14. Juni 2012: Bekannt ist Felicitas Hoppe für ihre besondere Sprache, ihren feinen Humor und ihre phantasievollen Bilder, denn sie ist in der Lage, mit wenig Worten viel zu sagen. Ihre gerade veröffentlichte „Traum-Autobiographie“, in der sie ein ganz anderes Leben der Felicitas Hoppe zeichnet, stellte sie im Literaturhaus vor und beantwortete dazu Fragen von Hubert Spiegel.
Inhaltsbeschreibung – übernommen von der Verlagsseite: Als Leben zu kurz, als Roman zu schön, um wahr zu sein: Das Beste, was bislang über Hoppe geschrieben wurde! „Hoppe“ ist keine Autobiographie, sondern Hoppes Traumbiographie, in der Hoppe von einer anderen Hoppe erzählt: von einer kanadischen Kindheit auf dünnem Eis, von einer australischen Jugend kurz vor der Wüste, von Reisen über das Meer und von einer Flucht nach Amerika. Hoppes Lebens- und Reisebericht wird zum tragikomischen Künstlerroman, mit dem sie uns durch die Welt und von dort aus wieder zurück in die deutsche Provinz führt, wo ihre Wunschfamilie immer noch auf sie wartet. Eine Geschichte über vergebliche Wünsche, gescheiterte Hochzeiten und halbierte Karrieren. Und über das unbestreitbare Glück, ein Kind des Rattenfängers aus Hameln zu sein.
Nach der Begrüßung durch Dr. Rainer Moritz, Leiter des Literaturhauses Hamburg, stellte Hubert Spiegel (Foto rechts) Felicitas Hoppe vor und gab den fast 200 Gästen einen Überblick über das Werk der Künstlerin. Spiegel zeigte sich sichtlich erfreut über die Zusammenarbeit mit der Autorin und den zahlreichen Referenten, die sich während der letzten zwei Tage im Rahmen der Hamburger Vorlesungsreihe zum Thema „Abenteuer.Welten.Reisen“ mit Felicitas Hoppe und ihrem Werk beschäftigt haben. Die diesjährige Gewinnerin des Georg-Büchner-Preises hatte unter dem Motto „Jedes Jahr im Mai kommen die Friseure“ aus ihren Werken gelesen und über den Zusammenhang von Reisen und Schreiben berichtet. Diese Lesung im Literaturhaus aus ihrem neuen Roman „Hoppe“ bildete den glanzvollen Abschluss der gut besuchten, internationalen Tagung.
„Nimm nie in die Hand, was du nicht selbst erfunden hast!“
Wo aber hört die Lüge auf, wo fängt die Wahrheit an oder umgekehrt? Doch ist das eigentlich wichtig? Warum sollte ein ersehntes, ein „nur“ geträumtes Leben nicht ebenso wertvoll und damit Gegenstand einer Autobiographie sein? Nachdem sich Felicitas Hoppe in ihren Werken lange Jahre mit historischen Persönlichkeiten beschäftigt hat, fand sie es an der Zeit, endlich mehr über sich selbst in Erfahrung zu bringen. „Hoppe“ ist also weder eine Autobiographie, die der materielle Körper der Felicitas Hoppe erlebt hat, noch eine Lügengeschichte. Vielmehr ist es humor- und phantasievolle Auseinandersetzung der Autorin mit sich selbst. Sie habe eine Autobiographie schreiben wollen, erzählt die Autorin, nahm sich vor, ihr eigener Biograph zu werden und entdeckte rasch, dass sie ihr Leben schrieb, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Eine Autobiographie zu schreiben, sagte Felicitas Hoppe, heiße „in Teilen zu verstehen, wer man selbst ist“. Die Schriftstellerin ist sich sicher, dass die Welt der Wünsche und Phantasien mehr über einen Menschen aussagt als die distanzierte Form des Curriculum Vitae und so ist „Hoppe“ trotz des „nur“ erdachten Lebens Felicitas Hoppes persönlichstes Werk.
Felicitas Hoppe bedankte sich bei den Teilnehmern der Tagung, denn diese Erfahrung habe den Raum ihres doch manchmal einsamen und eigenbrötlerischen Lebens als Schriftstellerin geöffnet und sie beflügelt. (v. l. Hubert Spiegel und Felicitas Hoppe) Foto: Anders Balari
„Wozu ein Charakter, wenn man stattdessen ein Typ sein kann?“
Hubert Spiegel fragte Felicitas Hoppe, ob sie manchmal denke, „Mist, jetzt ist mir einer draufgekommen!“, wenn zwischen dem wirklichen Leben der Autorin und der Romanfigur „Hoppe“ Parallelen gefunden werden. Darauf erwiderte die Künstlerin schelmisch: „Ich habe nichts zu verbergen, also kann man mir auch nicht draufkommen!“ In wie weit Hoppe nun zu einer „Hoppe-Figur“ geworden sei, wie z. B. schon historische Personen wie Johanna von Orleans vor ihr, wollte Hubert Spiegel von der Autorin wissen. „Ja“, lächelte sie verschmitzt, „Hoppe ist ganz sicher eine Hoppe-Figur geworden. Auch Hoppe hat Eigendynamik entwickelt wie alle anderen Figuren auch.“ Was es heiße, dem eigenen Selbst auf diese Weise zu begegnen, fragte Spiegel weiter. Felicitas Hoppe erklärte, die Figuren immer in eine andere Landschaft zu stellen, damit die Konturen deutlicher hervortreten würden. Die Figur bliebe immer dieselbe, egal wo sie sich befände. „Ich könnte Hoppe auf den Mond schießen und würde sie nicht los werden.“ Als Essenzen, ja als „literarische Brühwürfel“ bezeichnete Felicitas Hoppe Märchen und Sagen. Was sie als gebürtige Märchenstädterin aus Hameln an Märchen fasziniere, beantwortete sie mit der Mischung aus Schrecken und Schönheit und damit, dass Phantasie nicht Erfindung, sondern Verwandlung sei.
„Ein Narr, der glaubt, dass Wünsche und Träume den geringeren Teil des Lebens ausmachen.
Es ist wirklich eher umgekehrt.“
Vielleicht hat die Romanfigur „Hoppe“ Felicitas Hoppe nun aber doch ausgetrickst, denn die Autorin berichtete, dass es ihr größtes Anliegen gewesen sei, festzustellen, warum die einen im Leben mitkämen, während die anderen auf der Strecke blieben. Wie sie sagte, sei sie der Erkenntnis dessen noch nicht auf die Spur gekommen, beantwortete später jedoch Hubert Spiegels Frage, wie sie ihre eigene Entscheidung hinsichtlich der Auswahl der historischen, fiktiven oder heute existierenden Romanfiguren träfe, mit den Worten: „Wenn einer gut aussieht und einen schönen Namen hat, dann kommt er rein.“ Leider, so scheint es, gilt dies in hohem Maße für alle Bereiche des Lebens und meiner Meinung nach ist Felicitas Hoppe mit dieser Aussage schon durch den Zielreifen ihrer eigene Suche gesprungen.
Fazit: Eine gelungene Veranstaltung mit einer wortgewaltigen und verspielt humorvollen Autorin, der gelegentlich der Schalk im Nacken zu brennen schien. Als Zuhörer bekam ich Lust, sofort alles zu lesen, was Felicitas Hoppe je geschrieben hat und vermutlich werde ich es auch tun. Einziger Wermutstropfen des Abends: Leider wurden die Türen zum Garten nicht geöffnet, obwohl auch die Autorin gleich anfangs darauf hinwies, dass der Raum sehr warm war. Trotz der hervorragenden Unterhaltung war es selbst in unserem verregneten Hamburger Juni mit so vielen Menschen in einem fast geschlossenen Raum nur schwerlich auszuhalten.
Über die Autorin: Die 1960 in Hameln geborene Autorin lebt als freie Schriftstellerin in Berlin. Sie studierte unter anderem Literaturwissenschaften und wurde für ihr Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Aspekte-Literaturpreis, dem Bremer Literaturpreis, dem Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim, dem Rattenfänger-Literaturpreis und zuletzt dem Georg-Büchner-Preis. Nach diversen Poetikdozenturen und Gastprofessuren hat Felicitas Hoppe im Sommersemester 2012 die von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius geförderte Hamburger Gastprofessur für Interkulturelle Poetik inne.
„Hoppe“ von Felicitas Hoppe ist erschienen im S. Fischer Verlag für EUR 19,99, gebunden, 336 Seiten, unter ISBN 978-3100324511.
Laila Mahfouz, 17. Juni 2012
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Informationen zu Felicitas Hoppe
„Hoppe“ beim S. Fischer Verlag
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den mit 50.000 Euro dotierten Georg-Büchner-Preis 2012 an die Schriftstellerin Felicitas Hoppe
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Informationen zu Laila Mahfouz
Informationen zu dem Photographen Anders Balari