14. September 2013 im Saal der GEDOK in Hamburg: Der Verband deutscher Schriftsteller veranstaltete die erste „Lange Nacht der Romananfänge“ und das Publikum kürte die drei besten Texte.
Alexander Rösler las aus seinem Roman “Ich bin nur mal kurz mein Glück suchen – Neues vom Taugenichts”. Moderation: Laila Mahfouz,
Foto: Anders Balari
Zum ersten Mal veranstaltete der Verband deutscher Schriftsteller, kurz VS, am gestrigen Abend eine „Lange Nacht der Romananfänge“ in Hamburg. Bis 15. Juli konnten sich Hamburger Autorinnen und Autoren mit einem Exposé und ihrem Romananfang bewerben. Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob das Werk bisher schon veröffentlicht wurde oder derzeit noch als unfertiges Manuskript besteht. Gerade auch Schriftstellern am Anfang ihres Weges sollte so eine Bühne geboten werden. Nur die Texte sollten allerdings entscheiden, ohne Ansehen der Person und so kam eine recht bunte Mischung an Autoren zustande, in der „alte Hasen“ gleichermaßen vertreten waren wie Autoren, die erst am Anfang Ihres Schaffensweges stehen.
Wir im Vorstand des VS in Hamburg waren überrascht über die vielen eingereichten Beiträge zu dieser Pilotveranstaltung. Daniela Boltres und ich lasen alle Texte und einigten uns dann über die besten und spannendsten Einsendungen. Alle Autoren sagten zu, ihre Texte während der „Langen Nacht der Romananfänge“ selbst zu lesen. Am Ende des Abends konnten alle Anwesenden über die besten Vorträge abstimmen und ich hatte die Freude, den Siegern ihre Sachpreise zu überreichen. Gefreut haben sich alle Lesenden, dass wir Ihnen – freundlicherweise unterstützt von der Kulturbehörde Hamburg – ein Honorar für den Abend zahlten. Auf diese Weise waren alle ausgewählten Autorinnen und Autoren schon vor der Prämierung durch das Publikum am Ende der langen Nacht Gewinner.
Daniela Boltres stellt die Autorin Hilkka Zebothsen (links) und ihren gelungenen Text „Konfettiregen“ vor. Foto: Anders Balari
So verschieden die Lesenden am gestrigen Abend waren, so unterschiedlich waren auch ihre Texte. Somit war für alle Zuhörer etwas dabei und nur wenigen wurde die Nacht zu lang, so dass sie nicht bis zum Abschluß um ca. 2:00 Uhr heute Morgen bleiben konnten. Während Hilkka Zebothsen („Konfettiregen“) und Dagmar Seifert („Lies mich!“) eine Familiengeschichte anpackten, die es in sich hat, hatten die Texte von Daniela Chmelik („Walizka“, 2012 bei asphalt&anders erschienen), Alexander Rösler („Ich bin nur mal kurz mein Glück suchen – Neues vom Taugenichts“), Andrea Schampier („Das Spiel in der alten Villa“, 2013 bei neobooks erschienen) und Tobias Sommer („Kurze Tage“) eine Hauptperson im Fokus. In allen Geschichten war allerdings schon am Anfang die Aussicht auf die Charakterentwicklung der Figuren spürbar.
Für Abwechslung sorgten Gino Leineweber und Heike Hoop, die beide mit keiner „normalen“ Fiktion zu uns kamen. Am Anfang von Gino Leinewebers Reiseroman „Im Land der großen Seen – Michigan“ (erscheint voraussichtlich im Oktober 2013) erinnert er an John Maynard, den Steuermann, der mir schon in der Schule durch Fontanes Gedicht regelmäßig eine Gänsehaut bescherte. Der gut recherchierte Text, der auch auf die aktuellen Zustände Detroits einging, ist nur ein Einstieg in eine faszinierende Welt, die uns durch Geschichten nah gebracht aber dennoch in weiter Ferne scheint. Heike Hoop überzeugte uns mit ihrer geistreichen Fabel „Der Schlangenpfad“ über Bären, die verlernt haben, Bären zu sein und sich von der Technik, der Industrialisierung von ihrem eigentlichen Wesen und von einem wahren Leben immer mehr entfernen lassen. Die Autorin hält uns allen den Spiegel vors Gesicht und erreicht damit genau, was eigentlicher Sinn und Zweck einer Fabel sein sollte. Mögen viele diesen Text lesen, verstehen und handeln!
Einfühlsam, sinnlich, verzaubernd – Andreas Buschmanns Harfenklänge ließen niemanden kalt.
Foto: Anders Balari
Authentische Charaktere, eindringliche Schilderungen, intensive Erlebnisse, geistreiche Reiseeindrücke und eine Fabel, die es in sich hatte, machten diesen Abend ebenso wie Andreas Buschmanns Harfenspiel zu einem besonderen Erlebnis. Der Harfenist rundete jede Lesung mit einem durch den Text des Autors inspirierten Stück ab und verzauberte seine Zuhörer jedes Mal aufs Neue, wenn er sich ganz auf das soeben Gehörte ein- und seine Finger wie von selbst über die Saiten seines schönen Instruments perlen ließ.
Am Ende des Abends wurden die Stimmzettel verteilt und sehr rasch ausgewertet. Trotz eines Kopf-an-Kopf-Rennens, standen die Sieger am Ende eindeutig fest: Tobias Sommer gewann den dritten Platz mit seinem eindringlichen Text „Kurze Tage“ (erscheint 2014 beim Wiener Septime Verlag) über einen Kriegsfotografen, der scheinbar alles schon erlebt und erreicht hat und doch vor seiner nächsten Aufgabe in einem Wald mit grausamer Geschichte scheitert. Alexander Rösler erhielt den zweiten Preis für seinen Roman „Ich bin nur mal kurz mein Glück suchen – Neues vom Taugenichts“ (erschienen 2008 im Arena Verlag), in dem er seine eigene Version des Eichendorffschen Motivs des Taugenichts darbietet. Den ersten Platz belegte Dagmar Seifert mit ihrer tragikomischen Familiengeschichte „Lies mich!“ (erscheint voraussichtlich 2014), in der eine Frau versucht, ihrem plötzlich geistig verwirrten und innerlich in seine Kindheit zurückgekehrten Bruder zu helfen.
Die Sieger des gestrigen Wettbewerbes
(v. l. Tobias Sommer – 3. Platz, Dagmar Seifert – 1. Platz und Alexander Rösler – 2. Platz) Foto: Anders Balari
Fazit: Ein ganz besonderer kultureller Abend, der ein Zeichen zur Förderung von vielversprechenden Schriftstellern setzte, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Die Resonanz war positiv und die Veranstaltung gut besucht. Wir freuen uns über das Ergebis, hoffen, dass es allen ebenso gut gefallen hat wie uns und freuen uns, solch eine Veranstaltung irgendwann zu wiederholen – eventuell ja auch als Matinee, um gerechterweise auch einmal den „Lerchen“ unter den Gästen und Lesenden entgegen zu kommen.
Danke an Daniela Boltres, die mit mir die Qual der Wahl unter den vielen guten eingereichten Texten hatte, für ihre Ko-Moderation des Abends, der uns beiden große Freude bereitet hat. Vielen Dank an alle Mitwirkenden, Autoren, Gäste und alle helfenden Hände, die diesen Abend zu einem so besonderen gemacht haben. Mein besonderer Dank, dessen Dringlichkeit mich auch nach dieser für mich sehr kurzen Nacht mit Leichtigkeit aus dem Bett gebracht hat, gilt Emina Kamber für ihre großartige Hilfe und ihren unermüdlichen Einsatz! Stand sie schon seit dem Nachmittag in der Küche, um die mit Gemüse, Wurst und Käse reicht gefüllten Platten vorzubereiten, so schien sie später wie durch ein Wunder überall zu sein, wo sie gerade gebraucht wurde. Auf diesem Weg daher nochmals meinen herzlichen Dank, Emina, dafür dass Du bist, wie Du bist!
Laila Mahfouz, 15. September 2013
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