Literatur im Teehaus – Lesung am 10. März 2017 im Konfuzius-Institut Hamburg: Eva Lüdi Kong, die Übersetzerin des chinesischen Klassikers »Die Reise in den Westen«, erläuterte die Motive des Buches und berichtete von ihrer Arbeit an dem umfangreichen Buch.
Handlung (dem Verlagstext entnommen):
»Xiyouji«, »Die Reise in den Westen«, ist einer der vier klassischen Romane Chinas. Erzählt wird darin von vier Pilgern, die sich auf Geheiß des Kaisers auf den langen und gefahrvollen Weg in den Westen machen, um Buddha zu huldigen und heilige Schriften zu holen: der fromme Priester Tripitaka und seine Begleiter, Affenkönig Sun Wukong, Eber Bajie und der grässlich anzuschauende Sandmönch. Die drei haben einst im Himmel Missfallen erregt und wurden auf die Erde verbannt, um sich dort zu bewähren.
»Und wollt ihr nun jene Kräfte erkennen,
Welche des Daseins Kreislauf bestimmen,
So schätzt dieses Buch hier als eines der besten:
Die Erlösung vom Leid auf der Reise gen Westen.«
1. Kapitel, Seite 15
»Die Reise in den Westen« ist nicht nur in China, sondern auch in seinen Nachbarländern sehr populär. Neben Filmen gibt es zahlreiche Kinderbücher, Comics, TV-Serien und Videospiele, die den Stoff aufgreifen. Die bekannte Manga-Serie »Dragonball« basiert ebenfalls darauf. Derzeit plant der chinesische Erfolgsproduzent Zhang Jizhong eine Verfilmung als Trilogie in Zusammenarbeit mit James Cameron. Im Jahre 2007 wurde die Oper »Monkey: Journey to the West« in Manchester uraufgeführt.
Einerseits ist die Geschichte selbst unterhaltsam und komisch und bereitet daher auch Kindern Vergnügen, darüber hinaus ist »Die Reise in den Westen« aber ein besonders philosophisches und spirituelles Buch, das von Gelehrten weltweit geschätzt wird und welches mit seinen unterschiedlichen Ebenen das chinesische Weltbild entscheidend prägt.
Auf besondere Weise vereint »Die Reise in den Westen« den Buddhismus, den Taoismus und den Konfuzianismus zu einem Ganzen.
Dank Eva Lüdi Kongs Hartnäckigkeit und Liebe zum Stoff liegt der populärste Roman Chinas nun erstmals vollständig in deutscher Übersetzung vor. Die abenteuerliche Indienreise des buddhistischen Mönchs Xuanzang oder Tripitaka, die hier erzählt wird, dauerte siebzehn Jahre. In Indien, dem Ziel seiner Reise, will Tripitaka die Originale der buddhistischen Schriften studieren. Auch Eva Lüdi Kong arbeitete siebzehn Jahre an der Übersetzung und erlebte so ihre ganz eigene innere Reise in den Westen.
»Es geht immer um innere Vervollkommnung«,
sagte Eva Lüdi Kong im Konfuzius-Institut Hamburg.
Da die Übersetzerin nicht an Kommentaren sparte, die uns die fremde Kultur näher bringen, ist das Buch über 1.300 Seiten dick geworden. Angefangen hat Eva Lüdi Kong auf eigene Faust und aus reiner Liebe zum Buch. Nach einem Jahr Arbeit reichte sie den Anfang bei mehreren deutschen Verlagen ein, die ihre Absagen mit mangelnder Lesernachfrage begründeten.
Wie werden diese Verlage sich inzwischen geärgert haben, denn Eva Lüdi Kong hat nicht nur sehr verdientermaßen den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse für ihre Arbeit erhalten, »Die Reise in den Westen« wurde bisher mehrere tausendmal verkauft und im März 2017 bereits zum dritten Mal aufgelegt. Der Reclam-Verlag hat sicher keinen Fehler bei der Wahl dieses Stoffs gemacht, der ein absoluter Klassiker der Weltliteratur ist und als solcher bestens ins Konzept des Verlags passt.
Hauptpersonen des Buches sind der buddhistische Priester Tripitaka auf seinem Drachenpferd, der Eber Zhu Bajie, der Sandmönch Shaseng und allen voran der tatsächlich stets vorausschauende und voranschreitende Affenkönig Sun Wukong. Dieser zaubermächtige Affenkönig ist nicht nur die stärkste Identifikationsfigur, bei ihm laufen alle Fäden zusammen und es scheint sogar so, als führe er unser aller Schicksalsfäden in seinen Händen, eventuell ohne es selbst zu begreifen. In seiner Übermacht, seiner stets Chaos anrichtenden Unbeholfenheit und seinem dennoch weisen, ja fast allwissenden Wesen ähnelt er der Figur des Koyoten in der indianischen Kultur – teilweise taucht in beiden Lehren die gleiche Symbolik in Bezug auf diese Figur auf.
Das Buch teilt sich auf in einhundert Kapitel und den Anhang, der aus folgenden Teilen besteht: Das Pantheon der »Reise in den Westen«, Verzeichnis der Gottheiten und Nachwort.
Um ein Buch diesen Umfangs nicht noch schwerer werden zu lassen, hat der Reclam Verlag sich für sehr dünnes Papier entschieden, das dennoch keine Probleme beim Lesen bereitet. Das Buch ist in gelbes Leinen gebunden und mit einem Lesebändchen versehen. Eine Zeichnung des Affenkönigs schmückt den Buchdeckel und macht damit nochmals die Stellung dieser Figur als Hauptperson des Buches deutlich.
Fazit: Eva Lüdi Kong ist mit ihrer Übersetzung des chinesischen Klassikers »Die Reise in den Westen« ein Wunder gelungen. Hätte sie für ihre siebzehnjährige, unermüdliche und umfangreiche Arbeit den Preis der Leipziger Buchmesse nicht bekommen, würde ich den Entscheidungen dieser Jury fortan misstraut haben. Dieses Mammutprojekt, das die Übersetzerin praktisch im Alleingang, ohne Verlagsunterstützung durchgeführt hat, ist ein Lebenswerk, das noch viele, viele Generationen von Wissbegierigen der Literatur, Philosophie, Spiritualität und Sinologie begleiten wird. Diese Übersetzung wird fortbestehen, geliebt und verehrt werden, auch wenn wir alle schon lange nicht mehr auf dieser Erde weilen. Eva Lüdi Kong hat etwas geschafft, das nicht hoch genug geschätzt werden kann: Sie hat uns einen tiefen, intensiven Blick in eine Welt gewährt, die uns bisher fremd war. Sie hat eine Kultur erlebbar und verständlich gemacht, die wir ohne sie und ihre kenntnis- und umfangreichen Kommentare nicht hätten kennenlernen dürfen. An dieser Stelle meinen ganz herzlichen Dank für all die Arbeit, das Herzblut, die Geduld und Liebe, die Eva Lüdi Kong in die Übersetzung gesteckt hat. Auch wenn ich das Buch bisher nur angelesen habe, bin ich glücklich, es zu besitzen und mich Stück für Stück auf meiner Reise gen Westen vorzuarbeiten. Möge mich das Drachenpferd tragen, Bajie mit seiner Erfahrung und Sun Wukong mit seinem Mut und seiner Zauberkraft stets begleiten – ebenso alle anderen interessierten LeserInnen. Dieser Klassiker der Weltliteratur sollte in keinem Bücherregal fehlen!
Hier noch eine kurze Vorstellung des Buches durch Übersetzerin Eva Lüdi Kong:
»Die Reise in den Westen« (»Xiyouji« »西游记«) ist in der Übersetzung von Eva Lüdi Kong in deutscher Erstausgabe im Oktober 2016 im Reclam Verlag erschienen – ISBN 978-3150108796, gebunden (Hardcover mit Prägung sowie Lesebändchen), 1.320 Seiten mit 100 Holzschnitten, EUR 88,00./p>
Über die Übersetzerin: Eva Lüdi Kong lebt seit 25 Jahren in China. Ein frühes Selbststudium der chinesischen Sprache führte sie zur Fachrichtung Sinologie an der Universität Zürich, darauf folgten ein Studium der Kalligraphie und Druckgraphik an der China Academy of Art (BA) und ein Nachdiplomstudium der Klassischen Chinesischen Literatur an der Zhejiang University (MA) in Hangzhou. Eva Lüdi Kong arbeitete als Übersetzerin, Dolmetscherin und Forschungsassistentin sowie als Dozentin an Universitäten und Hochschulen in China und in der Schweiz. Heute ist sie als freischaffende Literaturübersetzerin und Kulturvermittlerin im Bereich der chinesischen Literatur und Philosophie tätig.
Laila Mahfouz, 18. Mai 2017
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