5. August 2015: Vera Rosenbusch und Dr. Lutz Flörke ließen zwei Mythen aufeinandertreffen: Paris und Gertrude Stein. Die beiden Literatur- und Naturentdecker stellten in ihrem Literarischen Salon Gertrude Steins Werk „Paris, Frankreich“ auf informative und unterhaltsame Weise im wunderschönen Landschaftspark des Schlosses Tremsbüttel vor.
Die gelungene Paarung von Literatur und Natur ließ mich leichten Schrittes und mit vor Vorfreude strahlendem Gesicht im Heckentheater ankommen. Schon der kurze Weg durch den Park machte neugierig. Auch die Sonne meinte es gut mit Gertrude Stein und ihren Zuhörern.
Schon mit der auf besondere Weise präsentierten Begrüßung wurde die Veranstaltung zu einer Literaturperformance der besonderen Art. Der Überblick, den Dr. Lutz Flörke und Vera Rosenbusch von Gertrude Steins Buch „Paris, Frankreich“ bieten, zeigt, wie sehr sich ihr Text dem Mainstream entzieht. Schon der Anfang des Buches macht deutlich, dass die Autorin mit allen Konventionen bricht.
Hier der Anfang als kleine Leseprobe, die zeigt, dass Gertrude Stein auch eine ganz besondere Auffassung zu Satzzeichen hatte:
„PARIS, FRANKREICH ist aufregend und friedlich.
Ich war erst vier Jahre alt als ich zum ersten Mal in Paris war und dort französisch sprach und dort fotografiert wurde und dort zur Schule ging, und Suppe zum Frühstück aß und Hammelkeule und Spinat zum Lunch, ich habe Spinat immer gemocht, und eine schwarze Katze sprang auf den Rücken meiner Mutter. Das war eher aufregend als friedlich. Ich habe nichts gegen Katzen aber ich mag es nicht wenn sie mir auf den Rücken springen. Es gibt sehr viele Katzen in Paris und in Frankreich und sie können tun was sie mögen, auf dem Gemüse sitzen oder zwischen den Lebensmitteln, drinbleiben oder hinausgehen. Es ist merkwürdig dass sie so wenig miteinander kämpfen wenn man bedenkt wie viele Katzen es gibt. Es gibt zwei Dinge die französische Tiere nicht tun, Katzen kämpfen nicht viel und schreien nicht viel und Hühner plustern sich nicht auf beim laufen über die Straße, wenn sie beginnen die Straße zu überqueren gehen sie einfach weiter wie es die Franzosen auch tun. Jeder der ein Auto fährt in Paris muß das wissen.“
Gertrude Stein, die im Alter von 58 Jahren erstmals mit ihrer Literatur Geld verdiente, erklärte, dass ein langer Satz ohne ein Komma, es dem Leser schwer macht, damit er sich wirklich mit ihm auseinandersetzen muss:
„And what does a comma do, a comma does nothing but make easy a thing that if you like it enough is easy enough without the comma. A long complicated sentence should force itself upon you, make you know yourself knowing it and the comma, well at the most a comma is a poor period that lets you stop and take a breath but if you want to take a breath you ought to know yourself that you want to take a breath. It is not like stopping altogether has something to do with going on, but taking a breath well you are always taking a breath and why emphasize one breath rather than another breath. Anyway that is the way I felt about it and I felt that about it very very strongly. And so I almost never used a comma. The longer, the more complicated the sentence the greater the number of the same kinds of words I had following one after another, the more the very more I had of them the more I felt the passionate need of their taking care of themselves by themselves and not helping them, and thereby enfeebling them by putting in a comma. So that is the way I felt about punctuation in prose, in poetry it is a little different but more so …„
Die beiden Literaturperformer Rosenbusch und Flörke umrissen Steins Biographie, erklärten ihre besondere Stellung in der Literatur und berichteten von ihrer Freundschaft zu Ernest Hemingway, Picasso und anderen Künstlern und von ihrem großen Einfluss auf die moderne Literatur und Bildende Kunst. Immer wieder lasen beide im Wechsel Ausschnitte aus „Paris, Frankreich“ und machten damit ein Stück hierzulande zu unrecht wenig beachtete Literatur durch ihre besondere Literaturinszenierung erlebbar.
„Darum müssen Schriftsteller zwei Länder haben.
Eins wohin sie gehören und eins in dem sie wirklich leben.
Das zweite ist romantisch, es ist getrennt von einem selbst,
es ist nicht wirklich aber es ist wirklich da.“
(Große Darstellung der Fotos durch Anklicken. Mehr Fotos zu dieser Veranstaltung finden Sie hier.)
Am Ende wurden alle Besucher in das Schlosscafé eingeladen, wo über das soeben Gehörte gemeinsam geplaudert und gestaunt werden konnte. Ein wunderbarer Abschluss für diese gelungene Veranstaltung.
Das Programm der Hamburger Literaturreisen umfasst Literarische Spaziergänge (z. B. auf dem Ohlsdorfer Friedhof, dem Hamburger Stadtpark, Planten un Blomen oder dem Jenischpark), Tagesausflüge oder Kurzreisen (z. B. nach Hannover-Herrenhausen oder Berlin) und Literaturperformances wie diesen Literarischen Salon. Diese Veranstaltungen finden je nach Thema und Jahreszeit drinnen oder draußen statt. Hier werden klassische literarische Werke dem Publikum nahegebracht. Auch im aktuellen Programm finden sich wieder viele interessante Veranstaltungen.
Kennen Sie den wunderschönen englischen Landschaftspark des Schlosses Tremsbüttel? Ein Besuch lohnt sich sehr. Im Anschluss an die Veranstaltung spazierte ich noch eine Weile durch den Park, lauschte den Grillen im Gras, genoss die Ruhe am See und sah dem sprudelnden Wasserspiel vor den in den See hängenden Zweigen der Trauerweiden zu. Der Duft der gerade blühenden Linden war so berauschend, dass ich gern noch länger geblieben wäre. Mächtige Buchen, Eichen, Kastanien, Lärchen und sogar eine große Ulme laden zum Besuch des Parks ein. Der Eintritt ist seit ein paar Jahren für die Allgemeinheit freigegeben. Ob am See, unter den einige hundert Jahre alten Bäumen oder im japanischen Garten, der ganze Park ist ein malerischer und verzauberter Ort, in dem die Seele auf Reisen geht und es sich hervorragend träumen lässt. Bestenfalls besuchen Sie eine der nächsten Literaturveranstaltungen vor Ort oder genießen Kaffee und Kuchen im Schlosscafé mit Blick auf den Park.
Fazit: Was für eine schöne Veranstaltung, die diesen Tag zu einem Erlebnis machte, das im Kalender und in der Erinnerung mit einer lächelnden Markierung versehen wurde. Ich kann jedem, der halbwegs gut zu Fuß ist, Natur und Literatur mag und sich etwas Besonderes gönnen möchte, nur raten, sich selbst einen solchen literarischen Leckerbissen zu gönnen. Auch als Geschenk sind diese Veranstaltungen immer sehr willkommen. Noch ist die graue Jahreszeit nicht da und die nächsten Termine stehen vor der Tür – nicht verpassen!
Laila Mahfouz, 8. September 2015
Links:
Die Fotostrecke zu dieser Veranstaltung finden Sie hier. Alle Fotos von Laila Mahfouz.
Die Website der Hamburger Literaturreisen finden Sie hier.
Wer mehr über die beiden Künstler wissen möchte, kann sich hier informieren.
Einen umfangreichen Artikel im Spiegel Online finden Sie hier.
Informationen zum Schloss Tremsbüttel finden Sie hier
Informationen zu Laila Mahfouz finden Sie hier.