Rezen­si­on zu Juan Anto­nio Bayo­nas Film »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« / »A Mons­ter Calls« nach Patrick Ness‘ gleich­na­mi­gem Roman

Pre­view am 16. Dezem­ber 2016 im Ham­bur­ger Pas­sa­ge-Kino: Juan Anto­nio Bayo­nas Film basiert auf Patrick Ness‘ gleich­na­mi­gem Roman nach der Idee von Siob­han Dowd. »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« / »A Mons­ter Calls« ist bewe­gend, intel­li­gent, fan­ta­sie­voll, fein­füh­lig und ein­dring­lich umge­setzt sowie mit Lewis Mac­Dou­gall, Feli­ci­ty Jones, Sigour­ney Wea­ver und Liam Nee­son in den Haupt­rol­len her­vor­ra­gend besetzt.

Hand­lung: Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht hat sich die alte Eibe vor Conors (Lewis Mac­Dou­gall) Fens­ter in ein rie­si­ges Mons­ter ver­wan­delt. Doch ist es wirk­lich das Mons­ter, das er fürch­ten muss? Viel­mehr ist es die Angst, sein furcht­ba­rer Alp­traum, der ihn jede Nacht heim­sucht, könn­te wahr wer­den. Als es sei­ner Mut­ter (Feli­ci­ty Jones) auf­grund ihrer Krebs­be­hand­lung zu schlecht geht, muss Conor bei sei­ner unnah­ba­ren Groß­mutter (Sigour­ney Wea­ver) ein­zie­hen. Das Mons­ter allein hat Ein­blick in Conors See­le und erzählt Geschich­ten, um ihm zu hel­fen. Es beglei­tet den Jun­gen in sei­nen Alb­traum und ver­langt von ihm, sich der Wahr­heit zu stel­len. Nur dann wird er mit sei­nem Schmerz umge­hen kön­nen und über sich selbst hin­aus­wach­sen, um wei­ter­le­ben zu können.

»Wie beginnt die Geschich­te?«
»Mit einem Jun­gen, zu alt, um noch ein Kind zu sein, zu jung, um schon erwach­sen zu sein.«
»Was hat er getan?«
»Er rief nach einem Monster.«

»How does the sto­ry begin?«
»With a boy too old to be a kid, too young to be a man.«
»What did he do?«
»He cal­led for a monster.«

Der ame­ri­ka­ni­sche Buch­au­tor Patrick Ness, der seit 1999 in Lon­don lebt, erzählt mit »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« eine eng­li­sche, aber zeit- und raum­lo­se Geschich­te nach einer Idee der lei­der viel zu früh an Krebs ver­stor­be­nen iri­schen Schrift­stel­le­rin Siob­han Dowd. Sicher ist die gelun­ge­ne Über­tra­gung des Buches in die fil­mi­sche Form dem Umstand zu ver­dan­ken, dass Patrick Ness auch das Dreh­buch für den Film ver­fass­te. Außer­dem ist es erfri­schend, dass »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« trotz aller Pro­fes­sio­na­li­tät, hoch­wer­ti­ger Trick­tech­nik und Hol­ly­wood-Iko­ne Sigour­ney Wea­ver ein euro­päi­scher Film bleibt. Die Dar­stel­ler sind authen­tisch und auch das Set­ting wirkt trotz der Fan­ta­sy-Aspek­te des Films eben­falls aus dem Leben gegriffen.

Es gibt abso­lut kei­ne Kri­tik­punk­te, die ich hier anbrin­gen könn­te. Ange­fan­gen mit der Wahl der stets über­zeu­gen­den Dar­stel­ler über die Effekt­kunst, die Musik und die Kame­ra­füh­rung hin zur per­fek­ten Umset­zung des belieb­ten Jugend­bu­ches, haben die Macher von »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« ein Gesamt­kunst­werk erschaf­fen, dem ich vie­le Zuschau­er wünsche.

Der Film wird aus der Sicht eines 12-jäh­ri­gen Prot­ago­nis­ten erzählt und die Zuschau­er tau­chen sofort in sei­ne Welt ein. Die­se ist zwar erfüllt von Ängs­ten und Schmerz (der Vater hat die Fami­lie ver­las­sen, die Mut­ter des Jun­gen hat Krebs), doch die wun­der­ba­re Erzähl­wei­se Juan Anto­nio Bayo­nas, die unglaub­lich fan­ta­sie­vol­le Umset­zung der Buch­vor­la­ge und die wirk­lich beein­dru­cken­den Spe­cial Effects ver­lei­hen dem Film trotz aller düs­te­ren The­men mär­chen­haf­te Züge. Das Dra­ma der Geschich­te um Angst, Abschied und Trau­er kommt dabei aller­dings nicht zu kurz.

»Ich wünsch­te, ich hät­te hun­dert Jah­re.
Hun­dert Jah­re, die ich dir geben könnte.«

»I wish I had a hundred years.
A hundred years I could give to you.«

Bei der Gestal­tung des Mons­ters und des Set Design ori­en­tie­ren sich die Film­ma­cher an den groß­ar­ti­gen Buch-Illus­tra­tio­nen von Jim Kay, die auch in der deut­schen cbj-Aus­ga­be des Romans zu fin­den sind. 2012 gewann zum ers­ten Mal über­haupt und sehr zu Recht das gleich­na­mi­ge Buch »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« die CILIP Car­ne­gie Medal for Children’s Lite­ra­tu­re sowie die Kate Greena­way Medal für die Illus­tra­tio­nen. Dar­über hin­aus erhielt Patrick Ness neben unzäh­li­gen ande­ren Aus­zeich­nun­gen im sel­ben Jahr den Deut­schen Jugendliteraturpreis.

Fazit: Juan Anto­nio Bayo­na ist mit der fil­mi­schen Umset­zung des Romans »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« etwas wirk­lich Beson­de­res geglückt: Der Film schafft es, auf Kli­schees zu ver­zich­ten, ist psy­cho­lo­gisch wun­der­bar auf­ge­baut, groß­ar­tig gespielt, visu­ell über­wäl­ti­gend, bewe­gend, wenn nicht erschüt­ternd, er regt zum Nach­den­ken an und ver­ar­bei­tet das The­ma Trau­er und Schmerz auf ein­drück­li­che Wei­se. Ich kann nur jedem emp­feh­len, auf die­sen cine­as­ti­schen Genuss nicht zu ver­zich­ten. Da der Film sehr ergrei­fend ist, ver­ges­sen Sie bit­te nicht, Taschen­tü­cher mit­zu­neh­men!
Der Alters­frei­ga­be FSK 12 stim­me ich auf jeden Fall zu, denn das The­ma des Ver­lus­tes der Mut­ter und die Spe­cial Effects könn­ten für jün­ge­re Zuschau­er zu viel sein!
Als Kino­start in deut­schen Kinos ist der 4. Mai 2017 geplant.

»Ich weiß alles über dich:
die Wahr­heit, die du ver­birgst, die Wahr­heit, die du träumst.«

»I know ever­y­thing about you:
the truth that you hide, the truth in your dream.«

Hier der deut­sche Trai­ler zu »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« (Einen Trai­ler in Ori­gi­nal eng­li­scher Spra­che fin­den Sie hier.):

Über den Regis­seur: Der spa­ni­sche Regis­seur Juan Anto­nio Bayo­na wur­de 1975 in Bar­ce­lo­na gebo­ren. Nach Wer­be- und Musik­vi­de­os und Kurz­fil­men wie »Mis Vaca­cio­nes« (1999) und »El Hombre Espon­ja« (2002) dreh­te Bayo­na 2006 sei­nen ers­ten Lang­film »Das Wai­sen­haus« (»El orfa­na­to«), den sein Freund und För­de­rer Guil­ler­mo del Toro pro­du­zier­te. Der Film wur­de 2007 für den Oscar als bes­ter fremd­spra­chi­ger Film nomi­niert. 2010 dreh­te er mit Nao­mi Watts und Ewan McGre­gor in den Haupt­rol­len in Spa­ni­en und Thai­land den Kino­film »The Impos­si­ble«, der von der Tsu­na­mi­ka­ta­stro­phe 2004 han­delt und für den er 2013 den Goya als bes­ter Regis­seur gewann. Bayo­na soll die Fort­set­zung zu »Juras­sic World« (2015) inszenieren.

»Sto­ries are wild crea­tures, the mons­ter said.
When you let them loo­se, who knows what havoc they might wreak?«

Patrick Ness‘ Roman »Sie­ben Minu­ten vor Mit­ter­nacht« (Ori­gi­nal­ti­tel: »A Mons­ter Calls«) ist in der Über­set­zung von Bet­ti­na Abar­ba­nell im August 2011 im cbj Ver­lag erschie­nen, 215 Sei­ten, ISBN 978-3570153741, EUR 16,99.
Beson­ders hin­wei­sen möch­te ich an die­ser Stel­le noch­mals auf die aus­ge­zeich­ne­ten Ori­gi­nal­il­lus­tra­tio­nen von Jim Kay, die das Buch auf unver­gleich­li­che Wei­se bereich­nern.
Jim Kay illus­trier­te u. a. Delu­xe Edi­tio­nen von Har­ry Pot­ter.

Wer in den illus­trier­ten Roman »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« des cbj-Ver­la­ges rein­le­sen möch­te, fin­det hier eine Leseprobe.

Pünkt­lich zum Kino­start ist am 16. Janu­ar 2017 eine Taschen­buch­aus­ga­be im Gold­mann-Ver­lag erschie­nen:
Patrick Ness‘ Roman »Sie­ben Minu­ten vor Mit­ter­nacht« (Ori­gi­nal­ti­tel: »A Mons­ter Calls«)
mit s/w Illus­tra­tio­nen in der Über­set­zung von Bet­ti­na Abar­ba­nell, 224 Sei­ten,
ISBN 978-3442485345, EUR 8,99.

Wer rein­le­sen möch­te, fin­det hier eine Leseprobe.

Über den Autor: Patrick Ness wuchs in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und auf Hawaii auf. Seit Ende der 90er-Jah­re lebt er in Lon­don und ist dort als Lite­ra­tur­kri­ti­ker für die Tages­zei­tung The Guar­di­an tätig. Für sei­ne Kin­der- und Jugend­bü­cher wur­de er mehr­fach aus­ge­zeich­net. In Deutsch­land ist er u. a. für sei­nen Roman »Die Nacht des Kra­nichs« / »The Cra­ne Wife« bekannt.
In »Sie­ben Minu­ten nach Mit­ter­nacht« schreibt Patrick Ness eine Idee sei­ner mit der Car­ne­gie Medal aus­ge­zeich­ne­ten Schrift­stel­ler­kol­le­gin Siob­han Dowd wei­ter. Ihr frü­her, tra­gi­scher Krebs­tod ver­hin­der­te die Umset­zung ihrer Idee in eine eige­ne Geschichte.

Über die Autorin: Siob­han Dowd, in Lon­don gebo­ren, stamm­te aus Coun­ty Water­ford, Irland, und ver­brach­te dort einen gro­ßen Teil ihrer Kind­heit. Nach der Schul­zeit in Lon­don stu­dier­te sie in Oxford und begann dort als Redak­teu­rin für PEN Inter­na­tio­nal und als frei­schaf­fen­de Autorin zu arbei­ten. Bereits ihr Debut­ro­man kam auf die Aus­wahl­lis­te des Deut­schen Jugend­li­te­ra­tur­prei­ses, für ihr drit­tes Jugend­buch wur­de sie mit der Car­ne­gie Medal aus­ge­zeich­net. Nach schwe­rer Krank­heit erlag Siob­han Dowd 2007 ihrem Krebsleiden.

Lai­la Mah­fouz, 9. Febru­ar 2017

Links:

Die Web­site zum Film fin­den Sie hier.

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Die Web­site von Juan Anto­nio Bayo­na fin­den Sie hier.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu Juan Anto­nio Bayo­na fin­den Sie hier.

Die Web­site von Patrick Ness fin­den Sie hier.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu Patrick Ness fin­den Sie hier.

Eine eigens für das Buch gestal­te­te Sei­te des cbj-Ver­la­ges inklu­si­ve eines Inter­views mit Patrick Ness fin­den Sie hier.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu Siob­han Dowd fin­den Sie hier.

Die Web­site von Illus­tra­tor Jim Kay fin­den Sie hier.

Infor­ma­tio­nen zu Lai­la Mah­fouz fin­den Sie hier.