Welch außergewöhnliches Kleinod hat uns Alexander Rösler mit „Ein Kuss ist ein ferner Stern“ geschenkt. Weit entfernt vom üblichen Mainstream-Einerlei zeigt diese so andere Liebesgeschichte viel Tiefe. Ganz neue Sichtweisen auf alltägliche Situationen skizziert der Autor mit wunderbar einprägsamen Charakteren und wandelt spielerisch zwischen Humor und Ernsthaftigkeit.
Klappentext: Manche Gedanken lassen sich gut schneiden, wie Papier. Andere sind hart wie Alabaster. Der Gedanke an das Mädchen vom Strand ist ein unendlicher Alabastergedanke – für August, der nicht lügen kann, nichts in Gesichtern liest und für den Berührung eine Kröte auf der Haut ist. Ein Zufall wirft sein geregeltes Leben aus der Bahn. Und konfrontiert August mit einem Gefühl, das völlig neu für ihn ist.
Inhalt: August Storck ist anders als andere Menschen. Seine Tage laufen getaktet ab wie ein Uhrwerk und seine Gewohnheiten hält er strikt ein, denn eine Abweichung von der Normalität bedeutet für ihn Panik und Chaos. August ist Autist und wird, obwohl er hochintelligent ist, von seiner Umwelt als seltsam und zurückgeblieben wahrgenommen. Er spricht manchmal in Rätseln und kann sich schwer verständlich machen. Auch versteht er Andeutungen oder Ironie meistens nicht und mag keine Berührungen. Kaum jemand hat die Geduld, August ohne Bevormundung normal zu behandeln. Sein Freund Rudi, der mit ihm in einer Band spielt, ist eine große Ausnahme. Er nimmt August unter seine Fittiche und versucht, ihm eine Gebrauchsanweisung fürs Leben zu basteln. August ist zwar ein freundlicher und ehrlicher Junge, doch von den wichtigen Dingen des Leben hat er keine Ahnung, meint Rudi. Als Augusts Zusammentreffen mit seiner Traumfrau Freya ihn aus seiner gewohnten Umlaufbahn katapultiert, ist es daher auch Rudi, der ihm immer wieder den Schubs in die richtige Richtung versetzt.
„Ich habe nichts gegen Stille, sie ist nach Musik das Zweitbeste.“ (S.132)
August hat gelernt, zwanghafte Gedanken einfach mit einem „Cut“ zum Stillstand zu bringen, doch bei der Erinnerung an die Begegnung mit seinem Mondsteinmädchen gelingt es ihm ausnahmsweise nicht. Er kann nicht aufhören, an Freya zu denken und er will es auch gar nicht. Doch auch sie kann den merkwürdigen Jungen nicht vergessen. Seine ungewöhnliche Art hat sie berührt, alles an ihm hat sie angezogen. Der gemeinsame Moment war flüchtig wie ein Traum und beide wissen nicht, wie sie sich wiederfinden können. Doch natürlich weiß Rudi Rat und hat für alle Fälle immer einen Plan in der Hinterhand.
„Meine Gefühle sind oft durcheinander und ich kann sie schlecht in Worte fassen und an den richtigen Stellen zeigen oder verstecken. Bei mir ist oft die Nebensache die Hauptsache.“ (S.133)
Die in Hamburg angesiedelte Geschichte um August, Freya und Rudi malt das Kopfkino für Stadtkenner besonders bunt und wird aus drei Perspektiven erzählt, wobei Rudi der entscheidende Faktor ist, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Er schreibt ein Buch über seinen Freund August und nutzt dazu auch die Aufzeichnungen von Freya sowie die Schreibübungen, die er sich für August ausgedacht hatte, um es ihm leichter zu machen, sich auszudrücken. Anfangs sind Augusts Teile nur bruchstückhafte Fragmente, doch nehmen sie immer mehr Form an und verwandeln sich am Ende zu fast poetischer Weisheit. Der Wechsel zwischen diesen drei Erzählern, die jeweils einen anderen Blickwinkel der Geschichte um August und Freya beleuchten, gelingt dem Autor bestens und macht das Buch zu einem Pageturner. Auch die besonderen Charaktere bis hin zu Freyas Wachhund Alberich sind brillant gezeichnet und glaubwürdig umgesetzt. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Freya und August inklusive aller Bedenken und Sorgen ist sehr sensibel geschildert, ebenso ist Augusts Abnabelung in ein erwachseneres Leben großartig und sehr witzig erzählt.
Die Aufmachung dieses gebundenen Buches ist auch sehr schön. Es liegt gut in der Hand und obwohl es keinen Umschlag hat (wie häufig beim Arena Verlag) ist der Einband ganz entzückend gestaltet. Der dafür verantwortlichen Frauke Schneider mein Kompliment. Mit ihrem „Scherenschnitt“ hat die Künstlerin eine besonders schöne Szene aus dem Buch wunderbar umgesetzt. Ein Lesebändchen ist vorhanden und mehr kann man von einem so günstigen Hardcover auch wirklich nicht verlangen.
Fazit: „Ein Kuss ist ein ferner Stern“ ist eine wahre Perle unter den Jugendbüchern und trotz vieler positiver Rezensionen wohl immer noch ein Geheimtipp. Der Roman, der sich fernab aller Klischees bewegt, hinterlässt wunderbare Erinnerungen und ganz sicher habe ich ihn nicht zum letzten Mal gelesen. Ich habe mir auch die anderen Bücher von Alexander Rösler besorgt und bin schon gespannt, in welche Welten ich dort geführt werde. Dieser Geschichte um August, Freya und das Anderssein wünsche ich noch viele begeisterte Leser.
Über den Autor: Alexander Rösler wuchs in den Siebzigerjahren in der hessischen Provinz auf, besuchte die Gesamtschule zwei Dörfer weiter und wurde beim Fußballspielen meistens ins Tor gestellt. Die Entscheidung für ein Medizinstudium kam per Post. Heute lebt Alexander Rösler mit Frau und Kindern in Hamburg und arbeitet als Geriater und Neurologe im Krankenhaus. Seit 1999 schreibt er nebenbei erfolgreich Bücher für Jugendliche.
Alexander Rösler „Ein Kuss ist ein ferner Stern“, Hardcover wie abgebildet, 216 Seiten, erschienen beim Arena Verlag für EUR 12,99 unter ISBN 978-3401065373.
Laila Mahfouz, 18. Juli 2012
Links:
Original-Website von Alexander Rösler
„Ein Kuss ist ein ferner Stern“ auf den Seiten des Arena Verlags
Informationen zu Laila Mahfouz