7. November 2012: Ursula Krechel las aus ihrem preisgekrönten Roman „Landgericht“ im Paschen Literatursalon
Jan Paschen begrüßt Ursula Krechel und Stephan Lohr im Literatursalon Paschen.
Foto: Anders Balari
Die Jury des Deutschen Buchpreises hat sich entschieden. Ursula Knechel setzte sich mit ihrem Roman „Landgericht“ gegen fünf andere Neuerscheinungen durch. Die Finalisten der Shortlist waren Wolfgang Herrndorf mit „Sand“, Clemens J. Setz mit „Indigo“, Ernst Augustin mit „Robinsons blaues Haus“, Stephan Thome mit „Fliehkräfte“ und Ulf Erdmann Ziegler mit „Nichts Weißes“. Wie schon vor Monaten angekündigt lud der Literatursalon Paschen auch 2012 die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises ein, bei einer Lesung in Hamburg ihr Buch vorzustellen. Der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt und viele Literaturfreunde freuten sich auf einen Auszug aus „Landgericht“ wie auf das von Stephan Lohr geführte Gespräch mit der Autorin.
Inhalt (den Verlagsseiten entnommen): Was muss einer fürchten, was darf einer hoffen, der 1947 aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrt? Nach ihrem gefeierten, 2008 erschienenen Buch »Shanghai fern von wo« geht Ursula Krechel mit ihrem neuen großen Roman „Landgericht“ noch einmal auf Spurensuche. Die deutsche Nachkriegszeit, die zwischen Depression und Aufbruch schwankt, ist der Hintergrund der fast parabelhaft tragischen Geschichte von einem, der nicht mehr ankommt. Richard Kornitzer ist Richter von Beruf und ein Charakter von Kohlhaas’schen Dimensionen. Die Nazizeit mit ihren absurden und tödlichen Regeln zieht sich als Riss durch sein Leben. Danach ist nichts mehr wie vorher, die kleine Familie zwischen dem Bodensee, Mainz und England versprengt, und die Heimat beinahe fremder als das in magisches Licht getauchte Exil in Havanna. Ursula Krechels Roman lässt Dokumentarisches und Fiktives ineinander übergehen, beim Finden und Erfinden gewinnt eine Zeit atmosphärische Konturen, in der die Vergangenheit schwer auf den Zukunftshoffnungen lastet. Mit sprachlicher Behutsamkeit und einer insistierenden Zuneigung lässt »Landgericht« den Figuren späte Gerechtigkeit widerfahren. »Landgericht«, der Roman mit dem doppeldeutigen Titel, handelt von einer deutschen Familie, und er erzählt zugleich mit großer Wucht von den Gründungsjahren einer Republik.
„Ich bin jemand, die sehr gerne die Formen wechselt.“
Ursula Krechel hat zum Schreib-Marathon erst spät Lust bekommen, wie sie sagt.
Foto: Anders Balari
Wie schon in ihrem gefeierten, 2008 erschienenen Roman „Shanghai fern von wo“ ist Ursula Krechel auch in „Landgericht“ der deutschen Geschichte auf der Spur. „Landgericht“ handelt von der Rückkehr Richard Kornitzers aus dem Exil in Havanna. Der Protagonist versucht wieder Fuß zu fassen in einem Land, aus dem er einst floh. Nach zehn Jahren findet ein Wiedersehen mit seiner Frau statt, über das sie sich beide sehr freuen. Schön ist diese von Frau Krechel im Literatursalon Paschen vorgelesene Szene der ersten Begegnung der beiden am Bahnhof. Die Wiederherstellung einer Familie will Richard Kornitzer dennoch nicht glücken und so stürzt sich der Richter intensiv darauf, dass ihm Wiedergutmachung widerfährt.
Die gelesenen Ausschnitte gaben einen guten Eindruck von den Personen und vom beständigen Sprachstils des Buches. Die Figur des Richard Kornitzer hat die Autorin einer realen Person nachempfunden. „Die Literatur füllt die Lücken der Recherche“, erklärt Ursula Krechel, die Jahre in die Spurensuche für diesen Roman investierte.
Fazit: Ich persönlich hätte mir als Gewinner des Buchpreises einmal wieder einen Roman gewünscht, der ein weniger abgenutztes Thema behandelt – derer gab es viele, auch auf der Longlist. Dennoch möchte ich einer sympathischen Autorin gratulieren, die einen handwerklich soliden und in langjähriger Arbeit recherchierten Roman abgeliefert hat, der sicher gebührende Aufmerksamkeit verdient.
Zur Autorin: Ursula Krechel wurde 1947 in Trier geboren. Nach der Promotion in Literaturwissenschaft arbeitete sie einige Zeit als Journalistin und Dramaturgin beim Theater. 1973 hat sie sich dann als freie Autorin und Universitäts-Dozentin niedergelassen. Die Autorin hat Lyrik und Prosa verfasst. Hier finden Sie eine Übersicht Ihrer Werke.
Hören Sie die Lesung vom 7. November am Sonntag 11. November 2012 ab 20:05 Uhr im Sonntagsstudio von NDR Kultur (in Hamburg empfangen Sie NDR Kultur auf 99,2).
Ursula Krechel „Landgericht“, gebunden 492 Seiten, erschienen beim Jung und Jung Verlag für EUR 29,90 unter ISBN 978-3990270240.
Laila Mahfouz, 9. November 2012
Links:
Informationen zu Ursula Knechel
Website des Deutschen Buchpreises mit der Gewinnerin 2012, Ursula Knechel
Website des Paschen Literatursalons
Die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012
Die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012
Informationen zu Laila Mahfouz
Informationen zum Photographen Anders Balari