Mit „Die Spur ins Schattenland“ ist Jonathan Stroud eine spannende Psychostudie gelungen, die der Leser kaum aus der Hand zu legen vermag. Ein Junge ist gestorben, ein Mädchen trauert, ihr Bruder ist in großer Sorge um die Schwester. Was ist die Wahrheit und ist diese Antwort wichtig?
In Jonathan Strouds „Die Spur ins Schattenland“ trifft der Leser augenblicklich auf eine Tragödie: Der nette Junge Max ist ertrunken. Seine Freundin Charlie bestreitet dies jedoch, denn sie war dabei, als er in den Mühlsee sprang. Während Charlie krampfhaft versucht, Max in die andere Welt zu folgen und sich immer mehr in ihren (Alp-)Träumen verliert, sorgt sich ihr Bruder James mehr und mehr um sie. Im Roman wechseln sich die Sichtweisen von Charlie und James pro Kapitel ab, so dass es dem Leser überlassen ist, ob er Charlies „Phantastereien“ oder James „Tatsachen“ Glauben schenken will. Mir wollte es nicht gelingen, mich festzulegen, denn ich fieberte mit Charlie ebenso mit und folgte ihr widerstandslos ins Schattenland, wie ich zur gleichen Zeit James Sorge um seine Schwester mit ihm teilte und hoffte, er würde sie vor Unheil bewahren können.
Bei Jonathan Strouds „Die Spur ins Schattenland“ handelt es sich um eine sehr faszinierende Psychostudie, die ich wirklich empfehlen kann! Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und wollte unbedingt sofort umblättern und wissen, was als nächstes geschehen würde. Die Handlung wird für niemanden, der auch nur einigermaßen empathisch ist, einen Moment langweilig sein! Charlies Trauer und ihr tiefer Wille, alles zu versuchen, ist durch die Buchseiten zu spüren! Man möchte eingreifen und rauft sich die Haare, weil man die beiden nicht erreichen kann. Jonathan Stroud ist mit „Die Spur ins Schattenland“ ein wunderbares kleines Buch gelungen, das ich allerdings eher Lesern ab 14 Jahren empfehlen würde (nicht wie empfohlen ab 11 Jahren), denn es ist wirklich teilweise sehr gruselig und geht insbesondere in seelische Tiefen, die ich jungen Lesern nicht empfehlen möchte.
Für mich steht auf jeden Fall fest: Ein gutes Buch muss sich nicht zwischen einer Fantasy- oder einer Realhandlung entscheiden, im Gegenteil, es ist möglich, beide zu verbinden und Jonathan Stroud gelingt dies in „Die Spur ins Schattenland“ aufs Beste.
Jedes neue Buch ist eine neue Welt, in die einzutauchen ein Privileg und ein Abenteuer ist. Wenn wir uns darauf einlassen, erleben wir mit den Protagonisten alles und sind nicht nur Zuschauer oder Geschworene, die entscheiden, was die Wahrheit ist, denn sie ist – insbesondere in diesem Buch – eine äußerst relative Sache. Meine Lektüre des Romans liegt bereits fast ein Jahr zurück und immer noch sind mir einzelne Szenen und Gefühle sehr nah – es hat mich berührt und fasziniert. Eine Empfehlung: Ich wünschte, ich hätte es noch vor mir.
Jonathan Strouds „Die Spur ins Schattenland“ erschienen im Omnibus Taschenbuch Verlag für EUR 10,00, gebunden, 320 Seiten, unter ISBN 978-3570218471, aus dem Englischen von Bernadette Ott.
Laila Mahfouz, 4. Juni 2012
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