3. Oktober 2015 im Velvets Theater Wiesbaden: Ein schwarzer Raum, wunderschöne Figuren, die in ihm zu schweben scheinen wie im Traum – das Velvets Theater lässt Antoine de Saint-Exupérys zeitlose Erzählung vom kleinen Prinzen und seiner Suche nach Freunden wahr werden und schenkt den Zuschauern einen märchenhaften Abend und wunderschöne Erinnerungen.
Handlung: Antoine de Saint-Exupéry lässt seinen Erzähler mitten in der Sahara mit dem Flugzeug notlanden und dort auf den kleinen Prinzen treffen. Dieser stammt von einem winzigen Asteroiden und ist auf der Suche nach Freunden nun auf der Erde gelandet. Dem Piloten berichtet er von seinen Erlebnissen. Auf seiner Reise zu anderen Planeten hatte er viele einsame Leute getroffen: einen König, einen Eitlen, einen Alkoholiker, einen Geschäftsmann, einen Laternenanzünder und einen Geografen. Auf der Erde war er bislang einer Schlange und einem Fuchs begegnet und hat von beiden eine Menge über die wesentlichen Dinge des Lebens erfahren. Aus Heimweh zu seinem kleinen Planeten und einer einsamen Rose, verlässt er den Erzähler und kehrt zu den Sternen zurück.
»Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast,
sie macht deine Rose so wichtig.«
Für das Schwarze Theater wurde die berühmte Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry (gerade übrigens in neuer Übersetzung des Schweizers Peter Stamm erschienen) von Bedřich Hányš und Dana Bufková bearbeitet. Alles Wesentliche des Buches ist enthalten und auch der zarte Charakter der Erzählung und die Besonderheit der einzelnen Figuren bleiben unverfälscht bestehen. Durch die scheinbar aus dem Nichts auftauchenden Gestalten, die sich fast schwerelos durch den Raum bewegen, wird der Zuschauer von der ersten Minute an verzaubert. Die Musik von Debussy, Paganini, Rossini u. a. wirkt wie maßgeschneidert und unterstreicht die märchenhafte Inszenierung. Das Schwarz aus dem alles kommt, gleicht dem Weltall, der Nacht in der Wüste, der Gedanken- und Gefühlswelt, in der stetig neue Ideen auftauchen. Sie macht die Konzentration auf die Handlung, die Aufnahme der Bilder ins Herz so leicht. Ich habe Schwärze noch nie mehr geliebt, als an diesem Abend in Wiesbaden, denn sie machte in Verbindung mit den geschickt eingesetzten Lichtern und den perfekt bewegten Puppen die Illusion vollkommen.
Was ist Schwarzes Theater?: Auf einer mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Bühne führen schwarz vermummte Spieler Puppen und andere Gegenstände durch eine schmale Lichtgasse, so werden die vom Scheinwerferkegel getroffenen Objekte für das Publikum sichtbar, während die Puppenspieler im Dunkel verborgen bleiben. Die erstaunlichsten Effekte lassen sich erzeugen, wenn sich Gegenstände wie von selbst im Raum bewegen oder unvermittelt auftauchen und verschwinden.
Das Velvets Theater wurde 1967 von Bedřich Hányš und Dana Bufková in Prag gegründet, doch bereits 1968 nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die ČSSR verließen sie ihre Heimat. Waren sie in den folgenden Jahren mit ihren besonderen Aufführungen an vielen europäischen Theatern, so wurden sie 1996 in Wiesbaden endlich sesshaft und bescheren dem Publikum dort seither zauberhafte Theatererlebnisse. Inzwischen führt ihre Tochter Barbara Naughton, die den Spielplan um einiges erweitert hat, das Lebenswerk ihrer Eltern fort. Derzeit sind u. a. so unterschiedliche Werke wie »Momo«, »Die Zauberflöte« und »Grenzen-Los« zu sehen. Ein Programm für Jung und Alt.
Antoine de Saint-Exupéry hat sein „Kinder-„buch selbst illustriert. Die bekannten liebevoll und magisch gezeichneten Bilder hat Marianne Fink nach Entwürfen von Ursula Gielnik wunderbar gestaltet. Die Puppen, Ganzkörperkostüme und Masken wirken einerseits wie aus einer anderen Welt und dennoch so nah, vertraut und lebendig. Auch die Stimmen passen wunderbar. Von dieser perfekten Komposition könnte nur ein Mensch ohne Vorstellungskraft und ohne ein Fünkchen Kindlichkeit nicht verzaubert werden. Das Publikum kann vollends in die Welt der Magie eintauchen, in der alles in Frage gestellt wird, außer der Gewissheit, dass alles möglich ist.
Die Puppen wurden so wunderbar geführt, dass sie schon nach kurzer Zeit zum Leben erwachten. Sandra Kiefer, die für die Puppe des kleinen Prinzen zuständig war, verschmolz mit der Figur und „ließ sich von ihr führen“. So war es für Lars Ceglecki, der den Piloten spielte, gewiss leichter, sich ganz der Geschichte, der Begegnung mit dem Prinzen hinzugeben. Sein Spiel und die Worte Saint-Exupérys rührten mich zu Tränen.
»Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.«
»Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«
Was der Fuchs den kleinen Prinzen lehrt, ist so unendlich viel mehr als die einfache Bedeutung der Worte. Ich wünsche jedem Leser ein paar Minuten, in denen er sein Herz weit macht und den Worten erlaubt, ihre vollkommene Bedeutung zu enthüllen.
Fazit: »Der kleine Prinz« im Velvets Theater ist ein poetisches Märchen, an das zu glauben nicht schwer fällt. Ich habe nie etwas Vergleichbares gesehen und doch will es mir nicht recht gelingen, die Magie der Aufführung in Worte zu fassen, so kann ich nur raten: Fahren Sie nach Wiesbaden und lassen Sie sich selbst verzaubern!
Laila Mahfouz, 11. Oktober 2015
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