18. Oktober 2011 im The English Theatre of Hamburg: Zum Saisonstart bringt das Englische Theater Hamburg seit 8. September 2011 „The Fox“ von Allan Miller (nach der Novelle von D. H. Lawrence), ein Bühnenstück, das an Anspannung zwischen den Figuren und stetig wachsender Bedrohlichkeit kaum zu überbieten ist.
Auch in der 35. Saison hat das Englische Theater mit „The Fox“ wieder einmal ins Schwarze getroffen. Die von Allan Miller für die Bühne adaptierte Novelle von D. H. Lawrence zieht den Zuschauer sofort ins Geschehen. Zwei junge Frauen haben sich nach dem 1. Weltkrieg auf eine einsame Farm in England zurückgezogen, um der von Männern dominierten Welt zu entkommen. Wird es langfristig möglich sein, die Welt aus dem Leben zu verbannen oder holt die beiden Frauen nach und nach dennoch ein, wovor sie sich zu verbergen suchten?
Eines Winterabends klopft bei Jill und Nellie der fremde Soldat Henry an die Tür, der sich als Enkel des verstorbenen Vorbesitzers herausstellt. Da Henry nett scheint und bereit ist, eine Woche bis zu seiner erneuten Einberufung durch seine Jagdkünste genug Wild zu schießen sowie den lästigen Fuchs zu erlegen, der immer wieder die besten Hühner stiehlt und Nellie sogar wiederholt in Alpträumen aufsucht, bietet ihm Jill sehr zum Missfallen von Nellie an, im Gegenzug bei ihnen zu wohnen. Henry hält zwar seine Versprechen, aber nimmt die Farm und auch die beiden Frauen immer mehr in Besitz. Er kommt und geht, wie es ihm gefällt und tut ganz so, als wäre er noch immer auf der Farm zu Hause.
Die anfängliche Begeisterung Jills ebbt daher noch rascher ab als Nellies Zurückhaltung und Anfeindung Henry gegenüber. Die bedrohliche Faszination des listigen Fuchses in Menschengestalt hat seine Wirkung nicht verfehlt, denn Henry hat sofort erkannt, dass nicht die zerbrechliche, kränkliche Jill sondern die schwer arbeitende, burschikose Nellie die Schwächere der beiden ist. Jill versucht, Nellie immer wieder zu warnen, dass Henry sie dominieren und beherrschen wird („Like a hawk on the wing!“), wenn sie ihn nicht fortschickt, aber Nellie ist bereits seinem gefährlichen Charme erlegen. Seiner Stärke und Willenskraft kann Nellie sich nicht entziehen und so willigt sie auf sein Drängen hin schließlich sogar ein, ihn zu heiraten. Als Jill Nellie von dieser Entscheidung abhalten will, kommt es zu einer Entladung von Emotionen und zu einem tragischen Ende.
Der Symbolcharakter des Fuchses wird dem Zuschauer von Anfang an klar und so erreicht dieses Wesen schon ohne seine Anwesenheit eine Präsenz, die jeder spüren kann. Getragen wird das Bühnenstück jedoch besonders von den hervorragenden Darstellungen der beiden so unterschiedlichen Frauen. Die Wandlung Jills (Kate Middleton) von der perfekten Gastgeberin zur verzweifelten Kämpferin um Nellie und Feindin Henrys ist ebenso glaubwürdig und spürbar wie die Wandlung Nellies (Suzy Bastone) von der schroffen, ablehnenden Einzelkämpferin zu einer ihrer Leidenschaft und ihren Ängsten hilflos ausgelieferten Frau. Mit viel Emotionen und Energie sind beide Schauspielerinnen in ihren Rollen verhaftet und lassen den Zuschauer ihre Träume und Ängste fühlen.
Auch Adam Reeves als Henry zeigt sein Können sehr eindrucksvoll, denn seine Bedrohlichkeit ist für mich jeden Augenblick zu spüren. Durch viele Gesten wird immer mehr klar, wie dominant und besitzergreifend Henry ist und wenn er auf einen Stuhl klopft und „Nellie!“ ruft, dann möchte man aufspringen und rufen: „Stopp! Du bist kein Hund. Geh nicht zu ihm!“ Fast bereitet diese neue Unterwürfigkeit Nellies dem Zuschauer körperliche Pein und mehr und mehr wird klar: Wenn wir vor etwas oder jemandem Angst haben, so geben wir diesem etwas oder jemandem Macht über uns. Ist dies geschehen, wird es fast unmöglich, es rückgängig zu machen.
Doch erst in Jills letztem Appell an Nellie, in dem sie die richtigen Worte findet und ihr unter anderem klar macht, dass Henry nur die Farm will und dazu Jill für die Küche und Nellie für sein Bett („He is bossy and greedy and as soon as you are married he will order us about like a pair of labours!“), bäumt sich Nellie ein letztes Mal auf und versucht, den Klauen des Fuchses zu entkommen. Eine beeindruckende Leistung der drei jungen jedoch erfahrenen Schauspieler, die Allan Millers Stück zu neuem Leben erwecken.
Nicht unerwähnt möchte ich das intelligente Bühnenbild lassen, dessen Charme in der Authentizität und Einfachheit der Szenenwechsel liegt. Jedes Mal, wenn jemand die Haustür in die Winternacht öffnete, war bis in den Zuschauerraum die Kälte fast spürbar, obwohl keine Wände um die Tür herum existieren, um uns den Blick auf die Geschehnisse vor dem Haus zu ermöglichen. Ein so starker Effekt ist mir bisher erst selten aufgefallen.
Fazit: Ein sehr intensives Theatererlebnis, das den Zuschauer mit einem tiefen Eindruck in eine nachdenkliche Anspannung entlässt.
Laila Mahfouz, 19. Oktober 2011
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