5. April 2013 im kleinen Hoftheater: Die Rechnung ging auf, denn alle Plätze des Theaters waren zur Abfahrt des Raddampfers entlang des Nils belegt und das Publikum wurde nicht enttäuscht, denn mit an Bord waren reiche, berühmte, schrullige und mysteriöse Personen. Doch wem von ihnen ist ein Mord zuzutrauen?
Agatha Christie selbst adaptierte ihren Roman, der 1978 hochkarätig besetzt (Sir Peter Ustinov, Mia Farrow, David Niven, Angela Lansbury, Jane Birkin, Bette Davis, George Kennedy, Maggie Smith u.v.a.) verfilmt wurde, für die Theaterbühne. Die Bestseller-Autorin änderte bei diesem Genre-Wechsel eine Menge, doch gleichwohl funktioniert auch das Bühnenstück. Die Premiere fand zwar schon 1946 statt, doch an Emotionalität hat der Stoff auch heute noch nichts verloren.
Inhalt: Kay und Simon machen in ihren Flitterwochen eine kleine Weltreise, doch leider taucht Simons Ex-Verlobte Jackie, die einst auch Kays Ex-Beste-Freundin war, überraschenderweise überall dort auf, wo die Turteltauben sich niederlassen und verdirbt ihnen so ihre Eheidylle von Anfang an. Die Honeymooner sind daher mehr als zufrieden, als sie Jackie austricksen und an Bord eines Nildampfers gehen, um endlich einmal ungestört sein zu können. Nach Ablegen des Schiffs stellen sie jedoch fest, dass Jackie nicht auf ihren Ablenkungsversuch hereingefallen ist. Als die Situation eskaliert und ein Mord geschieht, ist Jackie die Hauptverdächtige. Doch zu ihrem Glück hat sie ein wasserdichtes Alibi. Doch welches Mitglied der merkwürdigen Reisegesellschaft hätte noch ein Motiv für den Mord haben können?
An Deck ist nicht alles, wie es sein sollte. (v. l. Bärbel Stieg, Ines Hubert, Norman Deppe, Marc Felske, Wolfgang Hartmann und Robert Lenkey) Foto: Anders Balari
Das Bühnenbild, das Deck des Nilraddampfers, auf dem die gesamte Handlung spielte, war wieder einmal sehr gelungen. Die Scheinwerfer vervollständigten die Illusion der warmen Wüstensonne und verursachten sofort ein Wohlgefühl. Als dann noch das offensichtlich verliebte Pärchen Simon und Kay die Bühne betrat, schien die Welt in Ordnung. Doch schon sehr bald merkte der Zuschauer, dass das perfekte Bild eine gehörige Schieflage hat. Lügen, Intrigen und unterdrückte Emotionen ließen sich hinter den hübschen Fassaden rasch vermuten. Die Besetzung von Henrike Fehrs als Jacqueline de Severac (Jackie) ist für das kleine Hoftheater ein absoluter Glücksfall. Die junge Schauspielerin verschmolz sofort mit ihrer Rolle der verlassenen, verbitterten, kämpferischen, verletzlichen und gefährlichen Frau und ließ alle Facetten ihres Könnens in ihre Rolle einfließen.
Im Gegensatz zu Norman Deppe, dem man nicht ganz den verliebten Ehemann Simon abnahm und der offenbar Probleme hatte, in seine Rolle zu finden, war Henrike Fehrs ganz in ihrem Element. Norman Deppes Spiel wirkte aufgesetzt, er schaffte es am Premierenabend leider nicht, sich in gewohnter Authentizität zu präsentieren. Das kleine Hoftheater verlangte dem Publikum viel Vorstellungskraft ab, als erklärt wurde, dass Gaby Wittpohl als Kay Mostyn eine Schulfreundin der immerhin wesentlich jüngeren Henrike Fehrs sein soll. Auch soll im Stück Jackie neben Kay verblassen, so wie „der Mond verblasst, wenn die Sonne aufgeht“. Dieser dramaturgisch wichtige und von Agatha Christie unter anderem zur Irreführung des Publikums ersonnene Aspekt, geht durch die Besetzungsentscheidung verloren. Es ist wenig glaubwürdig, dass Jackie neben Kay verblassen würde und Simon sie für seine Frau verlassen hätte. Auch zeigte Gaby Wittpohl weder das arrogante Verhalten der verwöhnten Tochter eines Industriellen, die immer bekommen und sich genommen hat, was sie wollte, noch die für diese Rolle notwendige Portion Charisma. Es war nicht erkennbar, ob dies auf die Regiearbeit zurückzuführen war oder am Spiel von Gaby Wittpohl lag.
Louise (Bärbel Stieg) berichtet Mr. Miller (Marc Felske) hysterisch, was sie gesehen hat. Foto: Anders Balari
Robert Lenkey als Pater Attenborough überzeugte in seiner Rolle als Kays Finanzverwalter und durchtriebener Fuchs, der nach dem Mord versucht, die Fäden zu entwirren. Großartig war Bärbel Stieg als Kays Zofe Louise, die sich mit ihrem französischem Akzent und dem wunderbar gespielten kessen Verhalten ein großes Lob verdient hat. Bärbel Stieg und auch Marc Felske als undurchsichtiger Mr. Miller füllten ihre Rollen mit viel Leben und brachten auch in stummen Momenten durch ihr hervorragendes Minenspiel viel zum Ausdruck.
Jackie (Henrike Fehrs) versucht Christina (Anja Frers) auf ihre Seite zu ziehen. Foto: Anders Balari
Auch Wolfgang Hartmann gelang die Darstellung des stets nervösen Dr. Agropulus sehr gut. Für einige Lacher, die dem Stück Antrieb und ein wenig Leichtigkeit verliehen, sorgten Ines Hubert als Miss Foliot-Foulkes und Anja Frers als Christina Grant, die einmal ganz entgegen ihres bei vorherigen Aufführungen bekannten sprühenden Temperaments überzeugend die sittsame, schüchterne und auch trudschige Jungfrau spielte.
Eine gebrochene Frau: Henrike Fehrs zieht alle Register und überzeugt mit Leichtigkeit.
Foto: Anders Balari
Fazit: Dem Schauspieler Jens Raygrotzki, der hier als Regisseur fungiert, gelingt trotz der oben genannten Kritikpunkte ein unterhaltsamer Krimi-Abend. Auch für diejenigen unter uns, die den Film kennen und lieben, ist die Aufführung des kleinen Hoftheaters sehenswert. Allein die mutige Darstellung Henrike Fehrs‘ Jackie, der das Biest ebenso gut gelingt wie die verletzte Seele, lohnt den Theaterbesuch. Nicht verpassen!
Laila Mahfouz, 7. April 2013
Links:
„Tod auf dem Nil“ wird im kleinen Hoftheater noch bis 28. April 2013 jeweils freitags, samstags und sonntags um 20 Uhr (sonntags um 16 Uhr) gezeigt. Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des kleine Hoftheaters.
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