31. August 2012 im kleinen Hoftheater Hamburg: Mit großem Ensemble begrüsste das kleine Hoftheater sein Publikum nach der Sommerpause und konnte mit dem brillant umgesetzten Komödienstück „Im weissen Rössl“ selbst eingefleischte Folklore-Verächter gewinnen! Eine turbulente Operette im wiederentdeckten, frechen Gewand der 30er Jahre – unbedingt eine Empfehlung!
Ob das wirklich Liebe ist? Josepha (Sonja Hebestadt) und Dr. Siedler (Jens Raygrotzki). Foto: Anders Balari
Zum Inhalt des Stücks: Hochsaison im „Weissen Rössl“ (am Wolfgangsee mitten im schönen Salzkammergut) – einzig der Zahlkellner Leopold behält einen kühlen Kopf und hat alles fest im Griff. Nur seine Liebe zu seiner Chefin Josepha bleibt unerwidert („Es muß was Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden“), denn sie freut sich schon auf ihren Stammgast, den Rechtsanwalt Dr. Siedler, den sie schon lange verehrt („Im weißen Rössl am Wolfgangssee, da steht das Glück vor der Tür“).
Auch der ewig nörgelnde Fabrikant Giesecke ist über das Erscheinen Dr. Siedlers nicht erfreut, denn er ist nicht nur der Anwalt seines Erzkonkurrenten Sülzheimer, sondern macht auch noch Gieseckes Tochter Ottilie den Hof („Die ganze Welt ist himmelblau, wenn ich in deine Augen schau“). Als auch noch Sülzheimer Junior (Sigismund) anreist, versucht Josepha Giesecke aufzumuntern („Im Salzkammergut, da ka’ mer gut lustig sein“). In strömendem Regen endet der erste Akt („Wenn es hier mal richtig regnet“).
Der Kaiser (Lars Ceglecki) beruhigt den liebeskranken Leopold (Norman Deppe).
Foto: Anders Balari
Der verzweifelte Leopold gesteht Josepha seine Liebe und wird, aufgrund seiner Weigerung, Dr. Siedler nach ihren Wünschen zu bedienen, entlassen. („Zuschau’n kann i net“). Sigismund wiederum hat sich schon auf der Zugfahrt ins Urlaubsparadies in das lispelnde Klärchen, die entzückende Tochter des sparsamen Prof. Hinzelmann, verliebt („Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist“). Schließlich versucht Kaiser Franz Joseph, Ordnung in das Durcheinander der Gefühle zu bringen („’s ist einmal im Leben so / andern geht es ebenso / was man möcht’ so gern / ist so fern“). Ob und wie dies gelingt, soll hier noch offen bleiben, aber am Ende erklingt jedenfalls ein Freudengesang dreier glücklicher Paare („Laßt uns Champus trinken mit lächelndem Gesicht“).
geliebt – entartet – verboten – verschollen – wiederentdeckt – wieder geliebt
Der selbstsichere Sigismund (Andreas Püst) und das schüchterne Klärchen (Natalie Renken). Foto: Anders Balari
Wie hätte ich ahnen können, was mich da erwartet? Das kleine Hoftheater kündigte „Im weissen Rössl“ für den Saisonbeginn an und mein erster Gedanke war „Ohje, eine Heimat-Klamotte“. Doch weit gefehlt. „Im weissen Rössl“ ist ein Werk aus den 30er Jahren, das so satirisch komisch war, dass es prompt von den Nationalsozialisten als „entartet“ gebrandmarkt und dann verboten wurde. Vermutlich haben die Namen der jüdischen Mitautoren den Ausschlag gegeben, aber auch die für unser heutiges Verständnis entzückend komische Badeszene zwischen Sigismund und Klärchen wurde als skandalös empfunden. Erst durch den Film (1960) mit Peter Alexander (der Arme kann allerdings auch nichts dafür) erhielt das „Weisse Rössl“ seinen für die 50/60er Jahre typischen Zuckergußüberzug, der dem frechen Stück seinen Witz nahm. 60 Jahre war die Originalfassung verschollen, deren plötzliche Wiederentdeckung 2008 für Furore sorgte. In Dresden wurde die Operette zum ersten Mal wieder in ihrer ursprünglichen Fassung aufgeführt. Das kleine Hoftheater setzt hier die alte Fassung modern interpretiert so brillant in Szene, dass kaum ein Auge trocken bleibt. Die Liedertexte von Robert Gilbert und die herrliche 30er Jahre Musik, speziell für diese Inszenierung neu arrangiert von Timo Riegelsberger, verursachen so manchen Ohrwurm, der sich tagelang festsetzt.
Stimmgewaltiges und bestens choreographiertes Theater auf der Bühne des kleinen Hoftheaters. Foto: Anders Balari
gelungene Komödie – perfekt einstudierte Choreographie – wunderbare Gesangsstimmen
Mit Norman Deppe als wunderbar österreichischem Leopold und Sonja Hebestadt als temperamentvolle Josepha sind der Regisseurin Petra Behrsing Glücksgriffe gelungen. Sonja Hebestadt wusste mit enormer Spielfreude, als gestresste und verliebte Wirtin zu überzeugen. Ihre gut ausgebildete, klare Gesangsstimme war ein Hochgenuss und lässt auf baldiges Wiederhören hoffen! Norman Deppe spielte den verliebten Kellner, der mit allen Mitteln versucht, seine Angebetete von sich zu überzeugen, mit viel Herzblut und dem Schmäh eines Wiener Obers. Sehr überzeugend und dennoch komisch waren seine verzweifelte Trauer über Josephas Zurückweisung, so dass ihm das Mitfühl des Publikums entgegen wogte. Seine Einfühlsamkeit kam besonders in den Liedern zum Ausdruck („Es muß was Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden“). Eine perfekte Besetzung!
Josepha (Sonja Hebestadt) weiß selbst den griesgrämigen Giesecke (Ulf Albrecht) mit ihrem Charme zu überzeugen.
Foto: Anders Balari
Herrlich in der Rolle des Fabrikanten Giesecke war Ulf Albrecht, der mit seinem Genörgel, dem grandiosen Berliner Akzent und der Lobpreisung Usedoms („In Ahlbeck wär det nich passiert!“) und Berlins viele Lacher auf seiner Seite hatte. Er findet sich scheinbar mühelos in der Berliner Sprache zurecht und schafft es, die Herzen der Zuschauer zu gewinnen, obwohl er immer nur über alles meckert. Das lustigste Paar aber war zweifelsohne der von sich immens überzeugte Sigismund, verkörpert von Andreas Püst, und die zum Verlieben süße Natalie Renken als das schüchtern lispelnde Klärchen (ebenfalls wunderbar als freches Stubenmadl). Beide Darsteller meistern die teilweise komplizierte Choreographie großartig und sorgen für viele Lacher. Natalie Renkens Gesten und perfekte Körperspannung zeugen von ihrer fundierten Tanzausbildung. Das tadellose Spiel und die schönen Stimmen von Jens Raygrotzki als Dr. Siedler und Claudia Bahr als Ottilie vervollständigten das Bild, sie verstanden es, aus ihren vergleichsweise unscheinbaren Rollen sehr viel heraus zu holen. Doch auch in den weiteren Nebenrollen war das Stück wunderbar besetzt, so dass keinerlei Schwächen entstanden. Martin Mertens spielt Prof. Hinzelmann so überzeugend, dass ich ihm noch einige weitere Gläschen Rotwein und viele Reisen wünschte (eventuell finanziert diese ja der Schwiegersohn in spe?). Robin Koger als der gewitzte Piccolo passt ebenfalls sehr gut in die Rolle und harmoniert wunderbar mit Norman Deppe (Leopold). Das Ass im Ärmel von Petra Behrsing war Lars Ceglecki als Kaiser Franz Joseph, der nicht allzu viel zu sagen hatte, aber eine enorme Wirkung auf alle ausübte und die Zuschauer mit seiner Kaiserimitation begeisterte, vor allem auch mit dem Running Gag „Es war sehr schön. Es hat mich sehr gefreut.“ nebst der vertrauten kaiserlichen Grußgeste.
Im weissen Rössl ist immer was los… Fabrikant Giesecke (Ulf Albrecht) und das Stubenmadl (Natalie Renken) Foto: Anders Balari
Sehr gut ausgebildete Schauspieler, Tänzer und Sänger sind es, die das Hoftheater seinem begeisterten Publikum am Premierenabend servierte. Unter der musikalischen Leitung von Timo Riegelsberger und der Choreographie von Norman Deppe (Leopold) gelang es der Regisseurin, das Beste aus allen Darstellern heraus zu holen, so dass sich neben den ausdrucksstark gespielten Szenen (Bitte unbedingt die restlichen Fotos anschauen!) auch alle Tanz- und Gesangseinlagen wirklich sehen und hören lassen konnten. Im Trailer sehen Sie überzeugende Beispiele der mitreißenden Lieder und gelungenen Choreographie. Hier stimmte jeder Ton und jeder Schritt – ich bin begeistet von so viel Professionalität und Perfektion auf der Bühne eines kleinen privat geführten Theaters, dem ich noch mehr Publikum wünsche, das sich durch die Fahrt nach Hamburg-Horn nicht abschrecken lässt.
Eine besondere Erwähnung wert ist auch das wie immer hervorragend umgesetzte Bühnenbild von Jörg-Michael Müller, der für „Im weissen Rössl“ u.a. ein 60 Quadratmeter großes Wandgemälde mit einer idyllischen Waldlandschaft anfertigte, das als Hintergrund mehrerer Szenen genutzt wurde.
Auch Wolfgang Neruda, Geschäftsführer des Verlags Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten GmbH (mit der der Aufführungsvertrag für die Operette besteht) und sein Team lobten als Gäste der gestrigen Premiere besonders die schönen Gesangsstimmen und die „vielen Einfälle der Inszenierung“ wie zum Beispiel die Auf- und Abgänge durch den Zuschauerraum, die das Publikum mit viel Freude quittierte. Es sind gerade die liebevollen Details, die Aufführungen im Hoftheater immer zu einem Erlebnis machen.
Fazit: Ein gelungenes Gesamtwerk! Eine musikalische Komödie, bei der alles stimmt und eine Aufführung, die sich vor keinem der größeren Theater verstecken muss. Unbedingt empfehlenswert für alle, die einmal wieder einen Abend herzhaft lachen und mit lustig bunten Erinnerungen nach Hause gehen wollen.
Laila Mahfouz, 1. September 2012
Links:
„Im weissen Rössl“ wird im Hoftheater Hamburg jeweils Do – So noch bis einschließlich 14. Oktober gezeigt. Nähere Informationen zum aktuellen Stück, zum Theater und den nächsten Aufführungen finden Sie auf der Seite des kleinen Hoftheaters Hamburg.
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