3. November 2011 im kleinen Hoftheater Hamburg: Jo Brauner setzt mit einem Abend unheimlicher Geschichten die Lesereihe „HamburgLese – Geschichten unserer Stadt“ im kleinen Hoftheater Hamburg fort. Gerade in dieser Woche, da nach dem keltischen Glauben an All Hallows‘ Eve, dem Vorabend von Allerheiligen, die Toten zu den Lebenden Kontakt suchen, passt wohl nichts besser, als Geschichten über Geister und Übersinnliches zu lesen und zu hören.
Schon mit der uns allen noch in guter Erinnerung gebliebenen Formel „Guten Abend meine Damen und Herren“, die Jo Brauner während seiner 30jährigen Tätigkeit als „Mr. Tagesschau“ an uns gerichtet hat, fängt er sein Publikum im ausverkauften Saal des kleinen Hoftheaters Hamburg mit Leichtigkeit ein. Nach einer kurzen Erklärung zu der Nacht vor Allerheiligen (Halloween) beginnt Brauner die Lesung mit den Geschichten „Die Hexe vom Süllberg“ von Anke Cibach und „Die eingemauerte Prinzessin“ von Gerhard Eckert, die sich in Blankenese sowie im damaligen Harburger Schloss zugetragen haben sollen. Die Zuhörer lauschen gebannt und lassen sich offensichtlich gern von Jo Brauners Erzählkunst und Johannes Bahlmanns unheimlichen Musikbeiträgen gruseln.
Jo Brauner liest mit viel Pathos und perfektem Timing die gruseligen Geschichten. (Foto: Laila Mahfouz)
Bei einigen Tönen treibt Johannes Bahlmann mir mit der von ihm erzeugten unheimlichen Stimmung Schauer über den Rücken, die wie ein Gruß aus der Anderwelt scheinen. Den anderen Zuschauern ergeht es wohl ähnlich, denn ein Raunen ist zu vernehmen und vielleicht spüre nicht nur ich die Geister, die durch den Raum gleiten. Aufmerksam und interessiert lauscht auch Jo Brauner den gut ausgewählten Musikstücken und fährt dann mit einigen Geschichten von Otto Beneke (1812 – 1891), dem Hamburger Stadtarchivar und Historiker, der viele tatsächliche Begebenheiten in Geschichten festgehalten hat, fort. Wir hören „Die Köpfe zu St. Jakobi“, „Abelke Bleken“, „Eine junge Hexe“ und „Eine alte Hexe“. Gerade die veraltete Sprache dieser Erzählungen, bei denen es sich zum Teil um Auszüge aus Hexenprozessprotokollen handelt, bringt uns die schauerlichen Inhalte noch näher und lässt sie umso mehr zur Wirklichkeit werden. Auch heute noch fasziniert dies schwärzeste Kapitel der europäischen Geschichte: die ungeheuerliche Jagd auf Hexen. Die Angst des Klerus vor dem Wissen und der Stärke von Frauen war leider schon immer Ziel derartig sadistischer Machenschaften.
Jo Brauner liest mit viel Sensibilität für die verschiedenen Texte. Er weiß Spannung aufzubauen und hat ganz offenbar selbst Freude an diesem makabren Thema, welches er mit verschmitzter Miene und der mir noch aus meiner Kindheit bestens vertrauten, wunderbaren Erzählstimme zum Besten gibt. Zu einem besonderen Erlebnis ließen die gelungene Kombination aus Musik und Text, die perfekt ausgewählten unheimlichen Geschichten, wie insbesondere auch die mit viel Pathos und wunderbarer Betonung überzeugende Lesung von Jo Brauner diesen Abend werden. Mit staubtrockenen Kommentaren bringt er sein Publikum auch immer wieder zum Schmunzeln, so rutscht ihm zum Beispiel ein „Auch nicht neu!“ heraus, als in einer Geschichte von einem jungen Mann die Rede ist, der einem Mädchen die Ehe verspricht, um im nächsten Moment spurlos zu verschwinden.
Wir hören von dreifarbigen Katzen, Hexenverbrennungen, Auferstehung der Toten, zum Tode Verurteilten, Auspeitschungen, Verbannungen, abgehackten Gliedmaßen und weiteren Schrecken und sind uns wohl mit dem Vorleser alle einig: In dieser Zeit, in der Schönheit allein schon gereicht hat, um einen Pakt mit dem Teufel zu vermuten, wollen wir nicht gelebt haben.Am Ende zitiert Jo Brauner noch Herrmann Hesse („Die Jugend ist entflohn, man ist nicht mehr gesund. Es drängt die Reflexion sich in den Vordergrund.“) und liest das Gedicht „Die Beschwörung“ von Heinrich Heine. Damit ist der Gruselabend am Ende und meiner Meinung nach auch bestens geglückt. Einziges Manko ist die fehlende Nennung der Musiktitel vor oder wenigstens nach dem Programm gewesen. Nur „Ain’t she sweet“ wurde von Jo Brauner verraten, dabei hätte ich bei so manchem am wunderschönen Steinway-Flügel dargebotenen Jazz-Stück gern gewusst, ob es vielleicht sogar Johannes Bahlmanns eigener Feder entsprungen ist. Diese Frage wird daher wohl im Raum bleiben.
Der talentierte Schauspieler und Regisseur Lars Ceglecki bedankt sich als Initiator der Lesereihe herzlich bei seinen beiden Gastkünstlern. Holger Wemhoff wird die HamburgLese am 1. Dezember 2011 mit Hamburger Weihnachtsgeschichten beenden. Davon kann es in Zukunft gerne mehr geben, da sind sich die Zuschauer einig. Derzeit wird „Pinocchio“, das Musical von Christian Berg/Konstantin Wecker, im kleinen Hoftheater gezeigt und ab Januar folgt ihm „Die Kaktusblüte“ eine wunderbare Komödie, welche ich mir sicher nicht entgehen lassen werde.
Laila Mahfouz, 4. November 2011
Links:
HamburgLese – das Programm im kleinen Hoftheater Hamburg unter www.hoftheater.de
Mehr über Jo Brauner unter www.jobrauner.de
Mehr über Johannes Bahlmann unter www.johannes-bahlmann.de
Mehr über die Autorin unter www.lailamahfouz.de