Alexandra d’Arnoux‘ und Bruno de Laubadère ist es mit ihrem Buch »Die geheimen Gärten von Paris – Grüne Paradiese im Verborgenen« gelungen, den Leser an einem ganz besonderen Streifzug teilhaben zu lassen. Bezaubernde Gartenkleinode, idyllische Winkel und exotische Welten – Pariser Gärten bieten auf jeden Fall mehr, als ich erwartet hätte.
Inhalt(dem Verlagstext entnommen): Einen Garten in Paris zu besitzen, ist ein besonderes Glück. Dieses stimmungsvolle Buch stellt erstmals die schönsten Beispiele vor und öffnet die sonst fest verschlossenen Tore zu den Gärten von Kenzo, Hubert de Givenchy, dem Ehepaar Giscard d’Estaing oder Yves Saint Laurent und vielen weiteren bekannten oder unbekannten – auf jeden Fall leidenschaftlichen – Gartenbesitzern. Man braucht nur eine Pforte aufzustoßen und schon entdeckt man Lindenalleen, Reihen gestutzter Eiben, Buchskugeln, Rosenbüsche und Hortensien, romantische Sitzplätze unter Lauben, repräsentative Terrassen, elegante Kieswege, einen Küchengarten, eine Grotte. Jeder dieser Pariser Gärten birgt eine Überraschung und entführt in teilweise exotische Welten: Ein bezaubernder Bildband für Paris-Freunde und ein Ideen-Fundus für alle Stadtgartenbesitzer.
Vorab zum Verständnis
Ich habe das Glück, in Hamburg, einer der grünsten Metropolen Europas, zu leben. Hamburg ist übersät mit Parks, Gärten und fast jeden Straßenrand säumen Bäume. Vom Grün verwöhnt, ist mein Blick daher sicher ein ganz anderer, als der der französischen Autoren des Buches.
Zum Vergleich hier ein paar Eckdaten (aus Wikipedia) von Hamburg, Paris und Berlin:
Hamburg
Einwohner: ca. 1,8 Mio.
Fläche: ca. 755 km²
Bevölkerungsdichte: ca. 2.351 Einw./km²
Paris
Einwohner: ca. 2,2 Mio.
Fläche: ca. 105 km²
Bevölkerungsdichte: ca. 21.154 Einw./km²
Berlin
Einwohner: ca. 3,5 Mio.
Fläche: ca. 891 km²
Bevölkerungsdichte: ca. 3.921 Einw./km²
Gerade aufgrund der Bevölkerungsdichte von Paris erscheinen die in diesem Buch vorgestellten Gärten wie Wunder!
»Die grünen, hinter Häusern versteckten Enklaven tauchen nie auf dem Stadtplan der Hauptstadt auf. Offiziell existieren sie nicht, doch ihr Vorhandensein lässt sich erahnen, wenn in einer grauen Straße Vogelgesang den Frühlingsnachmittag durchdringt, wenn sich über einer Mauer ein Baumwipfel gegen den Himmel reckt oder wenn man durch ein zufallendes Tor einen Blick auf uralten Efeu erhascht. […] In der Stadt sind diese Gärten wie Oasen in einem Universum aus Stein, Stahl und Glas. […] In den Gärten liegt unsere Verbindung zum Leben.«
(Das unbekannte Paris, Seite 11)
Als Tourist kenne ich Paris nur als vollgestopfte, im Sommer brodelnd heiße Metropole. Ich lernte eine faszinierende aber sehr graue Stadt kennen, die mich nicht gerade durch ihr üppiges Grün überzeugte. Um so neugieriger machte mich dieses Buch, da es Einblicke in verborgene Gärten gewährt, die ich nie entdeckt hätte. Zwar sind die meisten der hier vorgestellten Gärten wirklich klein, schattig und von den Hauswänden der nächsten Häuser umzingelt, dennoch gibt es in diesen tatsächlich verborgenen Gärten einiges zu entdecken, denn oft befinden sich die Gartenkleinode hinter unscheinbaren, eisgrauen Gebäudefassaden verkehrsreicher Straßen.
Das Buch ist in (16) klassische, (12) malerische und (6) exotische Gärten unterteilt.
Von der Natur sind die meisten der vorgestellten Gärten, besonders im Teil „Klassische Gärten“, leider trotzdem weit entfernt, denn ganz nach Art französisch geprägter Barockgärten wird hier stets versucht zu zähmen und zu kontrollieren und so verwundert es nicht, dass die Autoren den Blick in den Garten teilweise mit einem Bühnenbild vergleichen, das „hinter einem soeben aufgezogenen Theatervorhang“ erscheint. Ich persönlich empfinde englische Gärten, die versuchen, die Natur nachzuahmen statt zu kontrollieren, als wesentlich ansprechender, denn in geometrische Muster gepresste Natur wirkt auf mich stets grotesk und abstoßend. Sicher ist der Buchs, der eigentlich ein 8 – 20 Meter hoher Baum wäre, die in diesem Buch am häufigsten erwähnte Pflanze, kann man ihn doch leicht in eine absolut unnatürliche, aber dem Designwunsch seines Beschneiders entsprechende Form zwingen. Diese gestalterisch massiv eingreifende Gartenkunst versucht immer, die Natur selbst zu übertrumpfen, was natürlich (Welch herrliches Wort!) unmöglich ist.
Auch wenn auf den getrimmten Buchs kaum mal verzichtet wird, wirken durchaus nicht alle der vorgestellten Gärten wie Museen. Ab der Mitte des Teils klassische Gärten gibt es als reizvolle Ausnahmen wahre Ruheoasen, die inmitten der Großstadt fast unwirklich scheinen, wie zum Beispiel „Der Garten eines Antiquitätenhändlers“ in Île Saint-Louis im historischen Herzen von Paris, „Der gewagte Garten des Pierre Bergé“, Direktor des Modehauses Yves Saint Laurent, „Ein Garten der vierziger Jahre“ im 16. Arrondissement oder „Ein herrlicher Garten“ auf dem Rive Droite.
Mit dem Satz der Autoren, dass nichts reizvoller sei „als ein solch kontrollierter, disziplinierter Überschwang der Natur“ (mit Bezug auf die Szenerie des Titelbildes) kann ich mich allerdings überhaupt nicht einverstanden erklären. Reizvoller als ein kontrollierter Überschwang der Natur ist und bleibt die Natur in ihrer unverfälschten, vom Menschen unangetasteten Wildheit – unkontrolliert, unbändig und eben überschwänglich!
»Die erhabene Gestaltung seiner Plätze und Prachtstraßen und die klassische Schönheit seiner Monumente präsentiert Paris freimütig jedem Betrachter, und dennoch hält diese Stadt der Heimlichkeiten tausendundeinen Schatz verborgen.«
(Klassische Gärten – Der Garten einer Stadtvilla aus dem 18. Jahrhundert, Seite 27)
Der zweite Teil des Buches heißt „Malerische Gärten“ und hat mich sofort wieder mit Paris versöhnt, denn hier geht es doch wesentlich wuchernder, leidenschaftlicher und somit natürlicher zu. Die geraden Strukturen, die den französischen Garten auszeichnen, sind hier kaum zu finden und praktisch sofort begann ich mich in die Gärten hineinzuträumen, schritt die Natursteinwege entlang, fühlte die schattige Kühle unter den Bäumen und verlor mich in der Blütenpracht.
Dies sind Gärten, in denen es auf Schritt und Tritt etwas Überraschendes zu entdecken gibt und in denen der Geist der gehetzten Großstädter dennoch oder gerade deswegen zur Ruhe kommt. Wunderschöne Gärten, die Geschichten erzählen, deren versteckte Winkel zum Träumen geradezu einladen, finden sich zum Beispiel in den Kapiteln „Gartenkunst wie im 19. Jahrhundert“, „Ein üppiger Garten von Camille Muller“, „Ein Hauch von Bretagne auf der Montagne Sainte-Geneviève“ oder „Hector Guimards Jugendstil-Garten perfekt restauriert“. „Mischkas Küchengarten“ im 20. Arrondissement hingegen zaubert mit seinen üppigen Nutzpflanzen, seinem Artenreichtum und Überschwang ländliche Idylle mitten nach Paris! Hier möchte ich in der Hängematte liegen und mir die Früchte in den Mund wachsen lassen, während der Siebenschläfer (tatsächlich dort zu Hause) über mir Kirschen aus dem Baum stibitz!
Der dritte Teil „Exotische Gärten“ fällt leider am schmalsten aus, seine Gärten allerdings können sich sehen lassen. Da wäre zum einen der Garten mit russischem Holzhaus, ein Überbleibsel der Weltausstellung von 1867. Um den ländlichen Charme seines Gartens zu bewahren und um zu verhindern, dass sich sein Anwesen in ein Museum verwandelt, lässt der Hausherr Baron d’Orgeval historische Rosen „verwildern“.
Etwas ganz Besonderes ist auch „Kenzos japanische Miniaturlandschaft“, des seit vielen Jahren in Paris ansässigen Mode-Designers. Der vom Landschaftsgestalter Iwaku in das Gelände einer ehemaligen Fabrik unweit der Place de la Bastille gezauberte Garten hat alles, was zu einem authentischen, japanischen Garten gehört: Bachlauf, Wasserfall, Karpfen, Felsen, Bambus, Kiefern, Kirschbäume, Kamelien und Ahorn.
Gegenüber dieser geplanten Landschaft wirkt der nächste Garten, „Ein üppiges asiatisches Paradies“ nach indischer Vorlage geradezu wie ein Stück Dschungel, so dass dem Betrachter der Bilder das Wort Paris einfach nicht mehr einfallen will.
Die Autoren stellen die Gartenbauarchitekten und Gartenbesitzer vor, beschreiben sowohl die Struktur der Gärten als auch die Pflanzen in den Beeten und weisen auf die Besonderheiten der Gärten zu bestimmten Jahreszeiten hin. Genannt wird meistens das jeweilige Pariser Arrondissement, in welchem sich der Garten befindet. Fast immer werden auch die botanischen Namen der Pflanzen genannt, so dass sie leicht zu finden sind, sollte man sich selbst zum Erwerb der jeweiligen Pflanze entschließen. Dies muss als Entschädigung genügen, denn da es sich um Privatgärten handelt, ist eine Pilgertour durch die geheimen Gärten von Paris mit diesem Buch in der Tasche selbstverständlich nicht möglich.
Der Schreibstil ist gut, wenn er auch an einigen Stellen etwas künstlich wirkt. Der Inhalt ist gut verständlich und die Gärten sind bis ins Detail beschrieben. Warum Worte wie Eklektizismus benutzt werden müssen, obwohl sehr wahrscheinlich nur ein sehr geringer Teil der Leser dieses Wort kennt (ich gehöre nicht zu dieser Elite!), ist mir allerdings nicht klar. Hier wäre eine Umschreibung angebrachter gewesen.
Uneingeschränktes Lob gilt dem Fotografen, Gilles de Chabaneix, der es versteht, Leben selbst in Fotos zu zaubern, die extrem schattige, enge Winkel zeigen, die Seelen der Gärten bestens in Szene zu setzen und den Betrachter auf Reisen durch diese Märchengärten zu senden.
Wer nun meint, all diese Gärten bei uns in Deutschland nachpflanzen zu können, der sei an dieser Stelle gewarnt: Zwar befindet sich Paris in etwa auf dem Breitengrad von Stuttgart, allerdings haben die Pariser Stadtgärten Vorteile, die nicht gleich auf der Hand liegen. Durch die im Winter beheizten Häuser, die die Gärten umgeben, sind sie vor starkem Wind ebenso wie vor Frost gut geschützt. So haben Pariser Gartenbesitzer aufgrund der schattigen Lage ihrer Gärten vielleicht weniger Möglichkeiten, die Winterhärte der ausgewählten Pflanzen kann aber wesentlich geringer sein als bei uns. So ist es möglich Orangenblumen, Kamelien und andere frostempfindliche Schönheiten mehr in diese Gärten auszupflanzen. Bei uns wäre es schade um Ihr Geld und die wunderbaren Geschöpfe, die dann doch einmal mehr dem Frost zum Opfer fallen würden. In diesem Fall hat selbst die extreme Bevölkerungsdichte doch auch ihr Gutes – mehr Menschen, mein Heizungen, höhere Temperaturen, mehr Exoten im Gartenboden.
Obwohl mir sein Garten nicht gefallen hat, muss ich Hubert Givenchy gleich zweimal zustimmen: Erstens muss man wohl in der Tat über Paris hinweg fliegen, um zu realisieren, welche Vielzahl an Gärten dort existiert und zweitens ist auch für mich selbst ein Garten in allererster Linie ein Ort der Ruhe.
Dominique Benar-Despalle: »[…] auf Natur kann ich einfach nicht verzichten. Ich kann in einem kleinen Haus leben, doch ich muss einen Garten haben. […] Erde, das bedeutet Jahreszeiten – der Winter vergeht, der Frühling kommt… Dagegen anzugehen, wäre Schummeln. Dies ist das Wesen und die Wahrheit der Natur.«
(Malerische Gärten – Ein Hauch von Bretagne auf der Montagne Sainte-Geneviève, Seite 108)
Wer mehr lesen möchte und sich dennoch bisher nicht zu einem Kauf entschließen konnte, findet hier eine Leseprobe.
Fazit: Alexandra d’Arnoux‘ und Bruno de Laubadères Buch »Die geheimen Gärten von Paris – Grüne Paradiese im Verborgenen« bietet besonders Besitzern kleiner, schattiger Stadtgärten Inspiration zur Gestaltung, denn dass es durchaus möglich ist, aus solch einem Fleckchen eine kleine Oase zu machen, beweisen die Autoren und stellen die entsprechenden Pflanzen vor. Sicher wird das Buch aber auch allen anderen Gartenfreunden gefallen: Setzen Sie sich mit einer Kanne Tee in den Garten beziehungsweise im Winter aufs Sofa, schlagen Sie das Buch auf und lassen Sie sich von den vorgestellten Gärten und Pflanzen verzaubern und inspirieren. Meine Liste der Pflanzen, die unseren Garten ergänzen sollen, ist seit der Lektüre deutlich länger geworden.
Ein Gedanke, der dennoch keine Ruhe lässt: Die hier vorgestellten Gärten gehören alle Mitgliedern einer sehr privilegierten Oberschicht, während der restliche Teil der Bevölkerung sich die enge Stadt teilen muss… Betrachtet man diese Gärten, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, unter dem Aspekt der Bevölkerungsdichte, so hinterlässt das Buch doch einen etwas schalen Beischmack.
Alexandra d’Arnoux‘ und Bruno de Laubadères Buch »Die geheimen Gärten von Paris – Grüne Paradiese im Verborgenen« ist im Februar 2016 im DVA Verlag erschienen – gebunden, 192 Seiten, mit 189 Farbabbildungen von Gilles de Chabaneix, EUR 24,99, ISBN 978-3421040176, aus dem Französischen von Claudia Arlinghaus, Originaltitel »Jardins secrets de Paris«.
Über Autoren, Übersetzerin und Fotografen:
Alexandra d’Arnoux, ehemalige Redakteurin von Vogue Décoration und Maison et jardin arbeitet jetzt als Chefredakteurin der französischen Ausgabe von Architectural Digest in Paris.
Bruno de Laubadère, Gartendesigner und Gartenhistoriker, ist heute Direktor der Sammlungen von Schloss Courson, südlich von Paris.
Claudia Arlinghaus, 1959 geboren, studierte Anglistik/Amerikanistik und Slawistik an der Universität Münster. Seit dem Jahr 2000 ist sie freischaffend tätig als Übersetzerin von Sach- und Fachbüchern der genannten Themenbereiche sowie belletristischer Werke.
Gilles de Chabaneix hat als international bekannter Fotograf zahltreiche Bildbände zu den Themen Architektur, Wohnen und Garten illustriert.
Laila Mahfouz, 19. Mai 2016
Links:
Weitere Informationen zu »Die geheimen Gärten von Paris – Grüne Paradiese im Verborgenen« auf der Seite des DVA Verlages.
Informationen zu Laila Mahfouz