31. Dezember 2013 im kleinen Hoftheater Hamburg: Das alte Jahr wurde mit einem Bühnenstück der Extraklasse abgeschlossen, das noch bis 2. Februar begeistern wird: „Arsen und Spitzenhäubchen“
Inhalt: Die Villa Brewster in Brooklyn scheint eine Oase des friedlichen Glücks. Ob nun der Pfarrer oder die örtliche Polizei – alle schätzen die herzliche Gastfreundschaft der Schwestern Abby und Martha Brewster, auch wenn sie den irren Bruder in Kauf nehmen müssen, der sich für den Präsidenten Theodor Roosevelt hält. Der Neffe Mortimer ist gerade frisch mit der Tochter des Pfarrers verlobt, als er durch Zufall eine Leiche im Hause seiner Tanten entdeckt. Ist sein Onkel nicht so harmlos wie gedacht? Abby und Martha reagieren jedenfalls nicht ganz so wie von ihm erwartet. Schon bald muss ein weiterer Mord verhindert und eine gelieferte Leiche abgewimmelt werden. Ob Mortimer es schafft die Fäden zu entwirren, seine geliebten Tanten vor Unheil zu schützen und seine große Liebe nicht zu verlieren, müssen Sie selbst herausfinden.
Die beiden Leiterinnen des Theaters Claudia Isbarn und Petra Behrsing gingen in ihren Rollen als alte Damen Martha und Abby ganz auf und zeigten, mit welcher Freude sie auch finstere Pläne schmieden können. Das geschah aber mit so viel Charme und Liebenswürdigkeit, dass wir sie dennoch in unser Herz schlossen. Ebenso ging es ihrem Neffen Mortimer, hervorragend dargestellt von Marc Felske, der seine liebe Mühe hatte, seine Tanten im Zaum zu halten. Mit Sicherheit war es eine richtige Entscheidung, Marc Felske die Hauptrolle in diesem bekannten Bühnenstück anzubieten, zeigt er doch in jeder Szene, was in ihm steckt. Alle Emotionen wie Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Sorge, Panik, Angst und Überraschung spielte er sehr natürlich und ohne Übertreibung. Als seine Verlobte war Sandra Kiefer einmal mehr an seiner Seite, die auch in dieser kleinen Rolle ihre Bühnenpräsenz ausleben konnte.
Wolfgang Noack als verrückter Teddy Brewster alias Theodor Roosevelt war ein weiterer Genuß, der immer wieder für eine Überraschung sorgte. Seine ausdrucksstarke Mimik passte hervorragend zu der Rolle und seine Darstellung lockerte manch düstere Szene auf. Auch Anton Matheis war als Officer O’Hara absolut mitreißend. Er wurde keinen Moment müde, Mortimer von seinem Theaterstück zu erzählen und es mit großer Gestik und bunten Farben auszuschmücken. Richtig gut besetzt waren auch Dr. Einstein und Jonathan Brewster. Ralf Janz gelang es scheinbar spielend, die Filmrolle des Peter Lorre als Dr. Einstein sogar sprachlich zu übernehmen. Er behielt dennoch immer eine sehr eigene Art.
Schon aufgrund seiner Körpergröße von zwei Metern war Tom Pidde als Jonathan Brewster sofort respekteinflößend. Sein eindringliches Spiel lehrte sowohl Kollegen auf der Bühne wie Zuschauer unten im Saal das Fürchten. Andreas Püst als Sergeant Brophy und Michael Kaphengst als Pastor Harper, Mr. Witherspoon und Mr. Gibbs (diese Darstellung empfand ich als besonders eindringlich) rundeten das Bild ab.
Besondere Erwähnung soll heute auch die perfekte Ton- und Lichttechnik von Patrick Bieber finden. Die vom Regisseur Lars Ceglecki wieder besonders passend ausgewählte Musik tat ihr Übriges und schon mit den ersten Tönen und noch vor dem Öffnen des Vorhanges setzte Patrick Bieber alle Effekte so punktgenau, dass es eine Freude war.
Fazit: Eine alte Geschichte in neuem Kleid – eine überaus sehenswerte Darbietung von Joseph Kesselrings Theaterstück! Hervorragende Darsteller und eine perfekte Regiearbeit machen dieses Bühnenstück immer noch zu einem Erlebnis!
A. Baschelke, 1. Januar 2014
Nachtrag, 4. Februar 2014: Ich hatte das große Glück, die Premiere ebenso wie die Derniere dieser Inszenierung erleben zu können. Meine Begeisterung nach der Derniere war immens: Aufgrund der erheblichen Steigerung der darstellerischen Leistungen insbesondere von Marc Felske, Sandra Kiefer und Anton Matheis (viel Energie und Intensität!) hat das Stück sogar noch an Qualität gewonnen! Was für eine grandiose Besetzung und was für eine großartige Regiearbeit von Lars Ceglecki.
Links:
„Arsen und Spitzenhäubchen“ wird im kleinen Hoftheater noch bis 2. Februar 2014 jeweils freitags und samstags um 20 Uhr sowie sonntags um 16:00 Uhr gezeigt. Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des kleinen Hoftheaters.
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Mehr über den Photographen Anders Balari
Infos: Durch den mit Cary Grant in der Hauptrolle besetzten Spielfilm gleichen Namens (1941, Regie und Produktion Frank Capra) ist uns die Handlung bereits vertraut. Im Bühnenstück spielte Boris Karloff den Jonathan Brewster; im Film jedoch wurde Karloffs Rolle von Raymond Massey gespielt. Dieser wurde absichtlich so geschminkt, dass er Karloff ähnelt. Im englischen Original des Films wie auch im Theaterstück handelt es sich daher um einen zentralen Gag, dass sowohl die Tanten als auch Mortimer sagen, Jonathan erinnere sie an Boris Karloff. In der deutschen Synchronisation des Films wurde daraus Frankensteins Monster. Die Hauptdarsteller Josephine Hull (Abby), Jean Adair (Martha) und John Alexander (Teddy) wurden nur für acht Wochen von ihren Broadway-Verpflichtungen freigestellt, deshalb wurde der gesamte Film vom 20. Oktober bis 16. Dezember 1941 abgedreht.
Das Theaterstück wurde von Januar 1941 bis September 1944 am Broadway gespielt (1.444 Aufführungen). Warner Bros. hatten sich vertraglich verpflichtet mit der Uraufführung des Films zu warten, bis der letzte Vorhang gefallen war, daher fand die Filmpremiere erst am 1. September 1944 im Manhattan Strand Theatre statt.