Teatime-Lesung am 17. September 2017 im Literaturzentrum Hamburg: Die Hamburger Sabine Peters stellte ihren neuen Roman »Alles Verwandte« vor und erzählte von ihrer Arbeit.
Handlung (von der Verlagsseite übernommen:Sabine Peters’ Roman entführt den Leser in den herbstlichen Süden, aber thematisiert werden die brennenden Fragen unserer Gegenwart, so beiläufig wie tiefsinnig.
Zwei Künstlerinnen in der urtümlichen Landschaft Portugals: Marie kommt aus Hamburg geflogen und besucht Lino, die vor Jahren von dort zurückgegangen war in das kleine Bergdorf Feital, aus dem sie stammt. So lange sind die beiden schon befreundet, nur ihre Ehemänner fehlen, sie gibt es nicht mehr.
Die Freundinnen schlendern durch Olivenhaine und steigen in verfallenen Bauernhöfen herum, beobachten Hund, Katze, Ziegen und Eidechsen, sprechen über Erinnerungen, über Kunst und Natur, über die Suche nach dem passenden Wort. Steine fallen vom Himmel oder werden in Vögel verwandelt. Die Felsen werfen Wellen und die Spinnen ihre Netze aus.
Künstler, Klempner und ein Augenarzt treten auf, der Esel des Nachbarn lässt rostige Schreie ertönen, und Linos Atelier ist ein Erinnerungsraum für sie und ihre Gäste. Bei Wildschweinbraten, Esskastanien- und Pilzernte geht es um die Eltern, Ehemänner, um die Großfamilie auf dem Lande und den Lauf des Lebens im Großen und Kleinen. Die hundertjährige Tante Celina gibt Anlass zur Sorge, ein Nashornkäfer gibt zu denken.
Sabine Peters hat einen Roman über eine Frauenfreundschaft geschrieben, über eine Nähe, die Jahrzehnte überdauert. Die Genauigkeit, mit der sie erzählt, findet auch in der dörflichen Abgeschiedenheit zu den großen, existenziellen Fragen, vielleicht gerade dort.
Die von Sabine Peters in ihrem Roman »Alles Verwandte« erzählte Geschichte über eine Frauenfreundschaft, die in Hamburg begann und seit Jahrzehnten fortdauert, trägt durchaus mehr als autobiographische Züge. Bilder der mit der Autorin befreundeten portugiesischen Künstlerin Maria Lino wurden während der Lesung im Rosensalon des Literaturhauses Hamburg ausgestellt.
Sabine Peters erzählt von zwei sehr verschiedenen Frauen und führt ihre Leser dabei auf eine Reise von Hamburg in das Bergdorf Feital in Portugal, wo Maries Freundin, Lino, einen Familienhof und ihr Künstleratelier unterhält. Dass diese Lino ein Mensch ist, der Menschen zur Kunst führen und auch scheinbar versteinerte Seelen wieder mit Leben füllen kann, zeigt diese im Roman meisterlich ausgearbeitete Szene:
»Einmal wöchentlich die Zeichenstunde, ohne Honorar für sie und kostenlos für die Alten. […] Ob die Leute im Raum überhaupt verstehen, was Lino sagt? Vielleicht sind sie längst alle taub. Oder dement. […] Neun trostlos verschlossene Eulengesichter. Marie sieht Hände, verhornt, vernarbt, geschwollen, verknöchert. Wurzelhände. Jeder der Alten trägt einen Ehering. […]
Das Bild aus Bildern, das entsteht, hat Ähnlichkeit mit Kinderzeichnungen. Und dann auch wieder nicht. Harte alte Fäuste halten kleine Stifte. […] Lino selbst macht gar nicht viel, scheinbar. Aus einem hingehuschten Hakenstrick entsteht das Maul von einem Hütehund. […]
Marie sieht in die Runde. Gerötete Wangen, Aufgeweckte Leute. Ungeübte Hände bei der Arbeit. Lauter aufmerksam offene Eulengesichter.«
Seite 89 – 92
Obwohl die Figur der Marie als Sabine Peters‘ Alter-Ego betrachtet werden kann, die in einigen Büchern der Autorin auftaucht, ist mit »Alles Verwandte« ein besonders persönliches Buch entstanden.
Über ihre Art zu arbeiten, sagte Sabine Peters während der Lesung:
»Ich war völlig perplex über den Ausgang – den wusste ich nicht.
Wenn ich das vorher wüsste und es darauf anlegen würde, für mich taugt das nicht. Aber da sind Schreiber ganz unterschiedlich.«
Im ziemlich steinigen Feital scheint die Zeit still zu stehen. Ob Sabine Peters von dem Zusammenleben mit den Tieren auf dem Hof oder vom Sammeln der Esskastanien erzählt, stets schafft sie die Gratwanderung zwischen unaufgeregten, leisen Tönen und großer Nähe und Intensität. Auf poetische Weise beschreibt sie das Aufeinandertreffen von Großstadt und Landleben, Gestern und Heute, Modern und Traditionell, Mann und Frau(en).
Fazit: Sabine Peters‘ Roman »Alles Verwandte« fängt seine Leser auf den ersten Seiten ein, umfängt wie eine warme Decke und lässt Parallelen zum eigenen Leben zu.
Wer keine Angst vor den Wundern der Stille und Langsamkeit hat, sollte es sich gemütlich machen, an den Namen von Linos Atelier „Temos tempos“ = „Wir haben Zeit“ denken und sich einfach mal Zeit für diesen Roman nehmen, mit dem Sabine Peters ihrer Freundin ein unvergessliches Portrait und ihren Lesern Augenblicke voll Glück, Dankbarkeit und Zufriedenheit schenkt.
Sabine Peters‘ Roman »Alles Verwandte« ist im Juli 2017 für EUR 20,00 im Wallstein Verlag erschienen, gebunden mit Schutzumschlag, 204 Seiten, ISBN 978-3835331303.
Über die Autorin: Sabine Peters, geb. 1961, studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie in Hamburg. Nach einigen Jahren im Rheiderland lebt sie seit 2004 wieder in Hamburg. Neben Romanen, Erzählungen, Hörspielen schreibt Sabine Peters auch Essays und Kritiken. Sie wurde ausgezeichnet u.a. mit dem Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, dem Clemens-Brentano-Preis, dem Evangelischen Buchpreis und dem Georg-K.-Glaser-Preis. 2016 erhielt sie den Italo-Svevo-Preis.
Laila Mahfouz, 21. Januar 2018
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