Lesung und Vortrag am 13. Juli 2017 in der Buchhandlung Boysen & Mauke: Randolf Menzel und Matthias Eckoldt präsentierten in einem Vortrag ihr 2016 erschienenes Sachbuch »Die Intelligenz der Bienen: Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können«. In der Pause wurden die Gäste mit kulinarischen Honigspezialitäten verwöhnt.
Verlagstext: Wir lieben die Bienen nicht nur, weil sie süßen Honig produzieren. Sie gehören zu den wichtigsten und intelligentesten Nutztieren der Erde. Ohne ihre Bestäubung stünde es schlecht um die Welternährung. Und sie können noch viel mehr: Ihr kleines Gehirn denkt, plant, zählt und träumt sogar.
Den bekannten Berliner Hirnforscher Randolf Menzel erstaunen sie nach fünf Jahrzehnten intensiver Forschung noch immer. Endlich hat er, zusammen mit Wissenschaftsjournalist Matthias Eckoldt, sein gesammeltes Bienenwissen aufgeschrieben.
Das Buch beginnt mit einem vierseitigen Inhaltsverzeichnis, welches schon verdeutlicht, dass kein bisher bekanntes Thema im Zusammenhang mit Bienen ausgelassen worden ist. „Die Intelligenz der Bienen“ wird als das umfassendste Werk der Bienenforschung gelobt. Wie viel Wissen Randolf Menzel hier weitergibt, zeigt schon der Blick auf die Themen. Das Buch ist in diese sechs Kapitel und zahlreiche Unterkapitel gegliedert:
1. Kapitel – Annäherung. Wie man mit Bienen ins Gespräch kommt – inkl. 11 Unterkapitel
2. Kapitel – Einblicke ins Bienengehirn, oder der andere Weg zur Intelligenz – inkl. 11 Unterkapitel
3. Kapitel – Was wir über die 7 Sinne der Bienen wissen
– Sehen: Rundblick mit 3500 Pixeln – inkl. 10 Unterkapitel
– Riechen – auf Kohlenstoffatom genau – inkl. 11 Unterkapitel
– Ein mechanischer Sinn, der elektrische Felder spürt – inkl. 5 Unterkapitel
4. Kapitel – Lernen und Gedächtnis – zwei Seiten einer Medaille
– Lernen – Hauptsache, neu – inkl. 11 Unterkapitel
– Gedächtnis – Hauptsache, oft – inkl. 11 Unterkapitel
5. Kapitel – Superorganismus Bienenvolk: Wie sich Bienen verständigen, orientieren und organisieren
– Navigation: Wie kommen Bienen ans Ziel? – inkl. 3 Unterkapitel
– Kommunikation: Kann denn Tanzen Sprache sein? – inkl. 5 Unterkapitel
– Organisation: Wie koordinieren sich 50.000 Individuen? – inkl. 6 Unterkapitel
6. Kapitel – Biene und Umwelt – inkl. 4 Unterkapitel
Im Anhang finden sich noch Anmerkungen, Bildnachweis, Danksagung und Register
Begeistert von der Ausführlichkeit, mit der das Bienenwissen hier dargebracht wird, hat die Buchhandlung Boysen & Mauke in der Hamburger Innenstadt die Autoren des Buches, den Zoologen und Neurobiologen Randolf Menzel und den Verfasser vieler kulturphilosophischer und naturwissenschaftlicher Beiträge, Matthias Eckoldt, für den Vortrag »Bits und Bytes im Honigtopf – Eine kulinarische Lesung« eingeladen.
Seit mehr als 50 Jahren erforscht Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin das Reich der Bienen. Vor allem interessiert ihn, wie sich die intelligenten Tiere verständigen. Der Philosoph, Matthias Eckoldt, konnte sich dieser Faszination ebenfalls nicht entziehen. Im Interview mit Kultumea sprachen beide über ihre Beziehung zum Thema Bienen:
Kultumea: Der Entstehungsprozess des Buches hat eineinhalb Jahre gedauert. Wie kam es, dass Sie sich entschlossen haben, gemeinsam an einem Buch zu arbeiten?
Menzel: Eigentlich ist daran ein Glas Rotwein schuld. [Beide lachen.] Herr Eckoldt hat für sein Buch ein wunderbares Interview durchgeführt mit einigen führenden Wissenschaftlern und da war ich mit dabei. Und das hat viel Spaß gemacht. Mir jedenfalls. Ihm scheinbar auch. Jedenfalls haben wir uns dann gegenseitig überredet, etwas zu machen, was meine Forschungen betrifft.
Eckoldt: Die Interviews mit Herrn Menzel waren sowieso schon mal großartig für das Buch »Kann das Gehirn das Gehirn verstehen?« und dann hatte ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hat, seine ganzen Forschungen mal einem größeren Publikum vorzustellen. Er hat logischerweise unglaublich viele wissenschaftliche Publikationen, aber es gibt sehr, sehr viele Interessierte, die wissenschaftliche Publikationen einfach nicht lesen können und dann haben wir uns mit diesem Projekt an einen Publikumsverlag gewendet. Die mussten auch nicht groß überredet werden.
Menzel: So hat sich das dann entwickelt und Bienen sind irgendwie in, schon seit einer Weile. Was eigentlich ein bißchen eine Schwierigkeit war, weil ich ja nicht, um diesen Hype zu bedienen, arbeite, sondern doch sehr entlang der Forschung der Neurobiologie.
Kultumea: Herr Menzel, haben die Bienen Sie bei Ihrer Forschung oft überraschen können? Was war das Unerwartetste, was Sie mit ihren Bienen erlebt haben?
Menzel: Also das Unerwartetste war schon, dass die Kerle so schlau sind und dass sie so unglaublich viel mittun. Man kann sich Experimente ausdenken und wenn man es ihnen angemessen macht, gerade wenn man noch nicht im Labor ist sondern draußen mit den Bienen, das war für mich schon eine unglaubliche Überraschung. Faszination setzte ein, als mein Doktorvater mir gezeigt hat, wie man Bienen dressiert.
»Der Bienenstaat gleicht einem Zauberbrunnen.
Je mehr man daraus schöpft, desto reicher fließt er.«
(Karl von Frisch)
Kultumea: Ist es richtig, dass Sie das Gehirn der Bienen nicht so komplex eingeschätzt hatten, wie es sich am Ende herausgestellt hat?
Menzel: Das Gehirn ist da nochmal eine andere Geschichte. […] Auf der anderen Seite, zu dem Zeitpunkt, als ich damit angefangen habe, war die Faszination am Einschneidendsten. Dann gewöhnt man sich leider daran und ist irgendwann abgebrüht, dann muss schon etwas Tolles kommen, damit man noch überrascht ist. Wenn Sie nach der Überraschung fragen, war sie am Anfang schon am stärksten, weil ich da ja ganz naiv rangegangen bin und keine Vorerfahrungen hatte. […] Faszinierend ist, dass man die Bienen auch ins Labor reinholen kann. Im Labor sind sie auch sehr kooperativ. Das ist schon etwas Besonderes.
Eckoldt: Und die Überraschungen haben ja bis heute angehalten, insofern haben die Bienen Sie ja auch bei Laune gehalten die ganze Zeit.
Menzel: Ja, das muss man sagen.
Eckoldt: Vor drei Jahren war das, glaube ich, dass Sie entdeckt haben, dass die Bienen mit elektrostatischen Feldern kommunizieren im Prinzip, diese völlig neue Geschichte, die komplett neu entdeckt wurde. Dann gab es diese sogenannte Kognitive Karte, dass die Bienen also, wie wir Menschen, so eine Art Repräsentation der Landschaft im Kopf haben. Die Bienen haben sich schon einiges einfallen lassen, um Sie bei Laune zu halten.
Menzel: Um mich immer wieder zu überraschen, ja. Obwohl ich mich schon ganz schön an sie gewöhnt hatte, haben sie es trotzdem wieder geschafft. Und da kann noch was kommen.
Kultumea: Dass Größe nicht alles ist, ist ja inzwischen zum Glück bekannt. Wie ist dennoch die besondere Intelligenz dieser kleinen Tiere zu erklären? Was ist der Trick, der zu diesen beeindruckenden Leistungen führt?
Menzel: Zuerst einmal muss man daran denken, dass die Größe des Gehirns im Zusammenhang zur Körpergröße zu sehen ist und deswegen ist nicht notwendigerweise ein großes Gehirn besonders intelligent. Es sind bestimmte Abschnitte im Gehirn, die relativ größer sind und die machen dann häufig die besonderen, speziellen Leistungen aus. Zum Beispiel wenn eine Fledermaus sich nach den eigenen Schreien orientiert in der Dunkelheit, dann hat sie natürlich ein ganz besonders großes akustisches Gehirn in Relation. Und wenn wir Menschen uns über unsere Sprache verständigen, dann haben wir eben ein besonders groß ausgeprägtes Vorderhirn und im seitlichen Gehirn entsprechend große Sprachzentren. Relativ zur Körpergröße beträgt das Gehirn der Biene auch so ungefähr 2 % ihrer Körpermasse, wie bei uns auch. Welches Teil in ihrem Gehirn die besondere Intelligenz ausmacht, kann man lokalisieren und das erkläre ich auch im Vortrag bzw. im Buch. Das kann man jedenfalls im Vergleich zu anderen Insekten sagen, da sitzt die besondere Intelligenz der Bienen. Worin dann der Trick von Bienen besteht, das verstehen wir noch nicht so ganz.
Kultumea: Vielleicht gibt es ja auch etwas, das wir nicht verstehen können.
Menzel: Ja, das ist richtig, aber als Neurobiologe möchte man ja gerne rauskriegen, welcher Trick ist das. Es müssen besondere Beschaltungen sein, die über das hinausgehen, was sozusagen nur Reflexe koordiniert. Es gibt ein durchgängiges Prinzip, jedenfalls bei den wirbellosen Tieren, und das ist, dass in diesen zuständigen Zentren die Nervenzellen besonders klein sind und besonders viele. Ein Drittel des Bienenhirns wird nur für dieses Zentrum investiert. Und bei einer Millionen Nervenzellen ist 330.000 schon ein ganzer Haufen. Und die sind so unglaublich gepackt, da ist es besonders schwer, dahinter zu kommen. Ein bißchen was wissen wir darüber und wir wissen, wo wir suchen müssen. Das ist ja schon mal was.
Kultumea: Ist da die Übertragungsgeschwindigkeit schneller, wenn die Zellen kleiner sind?
Menzel: Also irgendwie muss die Leitungsgeschwindigkeit schneller sein, das ist richtig. Sie kriegen vielleicht auch besonders viele spezifisch ausgerichtete Synapsen unter. Die Beschaltung geht offensichtlich über die Reichhaltigkeit und Unterschiedlichkeit der Synapsen untereinander und wenn man das dann in große Zellkompartimente aufteilt, dann würde man besonders vielfältige Beschaltungsmöglichkeiten haben. Aber viel mehr wissen wir nicht, obwohl es da große Theorien gibt.
Eckoldt: Aber auf jeden Fall ist es nicht unbedingt ein Nachteil, wenn die Nervenzellen eng beieinander liegen. Wenn sie eng beieinander liegen, hat das offensichtlich auch segensreiche Wirkung auf die Komplexität. Wenn man sich das vorstellt, in der Größe eines Sandkorns liegt enorme Intelligenz. Wahrscheinlich ist Kleinheit nicht unbedingt ein Nachteil. Es ist ja auch alles viel komprimierter und dadurch braucht man ja auch kürzere Leitungsfähigkeit.
Kultumea: Herr Eckoldt, Sie hatten sich vor der Arbeit an diesem Buch mit Bienen beschäftigt und vieles war Neuland für Sie. Was ist das Wichtigste oder Schönste, was Sie für sich aus dieser Zusammenarbeit mitgenommen haben?
Eckoldt: Das Wichtigste und Schönste ist, dass ich in diesen eineinhalb Jahren quasi ein Exklusivstudium in Neurobiologie und Bienenkunde gekriegt habe und zwar ohne Studiengebühren und auf allen Ebenen. Das Faszinierende bei Randolf Menzel ist ja, dass ganz viel zusammenkommt, sowohl Verhaltensforschung, als auch Physik, als auch Biochemie und auch die reine Laborarbeit. Dafür bin ich extrem dankbar.
Von Randolf Menzel haben wir in dem Buch auch noch viele biografische Episoden aufgenommen, die mir bis heute im Kopf sind, die ich alle erzählen könnte.
Außerdem war es für mich nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Philosoph interessant, mit einem Neurowissenschaftler zu diskutieren. Weil Sprache, Empfindung oder Bewusstsein sind natürlich Sachen, die die Philosophie genauso angehen und da haben wir immer versucht, den Bogen zu spannen von den Bienen zu den Menschen. Wir haben auch die beiden grundsätzlichen Entwicklungsstränge im Tierreich aufgezeigt und nach Ähnlichkeiten gesucht, haben uns gefragt, wie man jenseits der Struktur auf eine Form von Reflexivität kommen kann. Haben Bienen ein Was-Wo-Wann-Wissen zum Beispiel.
Kultumea: Das ist ja sicher leichter bei einem Tier, das innerhalb einer komplexen Gesellschaftsstruktur lebt, da wir das eher vergleichen können als bei einem Einzelgänger.
Eckoldt: Obwohl sie im Labor eher isoliert sind.
Menzel: Es ist auch interessant, sich zu fragen, in welcher Situation die Bienen am intelligentesten sind. So sind sie das, wenn sie allein sind. Auf sich allein gestellt, draußen in der Natur, wenn sie Nektar sammeln und sehr effektiv vorgehen müssen, damit sie weniger Risiko haben, nicht so viel Energie verschwenden und das Zeitbudget richtig einstellen und dazu gehört viel Intelligenz. Da sind sie ganz auf sich allein gestellt, da gibt es keine anderen. Und wenn sie in ihre Kolonie zurückkommen, dann ist es schon richtig, die Kolonie als Ganzes zu betrachten. Das ist ungeheuer faszinierend. Aber wenn man sich dann anschaut, wie das wirklich funktioniert auf der Ebene der Kommunikation zwischen den einzelnen Tieren, dann wirken sie in gewisser Weise sogar dumm.
Kultumea: Wie ein Schalter, den sie zwischen Individum und Schwarmverhalten umlegen können.
Eckoldt: Das ist ja bei den Menschen ähnlich.
Menzel: Ja, das kann man durchaus sagen. In der Masse werden die Menschen dumm.
Eckoldt: Immer nur der Masse hinterher zu laufen.
Kultumea: Und nicht selbst zu denken.
Menzel: Das hängt auch ein bißchen damit zusammen, dass einfache Regeln eingehalten werden müssen. Wenn jeder etwas anderes machen würde, dann würde keine kurrente, soziale Struktur entstehen. Deshalb muss das gesamte System auf die individuelle Ebene zurückfallen auf recht einfache Steuerprinzipien. Diese sind bei den Bienen weitgehend vom Lernen abgekoppelt. […] Das Ganze zusammengenommen leistet trotzdem Unglaubliches, trotz dieser einfachen Regeln der Kommunikation.
Und das ist in gewisser Weise geradezu ein erkenntnistheoretisches Problem, weil man nämlich dann sagen kann, wenn man das Bienenvolk als Superorganismus bezeichnet, was meinen wir wirklich damit? Und würden wir bei anderen solch kooperierenden Konglomeraten von einzelnen Elementen wie bei einem Organ oder bei einem Organismus bei uns im Körper, würden wir dann auch meinen, dass ähnliche Prinzipien herrschen? Dass also wenn sie untereinander sind, sie eher einfachere Regeln einhalten müssen, aber wenn sie für sich allein sind, dann können sie alles mögliche, lustige machen und brauchen sich nicht um die anderen zu kümmern. Das scheint doch auch ein durchgängiges Prinzip zu sein, wobei tatsächlich auch wieder die Komplexitätsebene immer mehr steigt, je mehr Kooperation herrscht, aber das geht nicht einher mit der Komplexität auf der individuellen Ebene.
Kultumea: Das ist doch sehr übertragbar auf unsere Situation.
Eckoldt: Das ist das Faszinierende daran. Dass es auf der anderen Seite diese knallharte Grundlagenforschung ist. Dass man zwar manchmal auf Ähnlichkeiten stösst. Aber diese Ähnlichkeiten sind dann nur für den Moment beredt, dann geht es weiter und dann kommt das Überraschende.
Menzel: Aber das ist schon etwas gewesen, was in unseren Gesprächen ein roter Faden war. Und auch die Fragen, die Herr Eckoldt mir gestellt hat, die waren für mich völlig überraschend. Da hatte ich ja gar nie drüber nachgedacht. Warum ist das etwas Besonderes? Weil man sich so sehr daran gewöhnt hat, wenn man so lange mit den Tieren arbeitet. Und dann dieser Blick, der ja wirklich nur möglich ist, wenn man so ein bißchen aus der Distanz kommt, dass man diese größeren Zusammenhänge als echte, interessante Fragestellungen erkennt, während wir als Wissenschaftler ja immer bohren und bohren und bohren und dann in Gefahr geraten. Deswegen war das eine der stärksten Motivationen, das Buch gemeinsam zu machen. Nebenbei gesagt, allein hätte ich das nie gemacht, weil ich zu faul wär oder so.
Eckoldt: Sie haben eben zu viele andere ernsthaftere Projekte.
Kultumea: Also, ich finde, das Wissen der Allgemeinheit zugänglich zu machen, schon sehr ernst und wichtig.
»Pestizide sind aus meiner Sicht, zusammen mit dem Herbizid Glyphosat, eines der allergrößten Probleme unserer industrialisierten Landwirtschaft.«
(Randolf Menzel)
Kultumea: Dadurch, dass Umweltorganisationen seit Jahren über das Bienensterben berichten und vor Konsequenzen warnen, ist die Problematik sehr in den Fokus gerückt.
Herr Menzel, Sie sagen, dass die Hauptursache des Bienensterbens im massiven Einsatz von Pestiziden und Glyphosat, der Verarmung unserer Landschaften durch Monokultur und erst danach und eventuell als Resultat an Krankheiten oder Parasiten wie Milben liegt. Beruht diese Aussage auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und wenn ja, warum handelt die Politik dann nicht entsprechend? Dass die Bienen für unser aller Überleben entscheidend sind, sollte inzwischen wohl auch der letzte Mensch begriffen haben.
Menzel: Das ist ganz zweifellos eine wissenschaftliche Erkenntnis, die Hauptursache. Natürlich ist es die Kombination von vielen Dingen und das Bienenvolk selbst als ungeheuer robust versucht immer alles Mögliche wegzuregeln, aber es ist sicher eindeutig klar, dass diese Sorte von Landwirtschaft, wie wir sie jetzt betreiben weltweit, die ist die wesentliche Ursache für das Bienensterben. Daran sind die Bienen nicht angepasst. Sie sind in der Evolution nicht mit Pestiziden großgeworden.
Kultumea: Und das betrifft ja nicht nur die Bienen.
Menzel: Deshalb ist es exemplarisch für ein viel tieferes Problem und da die wirksamsten Substanzen die sind, die auf das Gehirn wirken, also Hirndrogen sind, und darüber die Tiere töten oder verändern. Deswegen hat es mich letztlich auch interessiert. In gewisser Weise schäme ich mich, dass ich so spät darauf gekommen bin, denn es gab diese Erkenntnisse schon zwanzig Jahre, bevor ich angefangen habe, mich dafür zu interessieren.
Kultumea: Aber interessant ist ja, dass Sie gesagt haben, man könnte auch den Rückschluss ziehen und nach der Untersuchung des Bienengehirns feststellen, wo die Giftstoffe eingesetzt werden. Das wäre besonders interessant, wenn sie endlich verboten würden.
Menzel: Das ist richtig. Sie hatten ja auch gefragt, warum es sich in der Gesellschaft nicht durchsetzt. Das ist ganz einfach: Wir wollen billige Nahrungsmittel haben und es ist wesentlich billiger, den Vorstellungen der Industrie zu folgen, die damit einen Haufen Geld macht und natürlich eine enorme Lobby darstellt.
Kultumea: Es gibt ja weltweite Recherchen und Forschungen dazu, dass die Erträge bei Biolandwirtschaft oft sogar höher sind (siehe Dokumentationen wie »Die Zukunft pflanzen« oder »Tomorrow«). Wenn die Bio-Landwirtschaft die Förderungen erhalten würde, die die konventionelle Landwirtschaft erhält, dann müssten die Produkte auch nicht teurer sein. Dies wird von der UNO übrigens schon lange gefordert und von den meisten Ländern ignoriert. Die EU Kommission zieht mit ihrem Europäischen Aktionsplan nur mühsam nach.
Die Sache mit den billigeren Nahrungsmitteln ist ja immer nur ein Momentproblem. Man sollte annehmen, dass Menschen, die Kinder haben, weiterschauen.
Menzel: Aber wie kriegt man die Gesellschaft dazu, den ökologischen Zusammenhang zu begreifen und bereit zu sein, dafür Geld zu zahlen?
Kultumea: Dafür haben wir ja die Politiker, die auch mal unpopuläre Entscheidungen durchsetzen müssten, wenn sie dem Allgemeinwohl auf lange Sicht dienen wollten. Aber solange alles von der Wirtschaft diktiert wird und ein Politiker nur Angst vor der nächsten Wahl hat, … Leute wie Sie, Herr Menzel, zum Beispiel müssten ja als Berater für Umweltfragen in Berlin zu Rate gezogen werden und nicht irgendwelche Lobbyisten, die nie die abgetöteten Böden gesehen haben. Die Taktik der Gegenstudien von Bayer etc. ist mir natürlich bekannt, aber von einem Entscheider erwarte ich, dass er sich mehrere Meinungen einholt und dass Vernunft und Logik mehr zu seinen Entscheidungen beitragen.
Menzel: Vorige Woche ist gerade eine Studie in Science erschienen, von Bayer finanziert, und in einem Ländervergleich kommt raus, dass es den Bienen in Deutschland angeblich sogar besser geht, wenn Pestizide eingesetzt werden. Komischerweise ist das zwar in England und Ungarn nicht so, da geht es den Bienen mit den Giftstoffen schlechter, aber da Bayer in Deutschland ist, geht es ihnen besser. Und das wird in Science publiziert und wenn man sich fragt, wie kann es sein, dass die das nicht aufgedeckt haben, dann ist das eine ganz spannende Geschichte. Zusammen mit ein paar anderen Statistikern lassen wir uns jetzt die Originaldaten kommen und rechnen das alles nach, um drauf zu kommen, wo der Dreh liegt. Das ist der aktuelle Stand. Aber wenn man nicht gerade bei Bayer jemanden fragt oder im Landwirtschaftsministerium, dann ist das Ergebnis durchgehend so, dass es außer Zweifel steht, dass die Pestizide und die Verarmung der Umwelt die entscheidende Problematik darstellen.
Kultumea: Ich beschäftige mich ja eher mit der Botanik. Wenn man sich die Vegetation anschaut, dann braucht man ja nicht einmal Wissenschaftler zu sein, um zu erkennen, dass etwas nicht stimmt. Das sah vor zwanzig Jahren eben noch alles anders aus. Wenn man heute durchs Land fährt, sieht man ja nur noch Mais- und Rapsfelder. Monokultur soweit das Auge reicht und kaum noch Fruchtfolge. Und drum herum gibt es nicht mehr dieses reichhaltige Blumen- und Kräuterleben. Und dann muss ich mir anhören, dass die Rückkehr des Wolfs schuld daran ist, dass es weniger Feldhasen und Feldlerchen gibt. Da fehlen einem schon manchmal die Worte.
Menzel: Ja, das ist richtig. Ich hoffe, dass sich an der Situation etwas ändern lässt.
Kultumea: Vielen Dank an Sie beide für das umfangreiche Werk und das nette Gespräch.
Fazit: Das Sachbuch »Die Intelligenz der Bienen: Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können« gibt Bienenkundigen wie Bienenfreunden neue Erkenntnisse an die Hand und lässt den Laien staunen. Wer weiß, ob nicht gerade jetzt irgendwo eine aus einem Forschungslabor entkommene Biene ihren Artgenossen per Schwänzeltanz einen Vortrag zum Thema »Die Intelligenz der Menschen: Wie sie denken, planen, fühlen und wie wir uns vor ihnen schützen können« hält. Wissenschaftliche Forschung ist ungeheuer wichtig, um richtige Entscheidungen treffen zu können. Für viele würde allerdings der gesunde Menschenverstand genügen. »Die Intelligenz der Bienen« ist ein äußerst lesenswertes, ungeheuer umfangreiches Buch zum Thema und ein Muss für alle Interessierten!
Randolf Menzels und Matthias Eckoldts Sachbuch »Die Intelligenz der Bienen: Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können« ist im März 2016 für EUR 24,99 im Knaus Verlag erschienen – gebunden, 368 Seiten, ISBN 978-3813506655.
Eine Leseprobe finden Sie hier.
Randolf Menzel, 1940 in Marienbad geboren, beschäftigt sich seit fünf Jahrzehnten mit Bienen. Der Zoologe und Neurobiologe ist eine Autorität der tierischen Intelligenzforschung, über 30 Jahre lang leitete er das Neurobiologische Institut der Freien Universität Berlin. Es kann auf eine Fülle spektakulärer Erfolge verweisen, dort gelang unter anderem erstmals die elektrophysiologische Ableitung von Sehneuronen im Bienengehirn und die weltweit erste Anwendung eines bildgebenden Verfahrens am lernenden Gehirn. Außerdem konnte der Leibniz-Preisträger die wohl im Tierreich einmalige Navigationsweise der Bienen aufklären. „Die Intelligenz der Bienen“ ist seine erste populäre Veröffentlichung.
Matthias Eckoldt, studierte Philosophie, Germanistik sowie Medientheorie und promovierte mit einer Analyse der Massenmedien auf Grundlage der Luhmann’schen Systemtheorie und der Foucault’schen Machtanalytik. Im Jahr 2000 debütierte er mit dem Roman „Moment of excellence“ im Eichborn Verlag. Seither veröffentlichte er einen Prosaband, einen weiteren Roman, das Fachbuch „Medien der Macht – Macht der Medien“, den Essayband „Wozu Tugend?“ (gemeinsam mit Rene Weiland), „Die Intelligenz der Bienen“ (gemeinsam mit dem Neurowissenschaftler Randolf Menzel) sowie den Gesprächsband „Kann das Gehirn das Gehirn verstehen?“ über Hirnforschung und die Grenzen unserer Erkenntnis. Des Weiteren verfasste Eckoldt mehr als fünfhundert Radiosendungen zu kulturphilosophischen und naturwissenschaftlichen Themen. 2013 wurde sein Theaterstück „Wie ihr wollt – Ein Lustspiel zur Freiheit“ am Landestheater Detmold uraufgeführt, 2015 sein Theaterstück „Mammon zieht blank!“ Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem idw-Preis für Wissenschaftsjournalismus ausgezeichnet. Daneben erhielt er ein Recherchestipendium des American Council on Germany in New York, ein Aufenthaltsstipendium des Künstlerhauses Lukas in Ahrenshoop sowie den Jury-Preis des Berliner Hörspielfestivals für sein Hörspiel „Ich bin ein Schweinehund, das ist gar nicht auszudenken“. Matthias Eckoldt lehrt an der Freien Universität Berlin.
Laila Mahfouz, 3. September 2017
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Unsere Fotostrecke zur Veranstaltung finden Sie hier. Die Rechte an den Fotos liegen bei Anders Balari. Das Recht des Titelbildes liegt bei Hans Scherhaufer.
Weitere Informationen zu »Die Intelligenz der Bienen: Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können« auf der Seite des Knaus Verlages.
»Die Intelligenz der Bienen: Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können« vorgestellt auf der Website dasGehirn.info.
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