Rezen­si­on zu Bri­git­te Wer­ners »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben«

Bri­git­te Wer­ners Kolum­nen­samm­lung »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben« ist ein wun­der­hübsch gestal­te­tes Büch­lein. Die Autorin erzählt von Begeg­nun­gen, die ihr unver­gess­lich wur­den, von Augen­bli­cken, die eben­so inne­hal­ten wie mit­füh­len las­sen und zum Nach­den­ken anre­gen. Das idea­le Geschenk­buch und ein klei­ner, fei­ner Schatz im Bücherregal.

Ver­lags­text: Bri­git­te Wer­ner erzählt in ihrem neu­en Buch von unge­wöhn­li­chen Begeg­nun­gen mit Kin­dern und frem­den Men­schen, von berührenden Erleb­nis­sen in der Natur, zau­ber­haf­ten Momen­ten in der Kunst und zufäl­li­gen Augen­bli­cken, die dem Leben eine unge­ahn­te Wen­dung geben kön­nen. Ver­zich­tet man ein­mal auf die gewohn­te Per­spek­ti­ve und blickt zur Sei­te statt immer gera­de­aus, so nimmt man Din­ge und auch Men­schen anders wahr, und unschein­ba­re Bege­ben­hei­ten erhal­ten plötz­lich eine beson­de­re Bedeutung.

Schon in ihrem vor­he­ri­gen Buch »Zufäl­le – Das Leben ist wun­der­bar« schil­der­te Bri­git­te Wer­ner in fünf­und­zwan­zig Kolum­nen, die zum Teil zuvor im Lebens­ma­ga­zin a tem­po erschie­nen sind, das Leben in all sei­nen Facet­ten. Auch in der Fort­set­zung »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben« setzt sie die­ses Kon­zept um. Zu den zwölf Kolum­nen­tex­ten, die 2017 in a tem­po erschie­nen sind, füg­te die Autorin wei­te­re drei­zehn Tex­te hin­zu. Sie schrieb über all das, was ihr in ihrem Leben begeg­net ist und was sie für wert erach­tet hat, auf die­se Wei­se bemerkt zu werden.
In einem per­sön­li­chen Vor­wort erzählt Bri­git­te Wer­ner, wie es zur Umset­zung des Buches kam und in einem auto­bio­gra­phi­schen Nach­wort erfah­ren wir viel über den Wer­de­gang der Autorin, ihre Arbeit und die Wen­de­punk­te in ihrem Leben.

Oft habe ich mich in die­sen Tex­ten wie­der­erkannt und mei­ne eige­nen Hand­lun­gen und Gedan­ken hinterfragt.
Oft sind es auch sehr frem­de Gedan­ken, die einen ganz neu­en Blick auf die bekann­te Welt wer­fen lassen.

In der Geschich­te »Von oben« erzählt Bri­git­te Wer­ner sehr anschau­lich, welch ein Unter­schied in der Wahr­neh­mung eines Nach­barn und der Stö­rung durch den­sel­ben erfol­gen kann, sobald ein Frem­der nicht mehr gar so fremd ist.
Beson­ders schön ist auch die Beg­nung mit einem ver­mut­lich obdach­lo­sen Mann, den sie ein­mal vor einem Bücher­schrank traf, aus dem sich jeder bedie­nen kann:

Plötz­lich erhellt sich sein Gesicht. Die­ser Fun­ke von Kei­ne­ah­nung­was wird ein gan­zer Licht­strei­fen. […] die Gedich­te von Pablo Neru­da. Er schwenkt mir [das Bänd­chen] vor der Nase hin und her. […]
Ich nicke mit dem Kopf wie ein Wackel­da­ckel vor Begeis­te­rung […] und zie­he ihn mit mir auf die nächs­te Bank. Wir sit­zen dicht nebeneinander.
Ich den­ke nicht, ich rie­che nicht, ich bin vol­ler Ehr­furcht und Freu­de […] und dann lese ich ihm inbrüns­tig eins mei­ner Lieb­lings­ge­dich­te vor: »Die Köni­gin«.
Als ich fer­tig bin, sind wir bei­de sehr still. […]
Er zitiert lei­se: »…wenn du durch die Stra­ßen gehst, erkennt dich keiner…«[…]
Ich rei­che ihm das schma­le Buch, und ehe ich noch dar­über nach­den­ken kann, ob ich mich traue, ihn zu umar­men, schlurft er davon. Das Buch fest unter den Arm geklemmt.
»Licht­strei­fen« / Sei­te 39 + 40

Bri­git­te Wer­ners »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben« ist bereits der 49. Band in der Rei­he »Fal­ter: Für den Wan­del des Men­schen« in der Rubrik Wis­sen­schaft und Lebens­kunst des Ver­la­ges Frei­es Geis­tes­le­ben. Wie ver­mut­lich alle Bänd­chen die­ser Rei­he ist »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben« wun­der­schön gestal­tet. Das Motiv des Schutz­um­schlags passt wun­der­bar, beson­ders zu der Geschich­te »Shadow«. Das Buch ist in grau­es Lei­nen gebun­den (Faden­hef­tung) und auf der Vor­der­sei­te ist das Fal­ter-Logo lila auf­ge­prägt. Der glei­che Farb­ton wie­der­holt sich in den Vor­satz­blät­tern des Buches. Dem Buch fehlt eigent­lich nur ein Lese­bänd­chen, denn nach jedem der kur­zen Tex­te ist ein Inne­hal­ten ange­bracht, um Raum für die so wich­ti­gen Nach- und Selbst­denk­pau­sen zu geben.
Die zau­ber­haf­te Aus­stat­tung des Buches und die wun­der­ba­re Hap­tik macht das Bänd­chen zu einem wah­ren Schmuck­stück und einem idea­len Geschenk für alle, die sich gern von wei­sen Gedan­ken berei­chern las­sen und Ver­gnü­gen an neu­en Blick­win­keln haben.

In einem Text, der mich sehr berührt hat, erzählt Bri­git­te Wer­ner, wie sie nach einem Unfall in ihrer Bewe­gungs­frei­heit ein­ge­schränkt war und auf­grund der hef­ti­gen Schmer­zen immer unleid­li­cher wur­de, ihre Umwelt all ihren Unmut spü­ren ließ und sich schließ­lich – mit der Welt grol­lend – an die Schlei zurück­zog, um sich von allem Übel zu erho­len. Dort erin­ner­te ihre inne­re Stim­me sie dar­an, dass dies nicht ihr wah­res Ich sei. Der fol­gen­de Aus­zug aus dem Text »Plötz­lich ist alles anders« zeigt deut­lich, wie bild­haft der Schreib­stil der Autorin ist:

Ich heul­te so hef­tig los, dass die Schlei klei­ne Neben­ar­me bekam. Ich dank­te dem Der­di­edas und beschloss auf der Stel­le, mit dem Gran­tig­sein auf­zu­hö­ren. Sofort ging es mir besser.
»Plötz­lich ist alles anders« / Sei­te 98

Anstatt wie sonst üblich Chet Bak­er oder etwas Ähn­li­chem zu lau­schen, schal­te­te Bri­git­te Wer­ner zwei Tage spä­ter „zufäl­lig“ in ein Inter­view mit André Hel­ler und erkann­te in ihm sofort einen Seelenverwandten:

Woher kennst du mein Leben? […] Ein See­len­ver­wand­ter taucht sehr sel­ten in einem Leben auf, und schon gar nicht auf dem Bild­schirm des Fern­se­hers. Aber es war gera­de passiert. […]
Ich kauf­te [sein neu­es Buch] am ande­ren Tag, es hat mich beglückt.
»Das Buch vom Süden« ist lei­den­schaft­lich, ver­rückt, wei­se und ein Genuss.
Gut, dass ich an die­sem Sonn­tag auf Chet Bak­er ver­zich­tet habe.
»Plötz­lich ist alles anders« / Sei­te 99 + 100
(Eine Vor­stel­lung des Buches in der Lite­ra­tur­sen­dung lesens­wert fin­den Sie hier.
Die Vor­stel­lung des Buches in der Lite­ra­tur­sen­dung Druck­frisch ist momen­tan noch in der Media­thek der ARD hier zu finden.)

Bri­git­te Wer­ner in Sie­se­by an der Schlei, Schles­wig-Hol­stein (Foto: Chris­ti­an Kaiser)

Fazit: Bri­git­te Wer­ner kehrt in ihrer Kolum­nen­samm­lung »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben« ihr Inners­tes nach Außen. In ihrer die eige­ne Pri­vat­sphä­re nicht scho­nen­den Direkt­heit erin­nern mich ihre Tex­te an die zu recht belieb­ten Kolum­nen von Elke Hei­den­reich.
Bri­git­te Wer­ner erzählt von vie­len klei­nen Momen­ten mit gro­ßer Wir­kung, die viel­leicht sogar das Poten­ti­al haben, Aus­lö­ser für klei­ne Ver­än­de­run­gen im Leben zu wer­den. Geschich­ten, die eben­so Mut wie Spaß machen, schenkt uns die Autorin reichlich.
Ein klei­ner, aber wirk­lich kost­ba­rer Schatz ist die­ses Büch­lein, des­sen Tex­te ein­zeln und in Ruhe genos­sen wer­den soll­ten. Sie sind kurz genug, um sie für jede Art von Pau­se zu nut­zen und hin­ter­her den eige­nen Gedan­ken auf ihrer Berg- und Tal­bahn zu folgen.
Ein wun­der­ba­res klei­nes Buch vol­ler Weis­heit, Denk­an­stös­se und Glücks­mo­men­te und damit ein idea­les Geschenk­buch! Doch kau­fen Sie es bes­ser gleich zwei­mal, denn sie wer­den es selbst behal­ten wollen.

Bri­git­te Wer­ners »Sei­ten­bli­cke – Die Lie­be zum Leben« ist im Janu­ar 2018 für EUR 18,00 im Ver­lag Frei­es Geis­tes­le­ben erschie­nen – in Lei­nen gebun­den, 190 Sei­ten, ISBN 978-3772525490.
Wer mehr lesen möch­te, fin­det hier eine Leseprobe.

Über die Autorin: Bri­git­te Wer­ner, gebo­ren 1948, lebt und arbei­tet im Ruhr­ge­biet und an der Schlei. Nach zehn Jah­ren Schul­dienst ist sie umge­stie­gen in das Leben ohne fes­tes Gehalt, ohne Chef und Vor­schrif­ten, aber mit einem Sack vol­ler Lebens­ideen. Sie hat in ihrem Kin­der­mit­mach­thea­ter gespielt und alle Stü­cke geschrie­ben, hat Geschich­ten gefun­den und erfun­den, sie gibt Lite­ra­tur­se­mi­na­re und schreibt nun für Kin­der und für Erwachsene.

Lai­la Mah­fouz, 6. Sep­tem­ber 2018

Links:

Die Web­site von Bri­git­te Wer­ner fin­den Sie hier.

Mehr zu Bri­git­te Wer­ner auf der Sei­te des Ver­la­ges Frei­es Geis­tes­le­bens.

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