Ross Welford erzählt in seinem zweiten Kinder- und Jugendroman »Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist« die Geschichte von der fast dreizehnjährigen Esther, die typische Teenager-Probleme hat: Pickel und Mobbing. Ihr neuestes Problem, die Unsichtbarkeit, hat ihr gerade noch gefehlt. Zum Glück hilft Esther ihr neuer Kumpel Boydy und zusammen erleben sie haarsträubende Abenteuer und stoßen neben einem Familiengeheimnis auch noch auf eine dreiste Betrugsmasche. Werden Sie das Rätsel um Esthers Herkunft gemeinsam lösen und den Betrug aufdecken?
Verlagstext: Eigentlich wollte Esther nur etwas gegen ihre vielen Pickel unternehmen. Stattdessen wird sie – nach der Einnahme eines dubiosen chinesischen Tranks aus dem Internet und einem ausgiebigen Nickerchen auf einer altersschwachen Sonnenbank – plötzlich unsichtbar! Für andere ein Herzenswunsch, für Esther zunächst der absolute Albtraum. Als die Wirkung nach ein paar Stunden wieder nachlässt, ist sie zutiefst erleichtert. Das wird ihr nicht noch einmal passieren! Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und Esther erkennt: Nur wenn sie sich ein weiteres Mal in dieses unfassbare Abenteuer stürzt, kann sie sich endlich gegen die miesen Knight-Zwillinge zur Wehr setzen, kann sie ihrem nerdigen Kumpel Boyd eine echte Freundin sein … und nur so kann sie das größte Geheimnis überhaupt aufdecken: Wer sie wirklich ist.
Esther lebt bei ihrer Großmutter seit sie ein Kleinkind ist. Ihre Mutter ist damals gestorben und von ihrem Vater fehlt jede Spur. Sie versteht sich sehr gut mit ihrer Granny und der kleinen Hündin Lady und könnte zufrieden sein, wäre da nicht ihre starke Akne. Das Mädchen wird deswegen oft in der Schule gemobbt, vor allem von den Knight-Zwillingen. Aus Verzweiflung bestellt sie sich einen Heiltrank aus dem Internet, der sie, zusammen mit der UV-Strahlung einer ausrangierten Sonnenbank, unsichtbar macht.
»Diesen Augenblick werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Es ist eigenartig und beängstigend und wahnsinnig schwer zu beschreiben, aber ich werde mein Bestes geben.
Zuerst fiel mir gar nicht auf, dass ich unsichtbar bin. Dann aber schon.«
Prolog / Seite 10
Eher durch Zufall vertraut sie sich dem neuen Mitschüler Boydy an, der mit ihr Zeit verbringt und sich als gewiefter und treuer Kumpel herausstellt – mit einer großen Begeisterung für Leuchttürme.
Und für Esther ergeben sich durch die Unsichtbarkeit plötzlich ungeahnte Möglichkeiten, in das Leben anderer Menschen einzugreifen. Allerdings muss sie auch lernen, dass es viel zu beachten gibt, um nicht entdeckt zu werden.
»Das mit der Unsichtbarkeit ist doch komplizierter, als ich gedacht habe.«
39. Kapitel / Seite 164
Trotz vieler Rückschläge geben Esther und Boydy nicht auf und kämpfen immer wieder gegen die ebenfalls mit allen Wassern gewaschenen Knight-Zwillinge. Dass alle Fäden noch einmal miteinander verwoben werden, steigert die Spannung bis zum Finale immer mehr.
Der fesselnde Erzählstil trägt immens dazu bei. Die Hauptfigur Esther wendet sich oft direkt an die Leser, was unterhaltsam ist und eine engere Bindung zur Erzählstimme schafft. Besonders gelungen ist dies im ersten Kapitel, als Esther ihre Unsichtbarkeit beschreibt.
»Ich blinzle und schaue auf mein Handy. Dann schaue ich auf meine Hand. Ich halte die Hand vor meine Augen und drehe sie hin und her. Sie ist nicht da.
Okay, stopp mal kurz. Halt dir mal die Hand vor die Augen. Ich warte so lange.
Sie ist da, oder? Die Hand ist da. Natürlich.
Nun dreh sie und schau dir den Handrücken an. Genau das habe ich vor ein paar Sekunden auch getan, nur war meine Hand NICHT da.«
Kapitel 1 / Seite 11
Der Autor mutet seinen jungen Lesern auch die dunklen Seiten in Esthers Leben zu. Ihr fehlt es bei ihrer Großmutter an nichts, aber sie fragt sich eben doch, warum ihr Vater seine einzige Tochter zurückgelassen hat. Und ab und an vermisst sie natürlich ihre Mutter. Wenn sie den Schuhkarton mit den Erinnerungsstücken an sie öffnet und sich die Gegenstände anschaut, erinnert sie sich an sie. Wie gern würde sie endlich Antworten auf ihre vielen Fragen bekommen!
Als die Unsichtbarkeit dazukommt, findet sie mehr Zugang zu ihren Gefühlen.
»Ich habe das schon unzählige Male gemacht, habe die Sachen aus dem Schuhkarton herausgenommen und vor mir ausgebreitet. Jedes Mal tue ich es auf die gleiche Weise und es macht mich nie traurig.
Doch dieses Mal werde ich traurig, völlig überraschend, was mich noch trauriger macht. Schnell packe ich die Sachen wieder ein, falls die Tränen kommen. Und dann sitze ich auf dem Bett und lausche meinen Atemzügen.«
Kapitel 25 / Seite 115
Esthers über neunzigjährige Uroma lebt in einem Heim, spricht kaum und lebt die meiste Zeit in ihrer eigenen Welt. Ihre Urenkelin besucht sie ab und zu mit ihrer Oma. Esther liebt ihre Urgroßmutter sehr, und beschreibt die zarte Frau mit ebenso zarten Worten wie z.B., dass sie im Feenland lebe. Das Seniorenheim findet das Mädchen oft bedrückend und sie hat Mitgefühl mit den Bewohnern, mit denen oft nicht besonders respektvoll umgegangen wird.
Ross Welford arbeitet u. a. mit Wetterstimmungen, die auch Esthers Stimmung ausdrücken.
»Obwohl es mitten im Juni ist und nicht mehr regnet, wirkt der Strand von Whitley Bay so trostlos wie im Februar. Vielleicht liegt es an den verrammelten Hotels, die schon bessere Zeiten gesehen haben und mich an die alten Leute in Uromas Heim erinnern: verfallen und ungeliebt.
Vielleicht ist aber auch meine Laune schuld.
Warum müssen die verdammten Zwillinge auch immer alles verderben?«
47. Kapitel / Seite 191
Der sprachliche Stil ist gut für Kinder ab 10 Jahren geeignet. Der Leser wird häufig direkt angesprochen. Kurz vor dem Rückblick, bittet die Ich-Erzählerin Esther ihre Leser, dranzubleiben.
Im Buch finden sich auch viele gut lesbar gestaltete Themenseiten mit interessanten Aufzählungen, Zeitungsausschnitten und anderem wie zum Beispiel einem Referat über einen Leuchtturm. Dies wirkt sehr auflockernd und motiviert sicherlich vor allem junge Leser zum Weiterlesen.
Das Cover ist kindgerecht und sehr ansprechend und farbenfroh gestaltet: auf gelbem Grund findet sich ein Leuchtturm, der ein Mädchen anstrahlt. Die Schrift ist bunt, mit Relieflack gestaltet und Hervorhebungen durch Farbschnitt auf Buchdeckel und -rücken. Außerdem ist der Buchschnitt blau gefärbt.
Ross Welfords Debütroman »Zeitreise mit Hamster« ist auch im Coppenrath Verlag erschienen und wurde ebenso farbenfroh gestaltet. Hier ist das Cover blau gehalten und der Buchschnitt gelb gefärbt. Zusammen sind die beiden Bücher im Regal wirklich ein Hingucker!
Fazit: Die Geschichte handelt davon, wie eine Freundschaft dabei hilft, Schwierigkeiten und Vorurteile zu überwinden und sogar ein Vergehen aufzudecken. Ross Welford versteht es in seinem zweiten Roman abermals, seine Leser zu fesseln und mitten ins Geschehen zu führen.
So vermittelt er ganz nebenbei, wie wichtig Freundschaft, Familie und Vertrauen sind, ebenso wie Identität und Werte und verpackt alles in eine humorvolle, spannende und kurzweilige Geschichte.
Viele junge Leser werden sich gut mit der Hauptfigur Esther, die aus der Ich-Perspektive erzählt, identifizieren können. Sie ist unauffällig, sagt von sich selbst, sie sei „keine Rebellin“ und hat alltägliche Probleme. Das Besondere an der Geschichte ist, dass Esther nach und nach lernt, die Schwierigkeiten durch Mut und Vertrauen in andere anzugehen. Diese Botschaft ist wichtig, und der Autor vermittelt sie auf unterhaltsame, fesselnde und lustige Weise. Geschickt webt Welford ganz nebenbei pädagogische Hinweise in die Geschichte ein – ein Beispiel dafür ist die Gefahr, die das Internet bei unüberlegter Handhabung birgt (S. 245).
Ross Welfords »Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist« ist eine klare Empfehlung – nicht nur für Kinder ab 10 Jahren.
Ross Welfords »Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist« (Originaltitel: »What Not to Do If You Turn Invisible«) ist im Januar 2018 für EUR 14,95 im Coppenrath Verlag erschienen – gebunden, 384 Seiten, ISBN 978-3649622383.
Eine Leseprobe finden Sie hier.
Über den Autor: Ross Welford war Journalist und Fernsehproduzent, bevor er entschied, sich ganz und gar dem Schreiben zu widmen. Er lebt mit seiner Frau, seinen Kindern, einem Border Collie und einer Menge tropischer Fische in London. Sein Debütroman »Zeitreise mit Hamster« erschien im Januar 2017. »Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist« ist sein zweiter Roman.
Miriam K., 2. August 2018
Links:
Die Website von Ross Welford finden Sie hier.
Auf Twitter finden Sie Ross Welford hier.
Hier ist noch das Blog von Ross Welford zu finden.
Informationen auf den Seiten des Coppenrath Verlages finden Sie hier.
Wenn Kinder gemobbt werden, müssen sie sich dem nicht hilflos ausliefern. Leider halten viele Mobbingopfer ihr Leid aus Scham und Angst geheim. Das hilft leider überhaupt nicht, weil die Situation sich meist nicht von allein entschärft. Es ist wichtig für die Kinder, in der Situation ruhig zu bleiben, innerlich Abstand zu nehmen und sich Hilfe zu holen. Auf dem kindgerechten, informativen und ermutigenden Internetauftritt Mobbing – Schluss damit! wird auch die Nummer gegen Kummer (11 61 11) empfohlen: eine anonyme Telefonberatung für Kinder und Jugendliche. Auch Eltern und Schulen finden hier „Erste Hilfe“, viele Infos, z.B. auch über Cybermobbing, sowie praktische Tipps wie das Schreiben eines Mobbingtagebuchs.
In der Süddeutschen Zeitung ist 2013 ein Artikel über den Zusammenhang zwischen Erziehungsstil und Mobbing erschienen.
Schüler gegen Mobbing ist eine Plattform gegen Mobbing mit vielen Infos, einem Austauschforum, Chat usw.