18. August 2012. Die Band „Paradogs“ aus Wolfenbüttel verzauberte in kleiner Besetzung im Brückeneck Hamburg mit einer magisch anmutenden, poetischen Atmosphäre und entsprach damit in mehrfacher Hinsicht dem Wortspiel, das aus paradox eben „Paradogs“ macht.
„Paradogs“ in kleiner Besetzung, von links nach rechts mit Volker Wendt (Gesang, Gitarre, Rezitation), Gudrun Peter (Gesang, Glas, Bongos) und Volker Itze (Harfe, Flöte, Bansuri). Foto: Marc Rieger.
Im Hamburger Brückeneck erklang am 18. August 2012 irgendwann nach 20 Uhr ein schwebender, hoher Ton, der an eine Synthesizer-Fläche erinnerte, dann aber doch irgendwie anders anmutete. Es blieb kaum Zeit, um dieses klangliche Rätsel zu lösen, denn kurz darauf setzte ein sehr schöner und mystischer Gesang ein. Es war eine glockenhelle Frauenstimme und die Musik nicht verortbar, weder im Rahmen der heute weitestgehend dominierenden Musikstile noch hinsichtlich ihrer Quelle, denn sie schien überall zu sein und von nirgendwo zu kommen und auf der Bühne saßen bloß zwei Musiker und machten nichts.
In diese Verwunderung hinein erschien im Durchgang zum hinteren Bereich der Gastwirtschaft die rätselhafte Sängerin, in ihrer Hand ein durch kreisende Bewegungen am Rand erklingendes Weinglas, die vermeintliche Synthesizer-Fläche. „Cantus Vitreus“, der „gläserne Gesang“, heißt dieses erste Lied und die Darbietung schaffte sofort eine besondere Atmosphäre, eine verzaubernde Mischung aus Poesie und Magie. Und diese Stimmung schwang in mir weiter, hielt den ganzen Abend lang an.
Es folgten neun weitere Stücke in englischer und deutscher Sprache, alle poetisch und verträumt, voll mit Klängen längst vergangener Zeiten und ferner Orte, an denen mitunter auch noch die keltische Kultur stärker nachschwingen mag, als dies sonst überall dort zutrifft, wo dieses mystische Volk einst seine Kreise zog. Stücke, die abseits der festgefahrenen Hörgewohnheiten der meisten Menschen liegen und dennoch überzeugen: Paradox, Teilaspekt eins. Besonders hervorzuheben ist dabei die Ballade „Rose Without A Thorn“, deren betörende Melodie zu mir kam, um eine ganz ordentliche Weile zu bleiben, oder, einfacher ausgedrückt: Es ist ein Ohrwurm.
Ganz schön paradox?! Foto: Marc Rieger.
An diesem Abend bestanden die „Paradogs“ nur aus Gudrun Peter (Gesang, Glas, Bongos), Volker Wendt (Gesang, Gitarre, Rezitation) und Volker Itze (Harfe, Flöte, Bansuri), es fehlten die zweite Sängerin Mé Thieke sowie die Geigerin Halina Tegetmeyer. Die Darbietung der drei Künstler überzeugte dennoch – das aber nicht etwa durch technische Perfektion oder herausragende Virtuosität, sondern vielmehr durch ein harmonisches Gesamtgefüge und der daraus gewobenen Stimmung, angeführt vom transparenten, bezaubernden und vielseitigen Gesang Gudrun Peters, der vielfach eine magnetische Kraft entwickelte, dem ich mich nicht entziehen konnte (und auch nicht wollte): Paradox, Teilaspekt zwei.
Mehr als nur Beiwerk waren auch die von Volker Wendt vorgetragenen Gedichte. Besonders die lyrischen Worte rund um das Erscheinen einer achten Eule und das damit in Zusammenhang stehende sowie eigenverschuldete Ableben der ersten sieben ihrer Artgenossen waren sehr eindrücklich, tiefgründig und konnten auf nachvollziehbare Art illustrieren, welche Zerstörungskraft Ängsten im Allgemeinen und der Angst vor Neuem und Fremdem im Besonderen potenziell innewohnt – und das selbst bei so weisen Tieren, wie es Eulen symbolhaft (aber wer weiß – ich maße mir nicht an, die Weisheit von Eulen jenseits der Symbolhaftigkeit zu beurteilen, bloß weil sie, mit menschlichen Maßstäben gemessen, im Verborgenen bleibt) ja sind. Passend dazu war es wohl für die meisten Besucher neu und fremd, Lyrik und Musik auf diese gelungene Weise kombiniert zu erleben, zu meiner Erleichterung blieb aber nicht bloß die achte Eule – in diesem Falle wohl „Paradogs“ – am Leben und die Stimmung im Publikum war insgesamt sanft und harmonisch: Paradox, Teilaspekt drei? Nein, bloß eine weitere Illustration, denn die Besucher wussten schlichtweg, dass es keinen Grund zur Angst gab und da kann eine achte Eule dann schon mal kommen. Ein Bewusstsein, das auf sämtliche Lebensbereiche ausgedehnt werden kann, leichter als man glauben mag, aber nun schweife ich endgültig ab (lasse die Abschweifung aber dennoch stehen 😛 ).
Fazit: Sind sie nun wirklich paradox, die Paradogs? Und was bedeutet das überhaupt? Mein Vorschlag ist, es bei nächster Gelegenheit einfach selbst herauszufinden, gut und somit erlebenswert sind sie auf jeden Fall ;-).
p.s.: Als ich den Abend in meiner Erinnerung wieder an die Oberfläche schweben ließ, fiel mir übrigens spontan ein zu meinem Empfinden passender Text ein, der mit viel weniger Worten auskommt. Doch mir blieb nichts anderes übrig, als mir noch einen anderen Text einfallen zu lassen – denn der kurze Text ist nicht von mir, sondern stammt von Reinhard Mey, der in seinem Lied „Ein Stück Musik von Hand gemacht“ singt:
„Da lob‘ ich mir ein Stück Musik von Hand gemacht,
Noch von einem richt‘gen Menschen mit dem Kopf erdacht,
‘ne Gitarre, die nur so wie ‘ne Gitarre klingt,
Und ‘ne Stimme, die sich anhört, als ob da jemand singt.
Halt ein Stück Musik aus Fleisch und Blut,
Meinetwegen auch mal mit ‘nem kleinen Fehler, das tut gut,
Das geht los und funktioniert immer und überall,
Auch am Ende der Welt, bei Nacht und Stromausfall!“
Anders Balari, 28. August 2012
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