Hans von Trothas Sachbuch »Im Garten der Romantik« gibt einen umfassenden Überblick der letzten 250 Jahre Gartenkunst. Außerdem werden alle Aspekte der künstlerischen, literarischen und philosophischen Entwicklung aufgerollt und analysiert. Ein Geschichtsbuch in Grün – darauf habe ich schon lange gewartet!
Inhalt (dem Verlagstext entnommen):
Renaissancegärten, Barockgärten, englische Parks – alles gut, schön und vernünftig. Einen Romantischen Garten aber hat es nie gegeben, obwohl sich kaum jemand so obsessiv mit Natur beschäftigte wie die Romantiker. Diese Leute nämlich hatten Größeres vor. Statt Gärten entdeckten sie die Alpen, suchten in der Natur das Unendliche, und entdeckten die gewaltigste Natur am Ende, oh Wunder, in sich selbst: Für Jean Paul war sie sein »inneres Afrika« – einen Garten im engeren Sinne brauchte die Romantik gar nicht.
Und so schreibt Hans von Trotha, der fast alle Gärten Europas kennt, bereist und gedeutet hat, in diesem Buch um eine herrliche Leerstelle herum.
Eins ist sicher: der Leser dieses Buches muss sich wirklich für die Thematik interessieren. Dies ist ein Sachbuch und kein Gartenbildband und entsprechend gefüllt ist er mit wissenschaftlich aufgeschlüsselten Fakten. Was das Buch so gut und spannend macht, sind die Details, die der normale Gartenkenner nicht alle wissen kann. Hans von Trotha vermittelt anhand der Entwicklung der Gärten Europas die historischen Gegebenheiten auf eine informative, nicht belehrende Art. So wird »Im Garten der Romantik« ganz nebenbei auch noch zu einem Geschichtsbuch der etwas anderen Art.
Spannend ist tatsächlich, wie sich die Gärten im Laufe der Zeit verändert haben und was diese Veränderung jeweils über die Philosophie der jeweiligen Gesellschaft aussagen kann. Der Weg zum romantischen Garten war lang, die französische, streng geometrische Gartenordnung auszuhebeln nicht leicht.
»Eine romantische Landschaft, die sich junge Männer (Frauen anfangs noch eher selten) zu Fuß aneignen konnten, musste erst entdeckt, ja sie musste erfunden werden. Dann erst konnte das Wandern zum Ausweis einer romantischen Daseinsweise und zum herausragenden Thema einer romantischen Literatur werden, zu einer Art Emblem des Romantischen: das nie endende Streifen durch die Welt als Sinnbild für ein Dasein, dessen Ziellosigkeit angesichts unendlicher Weiten mit einer tiefen Einsamkeit einhergehen konnte. […]
Das Wandern ist eine typisch romantische Kulturtechnik. Dabei ist das Wandern in der freien Natur tatsächlich eine Errungenschaft des ganz späten 18. und des 19. Jahrhunderts.«
(Im romantischen Garten, Seite 8 + 9)
Hans von Trotha, der 2016 an der großen Ausstellung »Gärten der Welt« in Zürich mitgearbeitet hat, verfasste schon mehrere Studien über die kulturgeschichtliche Bedeutung historischer Gärten. Schon lange sind gestaltete Gärten für den Menschen die Verbindung von Natur und Kunst. Künstlich, da vom Menschen kontrolliert und beherrscht, wirkt der Französische Garten, der lange Zeit die bedeutendsten Gärten Europas dominierte. Erst mit Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, der die Idee eines Englischen Gartens nach einem Aufenthalt in England mit nach Deutschland brachte, wurde die Idee einer natürlich wirkenden Gartengestaltung auch auf dem Kontinent bekannt. Von seinem Sommersitz Wörlitz ausgehend verbreitete sich die neue Idee bald schon über ganz Europa. Ein Englischer Garten lässt Raum für Ideen. In einem solchen Landschaftsgarten können die Gedanken schweifen. So wurde dieser neue Garten der wichtigste Zugang zur Natur und prägte ein ganz neues Lebensgefühl.
»Es war der Schritt vom französischen Barock in die englische Aufklärung. Und es war der Schritt von einem Französischen Garten in einen Englischen Garten. […]
Im 17. Jahrhundert herrschte eine Philosophie vor, die ganz auf Vernunft und Verstand gründete, der sogenannte Rationalismus. […] Tatsächlich lässt sich um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert nicht nur ein Wandel in der Gartengestaltung beobachten, sondern auch eine Ablösung der rationalistischen Philosophie des Verstandes durch eine Welterklärung, die man als deren schieres Gegenteil bezeichnen kann: den sogenannten Sensualismus.«
(In den Alpen, Seite 27 + 29)
Besonders gepackt hat mich der Aufbruch in die Natur. Wie ein Ruck ging diese Bewegung durch Europa und die neue Geisteshaltung trug maßgeblich zu Veränderungen in anderen Bereichen bei. Wildheit nicht mehr als feindlich sondern als faszinierend und schön anzusehen, war etwas so Neues und Wunderbares, dass sich die großen Denker der Zeit dem nicht entziehen konnten. Die Berichte über Goethes Reisen zum Gotthardt und nach Italien sollte zum Vorbild für eine ganze Epoche werden. Die Natur wurde plötzlich anders wahrgenommen. Diesen Wechsel vom Rationalismus hin zum Sensualismus hat Hans von Trotha besonders einprägsam veranschaulicht. Das Zeitalter der Aufklärung orientierte sich am Naturrecht, was den Naturwissenschaften den entscheidenden Aufschwung brachte.
Im Weiteren geht Hans von Trotha ausführlich auf die Entwicklung der Literatur dieser Zeit ein, die ganz von der neuen Bewegung erfüllt war. Diese Beispiele sind für den heutigen Leser immer noch sehr gut nachvollziehbar, wenn der zeitliche Kontext beachtet wird. Auch Caspar David Friedrichs wunderbare und zu seiner Zeit absolut radikale Darstellung der Natur und die Auswirkungen auf die Betrachter seiner Gemälde wird ausführlich beschrieben.
Hans von Trotha schafft es, über die letzten 250 Jahre einen weiten Bogen zu spannen, die Geschehnisse verständlich zu machen und mit den Gartenbildern verschmelzen zu lassen. Dabei zitiert er Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Heinrich Kleist, Novalis, Heinrich Heine, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, immer wieder Jean Paul und viele mehr. Wenn wir auf diese Weise die echten Stimmen der Vergangenheit lesen, wird die jeweilige Zeit und der Zusammenhang, auf den von Trotha hinweisen will, noch leichter verständlich.
Das Buch ist folgendermaßen unterteilt:
– Inhaltsverzeichnis, Seite 5 – Im romantischen Garten, Seite 7 – In den Alpen, Seite 23 – Im Konventions-System, Seite 44 – In der Landschaft, Seite 64 – In den Wüsten des Himmels, Seite 77 | – Im Inneren Afrika, Seite 86 – Im Pleasure Ground, Seite 105 – Im Garten der Romantik, Seite 125 – Nachbemerkung, Seite 145 – Zitierte Literatur, Seite 146 – Zitatnachweise, Seite 148 |
Fazit: Hans von Trothas »Im Garten der Romantik« ist ein Garten- sowie ein Geschichtsbuch der besonderen Art. Wie sich ästhetisches Verständnis, Philosophie, Literatur, Malerei und Politik in der Gartenmode widerspiegelt, wird detailliert erläutert. Wie und warum sind sie entstanden, unsere großen Gärten? Welche Geisteshaltung lag ihnen zugrunde? Sicher ist nur, dass wir seit der Zeit der Aufklärung auf der Suche sind nach dem Garten der Romantik. Gerade in unserer durchtechnisierten Welt wird die Sehnsucht nach einer natürlichen, wildromantischen Landschaft immer größer. Ich werde ihn immer suchen, den Garten der Romantik, und ihn in mir finden, egal wohin ich auch gehe – ob in kleine Gärten oder in die echte Wildnis.
Wer die Historie europäischer Gartenkunst begreifen will, sollte dieses Buch lesen. Ich jedenfalls werde künftig alle Parks mit anderen Augen sehen und verstehen.
»Wo [der Garten der Romantik] aber ist, vielleicht auch sein könnte, da steckt in ihm auch das, was ein Jean Paul oder M.G. Lewis, was Heine, Novalis, Eichendorff, Rückert, Baudelaire, Caspar David Friedrich, Schumann, Schubert, Beethoven und all die anderen romantischen Selbstbeobachter gesucht, gespürt, erlitten und so formuliert haben, dass wir es wiedererkennen können, wenn wir offen dafür sind. Der Garten der Romantik ist eine poetische Idee, die wir in uns tragen, womöglich unerkannt oder unbewusst, die wir aber jederzeit entdecken, wiederfinden, träumen, manchmal sogar schaffen können.«
(Im Garten der Romantik, Seite 143)
Hans von Trothas Sachbuch »Im Garten der Romantik« ist im März 2016 im Berenberg Verlag erschienen – gebunden, 272 Seiten mit farbige Abbildungen, EUR 22,00, ISBN 978-3946334019.
Eine Leseprobe finden Sie hier.
Über den Autor: Hans von Trotha, geboren 1965 in Stuttgart, studierte in Heidelberg und Berlin Literatur, Geschichte und Philosophie und promovierte über Literatur und Gartenkunst. Während der Arbeit an einer Dissertation über die gegenseitige Beeinflussung von Literatur, Philosophie und Gartenkunst, begann er, für den Rundfunk und verschiedene Zeitungen zu schreiben. Er gilt als Spezialist für die Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts. Zuvor erschien sein Buch »Der Englische Garten – Eine Reise durch seine Geschichte«, an welches das Buch »Im Garten der Romantik« im Grunde direkt anschließt.
Als freiberuflicher Publizist und Berater im Kulturbereich lebt er in Berlin.
Laila Mahfouz, 28. August 2017
Links:
Weitere Informationen zu »Im Garten der Romantik« auf der Seite des Berenberg Verlages.
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Informationen zu Laila Mahfouz finden Sie hier.