Helen ist tot. Helen ist eine Muse. Helen ist verliebt. In „Silberlicht“, ihrem Debüt-Roman, erzählt Laura Whitcomb die Geschichte von zwei Toten, deren Liebe sie ins Leben ruft und von zwei Lebenden, deren Traurigkeit sie vom Tod träumen lässt. Ein unwiderstehlicher Roman für Liebhaber poetischer Sprache, leiser Töne und phantasievoller Sichtweisen.
Inhalt: Helen stirbt, doch aus einem Grund, den sie selbst nicht kennt, gelingt es ihr nicht, ins Himmelreich aufzusteigen. Stattdessen irrt sie viele lange Jahre in der Zeit umher. Irgendwann gelingt es ihr schließlich, sich an einer Stimme festzuhalten. Von diesem Moment an wird sie unsichtbare Muse von Literaten aller Art. Ihr letzter Bewahrer ist ein Hochschulprofessor, den sie besonders verehrt. Doch eines Tages sieht ein Augenpaar Helen tatsächlich an. Erst will sie es nicht glauben, doch dann erkennt sie, dass im Körper des Siebzehnjährigen Schülers ihres Professors eine weitere Lichtgestalt steckt. James hat die Möglichkeit ergriffen, von diesem Körper Besitz zu ergreifen, als die Seele des jungen Billy die Lust am Leben verloren hatte. Als sich Helen und James ineinander verlieben, beginnt die verzweifelte Suche nach einem Körper für Helen, doch welche Probleme die beiden damit heraufbeschwören, können sie nicht ahnen.
Ein Buch voll Magie, voll düsterer und lichter Bilder und voll poetischer Momente. Auffällig ist die wunderschöne Sprache, die in diesem Roman verwendet wird. Allzu gern ließ ich mich von ihr umfangen und davontragen. Die Liebesgeschichte von Helen und James hat mich überzeugt und besonders Helens Kampf gegen das Fortgerissenwerden in das endlose, nasse Dunkel ihrer Hölle ist so plastisch geschrieben, dass es mir eiskalt den Rücken hinunter lief. Als durchaus glaubwürdig erwies sich auch, dass sie schon über hundert Jahre tot ist und ihre eigene Welt vollkommen anders war als unsere heutige. Auch die Nebenhandlung, in der James und Helen mit den Problemen ihrer „Körperspender“ Billy und Jenny fertig werden müssen, ist wunderbar erzählt und hat viel Tiefe. Ob ein Happy-end für James und Helen möglich ist, möchte ich nicht vorwegnehmen. Ich jedenfalls mag mir gern vorstellen, als Licht noch über den Tod hinaus zu existieren und als Muse tätig zu sein. Ein schöner Gedanke und eine Romanidee ohne Vampire, Drachen oder Elfen – Bravo!
Dem empfohlenen Alter von 14 – 15 Jahren kann ich mich in diesem Fall überhaupt nicht anschließen. Ich halte das Buch nicht für Vierzehnjährige geeignet und für Ältere muss es auch überhaupt nicht langweilig sein. Mich jedenfalls hat die Geschichte fasziniert, obwohl ich die 15 schon mehr als doppelt solange hinter mir gelassen habe. Die Lichtgestalten schlüpfen zwar in die Körper von Jugendlichen, sind aber eigentlich längst erwachsen und daher sind ihre Gefühle und Handlungen auch die von Erwachsenen. Meiner Meinung nach handelt es sich nicht um einen Jugendroman.
Das vom PAN-Verlag wie immer wunderschön ausgewählte Cover ist wirklich eine Augenweide und das Buch hält alle Mal, was das Cover verspricht. Im Buch verzieren Ranken den Beginn jedes Kapitels. Ein Softcover ist günstiger als ein Hardcover und dennoch stabiler und schöner als jedes Taschenbuch. So kommt man preislich dem Leser sehr entgegen – ein Kompromiss der schönen Art.
Fazit: Mit „Silberlicht“ ist Laura Whitcomb ein Roman der leisen Töne gelungen, der ohne jede Action auskommt. In ihrem Debüt-Roman schafft die Autorin eine sehr dichte Atmosphäre, die diese zauberhafte Geschichte mit viel Intensität füllt. Ich kann „Silberlicht“ für alle Leser empfehlen, die noch träumen können und daran glauben, dass die Liebe die stärkste Macht des Universums ist, der selbst der Tod nichts anzuhaben vermag. Alle anderen lassen sich bei der Lektüre vielleicht ja auch davon überzeugen.
Zur Autorin: Laura Whitcomb ist in Pasadena, Kalifornien aufgewachsen. Bevor sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte, hat sie als Englischlehrerin gearbeitet. Für „Silberlicht“, ihren ersten Roman, gewann sie vier Literaturpreise und war für weitere fünf Awards nominiert. Heute lebt und arbeitet sie in Portland, Oregon.
Laura Whitcomb „Silberlicht“ (Original-Titel „A Certain Slant of Light“), Softcover, 320 Seiten, erschienen beim PAN Verlag für EUR 14,99 unter ISBN 978-3426283288, aus dem Amerikanischen von Sabine Thiele.
Laila Mahfouz, 13. August 2012
Links:
Die Homepage von Laura Whitcomb
Infos zu „Silberlicht“ auf den Seiten des PAN Verlags
Infos zu „A Certain Slant of Light“
Informationen zu Laila Mahfouz