11. März 2017 im Theater Das Zimmer: Lars Ceglecki inszeniert »Misery« als beklemmendes Kammerspiel mit Konstanze Ullmer und Stephan Arweiler in den Hauptrollen: Ein intensives, spannungsgeladenes Erlebnis von der ersten bis zur letzten Minute!
Handlung (Text des Theaters): Nach einem Autounfall wird der verletzte Bestsellerautor Paul von der Einsiedlerin Annie gerettet. Alles scheint gut zu werden, denn Annie ist nicht nur Krankenschwester sondern auch ein großer Fan von Pauls Romanen. Als sie aber erfährt, dass Paul die Titelheldin seiner Romane, Misery, hat sterben lassen, verblasst die anfängliche Hilfsbereitschaft und wird zum beängstigenden Psychospiel: Paul findet sich, geschwächt und tablettenabhängig, einem ungleichen Kampf ausgesetzt, in dem Annie die Rückkehr ihrer geliebten Titelheldin fordert. Zuerst höchst subtil, dann immer offener lebt Annie ihre Bosheiten aus und Paul schreibt um sein Leben.
Basierend auf dem Roman von Stephen King wurde das Theaterstück von William Goldman adaptiert. Die Aufführung in Hamburgs kleinstem Theater ist auf jeden Fall gelungen. Wenn die sanft wirkende und bemutternde Krankenschwester Annie (Konstanze Ullmer) vor Wut explodiert, halten die Zuschauer den Atem an. Paul Sheldon (Stephan Arweiler), erfolgreicher Romanautor von acht Misery-Büchern, ist ihr hilflos ausgeliefert.
»Für Annie, die, in dem sie mich rettete, auch Misery rettete«
Diese Widmung, die Annie Paul in Band 9 seiner Misery-Reihe, »Misery’s Child« setzen lässt, ist Drohung, Prophezeiung und Hoffnungsschimmer zugleich.
Als die ehemalige Krankenschwester wirklich begreift, wie abhängig Paul von ihr ist und sie ihren Willen durchsetzen kann, lebt sie ihre Machtposition in grausamer Weise aus.
»Damals hab ich zum ersten Mal Misery entdeckt.
Sie kam, als ich sie am meisten gebraucht hab.«
Annie lebt allein auf ihrer Farm, doch eigentlich in der Welt der historischen Misery-Romane. Wie gefährlich diese Art von Eskapismus sein kann, in der man sich allzu leicht verlieren kann und damit die Tür zum eigentlichen Leben hinter sich verschließt, zeigt dieses Stück nebenbei auch. Immer wieder gibt es Momente, da Annie als verzweifelte, einsame und hilfesuchende Frau erscheint. Einerseits machen diese Augenblicke es schwierig, sie einfach in die Schublade des Bösen zu schieben, andererseits erschrecken ihre plötzlichen Ausbrüche, ihre gewalttätigen Handlungen und die sadistische Art ihres Denkens um so mehr. Konstanze Ullmer verkörpert diese komplexe Figur aufs Trefflichste. Stephan Arweiler als hilflos ausgelieferter Schriftsteller Paul Sheldon glänzt ebenfalls mit seinem intensiven Spiel. Nils Holger Koch ist in der Rolle des Polizisten zu sehen und schafft es trotz der wirklich kleinen Rolle, einen guten Eindruck zu hinterlassen.
»Sie wissen, dass ich Sie nicht gehen lassen kann.«
Nach und nach erkennt Paul Sheldon und mit ihm das Publikum, wie wahnsinnig Annie wirklich ist. Schließlich meint sie, Gott habe sie geschickt, um Paul wieder auf den richtigen schriftstellerischen Weg zu führen. Auch Paul wird bald klar, dass sie nicht ihn sondern seine Romanheldin Misery bewundert. Als Fan-Nummer 1 tut sie, was ihrer Meinung nach getan werden muss, um Paul zum Weiterschreiben zu zwingen und ihre Heldin so am Leben zu halten.
Fazit: Erwartet hatte ich spannende Unterhaltung, bekommen habe ich allerdings viel mehr. Dieses psychologische Kammerspiel lotet das Unverhältnis von Macht und Ohnmacht bestes aus. Verzweiflung, Wut, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Machtausübung – »Misery« lässt kaum eine negative Emotion aus. Und obwohl dieses Drama beklemmend wirkt, schafft es die feine Inszenierung immer wieder, die Zuschauer aufzufangen. Ein wirklich gelungener Theaterabend, der mit Stephen Kings »Misery« große Erwartungen weckte und ihnen gerecht wurde.
Übrigens: Stephen Kings bekannter Roman »Misery« (Titel der deutschen Romanausgabe »Sie«) wurde 1990 von Rob Reiner verfilmt, in den Hauptrollen James Caan und Kathy Bates, der diese Rolle einen Oscar® einbrachte. Die Theaterfassung wurde vom zweifachen Oscar®-Preisträger William Goldman, der auch schon das Drehbuch der Verfilmung verfasste, für den Broadway adaptiert. 2015 spielte die Rolle des hilflosen Paul Sheldon dann kein Geringerer als Bruce Willis. An seiner Seite trat Laurie Metcalf (vor allem bekannt aus der TV-Serie »Roseanne«) als Annie auf. Die Aufführung in Hamburgs Zimmertheater muss sich allerdings nicht verstecken und setzt das Stück gekonnt spannend um.
Laila Mahfouz, 16. März 2017
Links:
Eine Fotostrecke von Anders Balari finden Sie hier. (Wird in den nächsten Tagen vervollständigt.)
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