Hamburg, 6.1.2012. Im kleinen Hoftheater Hamburg erblühen ab heute die Zahnarzthelferin Stephanie Dickinson und ihr Kaktus in genau dieser Reihenfolge. Die von Lars Ceglecki schrill und lebhaft inszenierte Komödie „Die Kaktusblüte“ unterhält sehr gut und fordert vom Theaterbesucher gut trainierte Lachmuskeln ein, um Verkaterung derselben zu vermeiden. Mehr kann sie zwar nicht, doch mehr will sie ja auch gar nicht und daher wird daraus denn auch ein sehr gut passender (Plateau-)Schuh.
Stephanie Dickinson (Petra Behrsing) in Bedrängnis durch Harvey Greenfield (Wolfgang Noack). Foto: Anders Balari.
Für Goldie Hawn bedeutete die Verfilmung von „Die Kaktusblüte“ den fulminanten Durchbruch in Hollywood, garniert mit einigen Preisen und einem Oscar für die beste Nebenrolle. Das neben etablierten Größen wie Walter Matthau und Ingrid Bergmann, die mit ihrem zurückhaltenden, tendenziell gar eher ernst ausgelegten Spiel dem gekonnt in das Drehbuch verwobenen, oft feinsinnig spitzen Humor Raum schufen, für sich selbst zu wirken, zu stehen und hervorragend zu funktionieren.
Dr. Winston (Ulf Albrecht) etwas anders bedrängt von Toni Simmons (Annabelle Mierzwa). Foto: Anders Balari.
Lars Ceglecki wählte nun in seiner Inszenierung im Hamburger kleinen Hoftheater einen gänzlich anderen Weg: Bunter, schriller, mit einem kräftigen Schuss Klamauk und entsprechenden Slapstick-Einlagen sowie per Definition eine gute Dekade später angesiedelt, nämlich mitten in den dazu gut passenden 70ern des vorigen Jahrhunderts – stilecht mit schreiender Tapete, Plateauschuhen, heute denkunmöglichen Sakkos und Glitzershirts unterstrichen. Die Gefahr dabei ist, zu viel zu wollen, die humoristische Wirkkraft der Dialoge mit Slapstick unnötig zu übertünchen und das breite, in der Verfilmung gelungen über die Komödie hinaus reichende emotionale Spektrum des zentralen Charakters, Stephanie Dickinson, über Gebühr einzuschränken.
Nicht zu beneiden: Miss Dickinson, wegen Harvey. Zu beneiden: Das Publikum, wegen Harvey. Foto: Anders Balari.
Und genau das geschieht mitunter – das Adjektiv „leider“ fehlt vor dem „mitunter“ allerdings mit Absicht; denn auch wenn der Slapstickregler an einigen wenigen Stellen zu weit raufgedreht wird und Miss Dickinson deutlich veränderte Wesenszüge und emotionale Reaktionen zeigt, ist die Inszenierung in Summe rund und stimmig, funktioniert im beabsichtigten Sinne: Sie unterhält sehr gut, die Schenkel werden wiederholt beklopft und das Zwerchfell ausgiebig trainiert.
Igor (Jan Holtappels) und Toni im Stereo Heaven. Foto: Anders Balari.
Das Premierenpublikum erlebte gute bis sehr gute schauspielerische Leistungen, überzeugend, weitgehend ohne Fehl und Tadel, weitestgehend komisch. Ein dickes Ausrufezeichen setzten dabei insbesondere Annabelle Mierzwa mit ihrer geschickt nuancierten, vielseitigen und sowohl sprachlich als auch mimisch überaus ausdrucksstarken Verkörperung von „Toni Simmons“ sowie Wolfgang Noack mit einer fantastischen, verrückten, schrillen, zeitweise gar auf komische Weise dämonisch anmutenden, sehr intensiven Interpretation von „Harvey Greenfield“.
Mit zahnärztlicher Überzeugungskraft beginnt die Turbulenz, der Kaktus ist Zeuge. Foto: Anders Balari.
Summa summarum: Voll auf Unterhaltung gebürstet, dieser Kaktus. Der Kontrast zum Film ist somit hoch, doch den gibt’s ohnehin auf DVD für den heimischen Fernseher und ein Reproduktionsversuch auf einer Hamburger Bühne wäre gleichermaßen überflüssig wie verfehlt. Wer lebhafte Komödien mit Slapstick-Elementen mag, wird sich sehr gut unterhalten. Wer erleben möchte, dass „Die Kaktusblüte“ auch gänzlich anders funktioniert, ebenfalls. Und das noch bis zum 5. Februar in Hamburg Horn.
Anders Balari, 9. Januar 2012
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