Laura Barnetts Roman ist reich an Bildern, Geschichten, Einblicken in verschiedene Leben und viele Was-wäre-wenn-Momente. »Drei mal wir« ist ein Plädoyer für die Liebe und ein Aufruf, ihr nachzugeben, in welcher Form sie auch erscheinen mag. Ein Buch über Achtsamkeit, Geduld, Entscheidungen, die doch nie das Schicksal auszutricksen vermögen und Augenblicke, die das Leben verändern.
Handlung (der Verlagsseite entnommen):
Eva und Jim sind neunzehn und Studenten in Cambridge, als ihre Wege sich 1958 zum ersten Mal kreuzen. Eine Fahrradpanne führt die beiden zusammen. Was dann passiert, wird den Rest ihres Lebens bestimmen.
Wir folgen drei unterschiedlichen Versionen ihrer Zukunft, zusammen und getrennt. Sehen Eva dabei zu, wie sie eine berühmte Schriftstellerin wird. Und Jim, wie er für die Kunst seinen Beruf als Anwalt hinter sich lässt. Wir sehen Partner kommen und gehen, reisen mit ihnen nach London, New York und Los Angeles. In all den Jahren nimmt ihre Liebe immer wieder ungeahnte Wege, von den ersten drei Treffen bis hin zum Finale: Drei Liebesgeschichten, ein Paar.
»The Versions of Us«, wie der Roman »Drei mal wir« im englischen Original heißt, war 2015 das erfolgreichste belletristische Debüt in England. Laura Barnett verkaufte ihren Nummer-1-Bestseller gleich in 22 Länder und hatte zudem einen sensationellen Presseerfolg. Wie hierzulande üblich erschien die deutsche Ausgabe gleich als gebundenes Buch, das vom Rowohlt Verlag wirklich ganz besonders schön ausgestattet wurde. Unter dem Schutzumschlag verbirgt sich ein petrolfarbenes Buch mit in türkis aufgedruckten Blüten- und Blätterranken. Obwohl die Schrift schwarz gedruckt wurde und damit gut lesbar ist, befindet sich auf jeder Seite der Hinweis Erste, Zweite oder Dritte Version. Diese Worte sind in die Farben rot, blau und grün aufgeteilt und die Farben wiederholen sich in den aus Blätter- und Blütenranken bestehenden Vignetten, die jede Seite einfassen. Illustrierte Zwischentitel für die drei Buchteile sind außerdem zu finden. Dass es sich um ein durchgehend vierfarbig gedrucktes Kunstwerk handelt, trägt noch zum Lesevergnügen bei.
Ich habe über Platons Höhlengleichnis nachgedacht, über diesen grässlichen Gedanken, dass wir den grössten Teil unserer Zeit mit dem Rücken zum Licht verbringen, und was wir sehen, sind nur Schatten an der Wand. Was, wenn mein Leben […] genau das ist? Wenn es eben doch nicht das Wahre ist?
Zweite Version / Gypsophila / London, August 1960 / Seite 65
Dieses Zitat macht deutlich, worum es im Buch eigentlich geht. Woher wissen wir, ob wir uns richtig entscheiden? Es dauert manchmal lange, bis wir erkennen, dass es richtig und falsch in diesem Zusammenhang nicht geben kann. Wir werden die Wege, auf denen uns das Schicksal führt, wenn überhaupt dann immer nur im Rückblick verstehen. Aber das ist es auch, was das Leben spannend macht. Nichts ist doch sicher im Leben außer der Veränderung.
Bei dem Gemälde geht es um die vielen Wege im Leben, die man nicht einschlägt, um all die Leben, die man nicht führt, weil es anders kommt.
Er hat es Die Versionen von uns genannt.
Zweite Version / Pfefferkuchen / Cornwall, Dezember 1977 / Seite 289
Im Gegensatz zu vielen langen Büchern rechtfertigt »Drei mal wir« seine Seitenanzahl schon aufgrund der Handlung: dreimal die Leben zweier Menschen von der Jugend bis zum Tod zu erzählen, ist keine Kleinigkeit. Laura Barnett blättert die verschiedenen Leben von Eva und Jim in großer Fülle und Authentizität auf. Wichtig ist hier nie nur die Liebe zwischen den beiden Hauptfiguren. Die Beziehung zu Eltern, Kindern, Freunden, anderen Beziehungspartnern kommt dabei nicht zu kurz und macht die Liebesgeschichte selbst nur um so glaubwürdiger.
Also hatte er einfach den Arm um Dylans Schultern gelegt und gedacht, dass er nie damit gerechnet hätte, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Doch schließlich war er auch lange genug auf der Welt, um zu wissen, wie sinnlos es ist, überhaupt mit irgendetwas zu rechnen.
Zweite Version / Vater / Cornwall, November 1990 / Seite 372
Wirklich schön ist, dass der Leser immer wieder eine Version der Geschichte bevorzugt, um diese Vorliebe im nächsten Moment abzulegen und eine andere Version zum Favoriten zu erklären. Nicht nur sind uns nie das Ziel unseres Weges, all seine Abzweigungen oder die Menschen, denen wir begegnen werden, vorab bekannt, wir können auch nie sagen, welche kleine Entscheidung zu einem großen Ergebnis führen mag. Im Roman erkennen wir erst am Ende, welche Version der Geschichte um Jim und Eva den beiden das erfüllteste Leben beschert hätte.
Auch wenn der Roman sprachlich (zumindest in der Übersetzung) nicht hervorsticht, so entwickelt er aufgrund der Handlung doch einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Zwar wäre ein Personenverzeichnis bei der Unmenge von Namen, die dieser Roman enthält, wünschenswert gewesen, andererseits ist dies wiederum unmöglich, denn es würde dem Leser schon zu viel verraten. Um den Faden nie zu verlieren und sich immer zu erinnern, wie die Kinder, Eltern und Freunde heißen, ist vom Lesen über einen längeren Zeitraum auf jeden Fall abzuraten – dieses Buch will am Stück verschlungen werden!
Fazit: Über die in »Drei mal wir« offenbarte Welt der unendlichen Möglichkeiten lässt sich viel nachdenken. Am Schluß klappt man das Buch ganz leise zu, bleibt vermutlich noch eine ganze Weile in Gedanken versunken sitzen und fragt sich, ob irgendwo auf der Strecke des eigenen Lebens eine Eva oder ein Jim verloren gegangen sind oder man ist unendlich dankbar dafür, sie oder ihn bereits an seiner Seite zu wissen. Das Buch ist eine Empfehlung für alle, die mit ihrem Leben noch nicht am Ende angelangt sind und sich fragen, was noch kommen mag und für die, die in ihrem Winter stehen und gern den Blick auf ihr langes Leben werfen mögen.
(Um weniger von der Handlung und den Unterschieden zu verraten, habe ich mich bei den gewählten Zitaten ausschließlich an die Zweite Version gehalten.)
Laura Barnetts Roman »Drei mal wir« (Originaltitel: »The Versions of Us«) ist in der Übersetzung von Judith Schwaab im März 2016 für EUR 19,95 im Rowohlt Verlag erschienen – gebunden, 496 Seiten, ISBN 978-3463406596.
Wer in den Roman reinlesen möchte, findet hier eine Leseprobe.
Über die Autorin: Laura Barnett ist Journalistin. Sie wurde 1982 in London geboren, wo sie zusammen mit ihrem Ehemann lebt. Sie hat Spanisch, Italienisch und Journalismus in Cambridge und London studiert. Bisher hat sie einige Kurzgeschichten veröffentlicht, die mehrfach ausgezeichnet wurden. »Drei mal wir« ist ihr erster Roman. Er stand in England auf Platz 1 der Bestsellerliste, wurde von der Presse gefeiert und in zweiundzwanzig Länder verkauft.
Laila Mahfouz, 14. Dezember 2016
Links:
Hier ein kleines Interview mit der Autorin zur Struktur des Romans »Drei mal wir« und dessen Umsetzung:
Die Website der Autorin finden Sie hier.
Die Twitter-Seite der Autorin finden Sie hier.
Informationen zu Autorin und Buch auf den Seiten des Rowohlt Verlages finden Sie hier.
Der Argon Verlag brachte ebenfalls im März die Hörbuchausgabe von »Drei mal wir« in zum Glück ungekürzter Fassung heraus. Die drei unterschiedlichen Versionen der Geschichte werden von Richard Barenberg, Philipp Schepmann und Uve Teschner gelesen. Sie finden das Hörbuch hier. Eine Hörprobe finden Sie ebenfalls dort oder mit Klick aufs Bild.
Die Geschichten sind auf 2 MP3- CDs mit einer Laufzeit von 13 Stunden und 44 Minuten verteilt – ISBN: 978-3839814840 – EUR 19,95.
Der Rowohlt Verlag schrieb zur Veröffentlichung ein Gewinnspiel aus und richtete eine eigene Internetseite ein. Hier finden Sie auch ein ins Deutsche übersetztes, aufschlussreiches Interview mit der Autorin.
Informationen zu Laila Mahfouz finden Sie hier.