissen. Kleines mittelalterliches Castello an der italienischen Mittelmeerküste für den Monat April möbliert zu vermieten. Z, Postfach 1000, The Times.“
So lautet die Anzeige, die Lottie Wilkins und Rose Arbuthnot ins Auge sticht. Natürlich denken sie zuerst, dass diese Art Ferien nur für die Reichen bestimmt ist und sie selbst verdammt sind, im verregneten London auszuharren. Doch als Lottie den Vorschlag macht, ihre Ersparnisse dafür zu geben und mit Rose die Kosten zu teilen, kann diese schließlich nicht widerstehen. Da es immer noch zu viel für ihre Geldbörsen ist, beschließen sie, nach zwei weiteren Damen zu suchen, die bereit sind, mit ihnen den April in Italien zu verbringen. So machen sich schließlich die schüchterne Lottie, die pflichtbewusste und desillusionierte Rose, die herrische Mrs. Fisher und die gebrochene Caroline auf nach Italien. Vier Frauen, die einander fremd sind und die verlernt haben, sich am Leben zu freuen, entdecken alles, was es lebenswert macht. Nur einer von ihnen ist von Anfang an klar: Dieser April verändert sie alle und ihre Zukunft für immer.
Im Frühling 1993 entdeckte ich ein Kinoplakat, das mich augenblicklich ansprach, als wäre es nur für mich aufgehängt worden. Ich sah den Film ein paar Tage später und war verzaubert. Hinterher lief ich schnurstracks in eine Buchhandlung, um noch tiefer in die Welt des italienischen Paradieses eintauchen zu können. Ich habe das Buch verschlungen, konnte es nicht aus der Hand legen. Seither habe ich es sicher schon 4 oder 5 Mal gelesen, denn obwohl der Film sehr gut umgesetzt ist, berührt mich das Buch noch mehr.
Wenn ich also eine Aufmunterung brauche und etwas mehr Zeit habe, wird das Buch erneut bemüht, wenn die Zeit zu knapp ist, dann muss der Film einmal mehr herhalten. Beides hinterlässt mich so glücklich und zufrieden, als wäre ich selbst dort im italienischen Frühlingsparadies gewesen! Schon ein Kapitel irgendwo in einer vollgestopften U-Bahn, abends im Bett oder auf einer Parkbank gelesen, ist für mich Erholung pur und weitet mein Herz, lässt mich wieder alles und jeden mit mehr Liebe betrachten. Kaum ist man in die Handlung versunken, spürt man die italienische Sonne die Haut wärmen und die Nase kitzeln, atmet den Duft von Lilien, Blauregen und Akazien ein, ja, teilt alles mit diesen Menschen, die zwar nur auf dem Papier, dafür aber in Ewigkeit existieren. Elizabeth von Arnims Sprachwitz, ihre feine Beobachtungsgabe wie auch ihr Humor, mit dem sie ihre Charaktere zeichnet, ist einmalig und verführt immer wieder zum Schmunzeln, nur um einen Moment später bei einer detailreichen Landschaftsbeschreibung wohlig aufzuseufzen.
Der Insel Verlag (Suhrkamp) hat 1992 pünktlich zum Erscheinen des Films gleich zwei wunderbare Ausgaben von „Verzauberter April“ in der grandiosen Übersetzung von Adelheid Dormagen herausgebracht. Bild 1 zeigt die Taschenbuch-, Bild 3 die in Leinen gebundene Ausgabe. Bild 2 zeigt das 1995 erschienene Taschenbuch in großer Schrift. (Eine gebundene Ausgabe in großer Schrift und gleicher Übersetzung ist im Verlag CW Niemeyer erschienen.) Bild 4, hier rechts, zeigt die besonders schöne englische Ausgabe von Virago Press aus 2011, die ich sehr empfehlen kann. Das Vorwort schrieb Sarah Dunant.
Mike Newell, der uns später noch so wunderbare Filme wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder „Mona Lisas Lächeln“ schenken sollte, hat schon mit „Verzauberter April“ bewiesen, dass er ein Meister der leisen Töne ist und sich in die Gefühlswelt von Frauen bestens hineindenken kann. Mit der besten Besetzung, die man sich nur wünschen kann, lässt er das verregnete, aber aufregende London der zwanziger Jahre ebenso vor unseren Augen auferstehen wie die italienische Verzauberung am Meer.
Die stärkste Veränderung zum Roman ist wohl der Charakter der Caroline Dester. Sie ist innerlich wie äußerlich ein komplett anderer Typ. Jedoch kann ich nur sagen, dass sowohl sie selbst als auch insbesondere ihre Liebesgeschichte schöner und glaubhafter ist als im Roman. Ich war erstaunt zu lesen, dass Caroline im Buch eine entzückende Blondine ist, die sich zwar aufgrund ihrer Schönheit ebenso wie ihr Pendant im Film der Männerwelt erwehren muss, aber sich doch grundlegend von dieser anderen Caroline unterscheidet. Auch wenn das Ende ihrer Geschichte zu demselben Resultat führt wie im Roman, so ist der Weg dorthin im Film ein anderer und meiner Meinung nach ein glaubwürdigerer.
Besetzung:
Lottie Wilkins – Josie Lawrence
Rose Arbuthnot – Miranda Richardson
Caroline Dester – Polly Walker
Mrs. Fisher – Joan Plowright
Mellersh Wilkins – Alfred Molina
Frederick Arbuthnot – Jim Broadbent
Mr. Briggs – Michael Kitchen
und
San Salvatore – Castello Brown
Das wundervolle Castello Brown in Portofino, Italien, das schon Elizabeth von Arnim zu dem Roman inspiriert hat, dient Mike Newell als Drehort für San Salvatore. Der märchenhafte Ort, in dem die Autorin 1920 eine Zeit lebte, ist heute ein öffentliches Museum, das ich mir bei einem Italienbesuch nicht entgehen lassen werde. Natürlich trägt die Magie des Castellos zu dem Zauber des Film bei, auch machte sie es den hervorragenden Darstellern sicher leichter, in die jeweiligen Rollen hineinzuschlüpfen.
Während der Garten im April immer mehr aufblüht, tun es ihm die vier englischen Damen gleich. Die Wandlungen, die Josie Lawrence, Miranda Richardson, Polly Walker und Joan Plowright so glaubhaft verkörpern, berühren zutiefst. Auch ihre männlichen Kollegen können sich der Macht des Ortes und der Verwandlung ihrer Partnerinnen nicht entziehen und erkennen sich selbst schon bald kaum wieder.
Besonderes Kompliment an die Kostüme zu „Verzauberter April“. Sie passen nicht nur perfekt in die 20er Jahre, es hat manchmal sogar den Anschein, als lösten sich die Kleidungsstücke in der Landschaft auf, sind sie in England noch streng und steif, fließen sie in Italien zu einem leichten, praktischen Hauch, der die Stimmung wunderbar wiederspiegelt.
Die deutsche DVD von 2004 ist regulär nicht mehr erhältlich und wird für sage und schreibe EUR 124,99 gehandelt. Um solchen Wucherpreisen entgegen zu wirken und ihnen die Enttäuschung einer ohnehin nicht gerade digital remasterten Version zu ersparen, möchte ich an dieser Stelle die englische Version empfehlen. Sie ist in Deutschland als U.K. Import für EUR 15,95 oder noch besser direkt in England für £ 5,97 zu beziehen, enthält englische Untertitel (natürlich zum Ein- und Ausschalten) sowie einen Audio-Kommentar von Mike Newell und ist, aufgrund des wirklich perfekt gesprochenen Englisch, hervorragend zu verstehen.
Die Autorin Elizabeth von Arnim (* 31. August 1866 in Kirribilli Point bei Sydney, New South Wales, Australien; † 9. Februar 1941 in Charleston, South Carolina), die mit dem autobiographischen Roman „Elizabeth und ihr Garten“ berühmt geworden war, brachte 1922 mit „Verzauberter April“ ihren wohl bekanntesten Roman heraus. In ihm lässt sie einmal mehr alle Farben der reichen Flora vor den Augen des Lesers explodieren. Der Roman verströmt so viel Charme und Witz, dass es nicht verwunderlich ist, dass viele in ihm eine würdige Nachfolge für Jane Austens Werke sehen.
Elizabeth von Arnim, die englisch erzogen wurde, heiratete 1891 den deutschen Grafen von Arnim und lebte viele Jahre in Deutschland (Berlin und Pommern), bevor sie sich nach ihrer Scheidung zur Rückkehr nach England entschied und später nach Amerika emigrierte. Interessanterweise war E. M. Forster (Autor von „Zimmer mit Aussicht“) während ihrer Jahre in Deutschland Lehrer ihrer Kinder. E. M. Forster gab zu, von Elizabeth inspiriert gewesen zu sein und ihr mindestens eine Romanfigur nachempfunden zu haben. Das mehr als bewegte Leben der Elizabeth von Arnim, auf Wikipedia nachzulesen, böte selbst genug Stoff für eine wunderbare Verfilmung. Da sich meines Wissens jedoch noch kein Regisseur an die Arbeit gemacht hat, füge ich hier noch den Trailer zu „Enchanted April“ ein.
Fazit: Wie sich unschwer erkennen lässt, kann ich den Roman wie auch den Film wärmstens empfehlen (insbesondere in englischer Sprache). Beides ist genau das Richtige für alle Menschen mit Winterblues, Regensommerblues, zur Aufheiterung oder zum Genuss und zum Träumen – einfach für alle Fälle! DIE Empfehlung!!!
Zum Abschluss noch ein paar Bilder aus dem wunderschönen Film. Zur Vergrößerung bitte auf die Bilder klicken; sie öffnen sich dann in einem separaten Fenster.
Laila Mahfouz, 09. Juli 2012
Links:
Die Facebook-Seite zum Film finden Sie hier
Der Trailer zu „Enchanted April“ auf YouTube
Informationen zu Laila Mahfouz