20. Juni 2015 im Theater „Das Zimmer“: Der Regisseur Jan Holtappels und der Schauspieler Lars Ceglecki zaubern aus dem nur fragmentarisch ausgearbeiteten Text „Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ von Heinrich Heine ein glanzvolles Ein-Personen-Theaterstück.
Aus dem Theaterprogramm: Der junge Herr von Schnabelewopski reist nach Hamburg, um sich dort leidenschaftlich den Kaufmannstöchtern und den kulinarischen „Köstlichkeiten“ der Stadt zu widmen. Mit Sprachwitz und Ironie schickt Heinrich Heine seinen Antihelden auf eine Reise zwischen Traum und Wirklichkeit und der Suche nach sich selbst. Dabei trifft er auf den fliegenden Holländer, den heiligen Adalbert und jede Menge Rauchfleisch.
»Mein Vater hieß Schnabelewopski.
Meine Mutter hieß Schnabelewopska.
Ich wurde geboren den ersten April 1795 zu Schnabelewops.«
Nun mal ehrlich: Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, denn der Titel ließ weder die Tiefgründigkeit noch das Wechselbad der Gefühle erkennen. Einzig der Humor schien mir sicher, in Anbetracht des Namens Schnabelewopski, den Heine für sein Alter-Ego wählte. Neben Schwärmereien von gutem Essen und Liebeleien, die den jungen Herrn von Schnabelewopski zweifelsfrei sehr bewegt und umgetrieben haben, nahm er seine Zeit mit scharfer Zunge aufs Korn und stellte sich und uns philosophische Fragen.
»Was ist Liebe? Was ist Traum? Was ist Leben? Was ist Tod?«
Auf Heines Worten liegt kein Staub. Seine Schilderungen wirken erschreckend zeitgemäß. Kaum etwas scheint sich in unserer Gesellschaft wirklich verändert zu haben. Die Menschen sind noch immer so, wie von ihm gezeichnet und die Finanzgesellschaften regieren noch immer die Welt. Mit tiefgründigem Humor und messerscharfem Verstand zeichnet Heine seine Zeit und hält gleichzeitig unserer den Spiegel vor.
»Sag mir, was bedeutet der Mensch? Woher ist er kommen?
Wo geht er hin? Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?«
Obwohl Heine nur Fragmente von „Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ hinterlassen hat, wirkt diese Umsetzung wie aus einem Guß. Auch die dem Stück hinzugefügten Passagen, die sich auf aktuelle Geschehnisse beziehen oder Hamburger Geschichte noch bildhafter erlebbar machen, passen sich ein, sind kaum vom Originaltext zu unterscheiden.
Lars Ceglecki als Schnabelewopski zu sehen, war ein Erlebnis. Diejenigen Leser, die Angelika Landwehrs Arbeit auf dieser Bühne kennen (bis Sommer 2014 war sie hier noch mit ihrem „Theater in der Washingtonallee“ zu Hause), werden sicher verstehen, wenn ich schreibe: Diese Inszenierung wäre ganz in ihrem Sinne gewesen! Wie intensiv und bewegend Cegleckis Spiel war, erfahren Sie, wenn Sie unsere Fotostrecke anschauen. Sie finden diese hier. Schon anhand der folgenden drei Fotos wird die Bandbreite des Vollblutschauspielers offenbar.
Lars Cegleckis Darstellung bewegte!
Fazit: Hier waren Liebhaber des Theaters, der Literatur und der Gesellschaftskritik heute wie vor 160 Jahren am Werk. Jan Holtappels Inszenierung ist grandios und von Lars Ceglecki so ausdrucksstark umgesetzt, dass ein intensiveres Erleben Heines nicht möglich scheint. Eine Wiederaufführung sowie weitere Inszenierungen dieses Theaters werde ich nicht verpassen und kann sie nur wärmstens empfehlen. Nirgends sonst in Hamburg ist so viel Nähe, Interaktion mit dem Publikum und besonders auch ein anschließendes Gespräch zwischen Regisseur, Schauspieler und Zuschauer auf Augenhöhe möglich!
»Und ein Narr wartet auf Antwort …«
Laila Mahfouz, 22. Juni 2015
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