Ist das menschliche Zusammenleben auf unserem Planeten wirklich so schwierig? Seit 5 Jahren merke ich: Ja, es ist so und sehe langsam all die Kriege mit anderen Augen. Denn wenn es nicht einmal möglich ist, dass zwei Gärtner friedlich nebeneinander leben, dann scheint doch so ziemlich alles verloren oder gibt es noch Hoffnung am Horizont?
Wieder einmal ist es Herbst geworden und die letzten Arbeiten im Garten stehen an. Ende September habe ich meinen zeit- und vor allem nervenraubenden Job aufgegeben und versuche nun, neue Wege zu gehen. Erst einmal gibt mir dies die Möglichkeit, mehr Zeit meinem geliebten Garten zu widmen. Jetzt ist die Zeit, letzte Wintervorkehrungen zu treffen, die Hecke ein letztes Mal zu schneiden, den Rasen ein letztes Mal zu mähen und das erste Laub wegen Rutschgefahr vom Fußweg außerhalb des Gartens zu harken.
Leider waren diese eigentlich so meditativen Tätigkeiten abermals von großem Ärger überschattet. Dazu muss ich etwas erklären: Ich habe mir einen Garten gewünscht. Jahrelang. Ein Stück Grün, in das ich mich zurückziehen und in dem ich durchatmen kann. Eine Wohnung mit Garten in Hamburg kann ich mir bisher nicht leisten, wohl aber einen Kleingarten. Ohne allzu lange zu überlegen, ergriff ich im Frühjahr 2006 die Chance und übernahm einen eher verwahrlosten Garten, der mir großes Gestaltungspotential bot. Ich war selig, denn hier konnte ich endlich all meine Träume vom Grün ausleben.
Leider stellte sich ziemlich schnell heraus, dass ich mich geirrt hatte. Das Entfernen der alten Pflanzen, die den Garten geradezu umwuchert hatten, bereute ich rasch, denn nun konnte fast jeder meinen Garten an allen Ecken einsehen, so dass ich keinerlei Fleckchen hatte, an dem ich mich unbeobachtet fühlen konnte. Ich pflanzte einheimische Sträucher, die teilweise rasch wuchsen und mir nun Schutz vor zu neugierigen Blicken bieten und versuchte, so gut es ging, meinen Traum vom eigenen Grün zu verwirklichen.
Gerade in den letzten Jahren ist ein Zustrom junger Menschen in die Kleingartenvereine zu beobachten. Diese Städter wollen ein Stück Freiheit, Grün, Entspannung. Freunde haben sie genug. Hier wollen sie auch mal Stille und Abgeschiedenheit. Einfach die Möglichkeit, die Pforte hinter sich zu schließen und tief den Duft der selbst gepflanzten Lieblinge zu genießen. Wenn jemand Anschluss sucht oder Aktivitäten mit anderen bevorzugt, so hätte er sich sicherlich einen Sportverein oder Ähnliches ausgesucht. Hier aber wäre er eher fehl am Platze. Wer hier her kommt, sucht Ruhe und Frieden.
Mich allerdings lassen die alteingesessenen Gärtner, die ihre Gärten seit der Gründung in meinem Geburtsjahr bepflanzen, immer wieder kräftig spüren, dass meine Vorstellungen ihrer Meinung nach hier nichts verloren haben. Ich bin gegen jede Art von Giften in Gärten, denn schließlich will ich mit Genuss essen, was ich hier anbaue. Auch das vielgemahnte Bienensterben ist in meinem Garten vielleicht auch aus diesem Grund nicht zu spüren. Ich sorge für einheimische Tier- und Pflanzenarten, indem ich mich informiere und bewusst pflanze. So sind denn auch Igel, Kaninchen, Eichhörnchen, Fledermaus und alle Vogel- und Insektenarten gern gesehene Gäste und Bewohner in meinem kleinen Paradies. All dies sehr zum Missfallen der anderen Gärtner. Sie spähen über meinen Zaun und rümpfen ihre Nasen: Ich mähe den Rasen nur einmal im Monat (mir eigentlich schon zu oft), damit die Tiere sich wohler fühlen. Ehrlich gesagt, finde auch ich es tausendmal schöner als Stoppelrasen. Ich lasse Brennnesseln und anderes „Unkraut“ in einigen Gartenecken stehen, da ich weiß, wie wichtig es für bestimmte Arten wie zum Beispiel für Schmetterlinge ist. Ich lasse meine Herbstblüher bis zum nächsten Frühjahr stehen, ohne den Garten „aufzuräumen“, da ihre Samen den Vögeln, die nicht in wärmere Gefilde ziehen, beim Überwintern wichtige Nahrung bieten.
Leider bleibt es nicht allein beim Unmut, den ich bei meinen älteren Nachbarn wecke. Immer öfter bemerke ich nun Attacken auf meine Pflanzen, Eingriffe in meinen Bereich, die ich wie einen Hausfriedensbruch empfinde. Schon dreimal wurde zum Beispiel Unkrautvernichter über den Zaun in meine Beete geworfen. Einmal wurden dabei all meine neu gepflanzten teuren Kräuter (verschiedene Sorten Thymian, Salbei und Lavendel) vernichtet. Hätte ich direkt danach davon gegessen, wäre es sicher für mich schlecht ausgegangen. Bemerkt habe ich es allerdings erst, als ich an jeweils einer Stelle eine Wüste mit vielen toten Pflanzen vorfand.
Diese Woche bot sich mir ein neuerliches Bild des Schreckens, denn die von mir als Sichtschutz aufgestellte Strohmatte, war umgeworfen worden und hatte alle Pflanzen auf meinem Beet erheblich beschädigt. In den vergangenen Jahren hatte ich diesen Sichtschutz in Terrassennähe nicht gebraucht, da auf dem Nachbargrundstück eine zwei Meter hohe Sichtschutzhecke aus Lebensbaum genug Schutz geboten hatte. Dieses wunderbare Gewächs wurde aber einfach aus Langeweile – „musste mal etwas Neues her“ – entfernt und so war meine Terrasse und jede meiner Bewegungen für meine Nachbarn direkt zu beobachten. Die nun erworbene Strohmatte bot einen ersten und kostengünstigen Sichtschutz. Schon bald wurde mir allerdings mitgeteilt, dass ich diese wieder zu entfernen hatte, da sie nicht mindestens 10 cm vom Zaun entfernt stand. Mit tiefen Seufzern und verständnislosem Kopfschütteln entfernte ich mit meinem Vater die Matte und setzte sie mit 12 cm Entfernung wieder hin. Durch diesen Affront offenbar verärgert, lösten meine Nachbarn unsere Verankerung und schubsten die Wand in unser Beet zurück, wo sie einige Tage bis zu unserer Entdeckung gelegen haben mag.
Warum diese Gewalt und diese Aggression allem Neuen gegenüber? Woher kommt der deutsche Ordnungswahn, der einen „sauberen“ Garten als Idealbild einer intakten Natur vorzieht? Wie kam es, dass so viele Menschen das Verständnis für die Natur verloren, obwohl sie direkt ihrer Mitte entsprangen? Wir alle sind Teil der Natur und sollten uns auch entsprechend verhalten. Jeder einzelne kann so leben, dass er einen geringen Beitrag leistet. Ohne Geld, ohne Aufwand. Schon allein den anderen anzunehmen und einfach sein zu lassen, ist ein wichtiger Schritt. Nicht jedes „Unkraut“ zwischen den Ritzen der Wegplatten hervorkratzen. Erst nachdenken, dann handeln. Jeder kann dies tun!
Wir alle wollen doch in Frieden miteinander leben. Ist das nicht der Grundgedanke einer Gesellschaft, eines Staates? Versuchen wir einfach, es im Kleinen zu schaffen. Verständnis zu haben und von der Andersartigkeit des Gegenübers zu lernen. In meinem speziellen Fall habe ich wenig Hoffnung auf Besserung, aber die Gewissheit, dass sich die Natur auch von meinen Nachbarn nicht austricksen lässt. Die Alten werden schon bald Jungen weichen müssen und diese neue Generation Gärtner bringt wieder ein ökologisches Verständnis sogar ins Kleingartenwesen!
…und den Menschen ein Wohlgefallen. Amen!
Laila Mahfouz, 15. Oktober 2011
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