Im Hamburger Kellertheater gibt es eine gelungene Umsetzung von Harvey Fiersteins Tragikomödie „Torch Song Trilogy“ zu sehen. Neben den sehr gut in dieser von über vier auf knapp zwei Stunden verkürzten Inszenierung beleuchteten Kernaussagen überzeugt vor allem auch das intensive und authentische Spiel der Hauptdarsteller.
Die drei Bühnenstücke „International Stud“, „Fugue in a Nursery“ und „Widows and Children First!“ von Harvey Fierstein wurden Anfang der 80er unter der Bezeichnung „Torch Song Trilogy“ zusammengefasst und am Broadway in Form eines mehr als vierstündigen Marathons inszeniert, der es ab dem 10. Juni 1982 auf 1.222 Aufführungen brachte. Den Protagonisten „Arnold Beckoff“ gab dabei Fierstein selbst – genau wie in dem gleichnamigen Kinofilm, der 1988 von Regisseur Paul Bogart realisiert wurde und in dem neben Fierstein insbesondere auch Matthew Broderick als Adoptivsohn „David Beckoff“ und Anne Bancroft als Arnold Beckoffs Mutter „Mrs. Beckoff“ zu sehen sind.
Während der deutsche Titel des Films „Das Kuckucksei“ lautet, wurde das übersetzte zusammengefasste Bühnenstück „Einesteils und andererseits und außerdem“ genannt. Dreh- und Angelpunkt der Tragikomödie ist der homosexuelle Travestiekünstler „Arnold Beckoff“. In den drei Akten werden wichtige Phasen seines Lebens pointiert beleuchtet: Die gescheiterte Liebesbeziehung und dadurch stark gefährdete Freundschaft mit dem nicht geouteten bisexuellen Ed, die ein Jahr später beginnende Liebesbeziehung mit dem deutlich jüngeren Alan sowie schließlich die Adoption des schwulen Teenagers David und die wegen seiner Homosexualität sehr schwierige Beziehung Arnolds zu seiner Mutter.
Entstand dieser Plot zu einer Zeit, in der Homosexualität noch auf wesentlich geringere gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz traf als dies heute der Fall ist, hat er dennoch in seinen Kernaussagen nichts von seiner Brisanz verloren. Dementsprechend „auf der Höhe der Zeit“ wirkt somit auch in allen Belangen die sehr gelungene Umsetzung durch die Regisseurin Katrin Kuhn im Hamburger Kellertheater. In der auf rund zwei Stunden Spieldauer adaptierten Inszenierung gelingt es ihr, die wesentlichen Kernthemen Fiersteins gut pointiert zu adressieren und greifbar sowie sehr stimmig auf die Bühne zu bringen.
Die Homosexualität ist dabei insgesamt jedoch „nur“ als Vehikel anzusehen, um ein ganz grundlegendes Thema zu transportieren, das die Menschheit seit langer Zeit immer und immer wieder umtreibt: Die individuelle Freiheit in Hinblick auf die Gestaltung des eigenen Lebens im Spannungsfeld zum gesellschaftlichen Mainstream im Allgemeinen und zu den Erwartungshaltungen von nahestehenden Menschen im Besonderen, wobei in Letzterem auch die Relativität der jeweiligen Positionen und die Notwendigkeit der Reziprozität in allen zwischenmenschlichen Beziehungen sehr gut unterstrichen werden. Die Grundlage dafür legt freilich das Stück selbst und sehr oft ist es gerade die Tragikomödie, die mit ihrer Abfolge gegensätzlicher Emotionen sehr nahe an den Rezipienten heranzukommen vermag. Genau diesen Mechanismus greift Katrin Kuhn in ihrer Inszenierung gekonnt auf, was es leichter macht, die Aussagen Fiersteins im wechselgebadeten Auditorium auch wirklich ankommen zu lassen.
All dies schafft die Regisseurin vor allem auch durch die sehr gute Wahl der Darsteller. Als „Arnold Beckoff“ glänzte Steffen Lorenz in der Vorstellung vom 29. August 2010 mit seinem authentischen und sehr intensiven Spiel – ein eben solches bot auch Monika Gutte in der Rolle als Arnolds Mutter, was dann den Konflikt zwischen Mutter und Sohn mit extrem spürbarer Intensität aus der Gesamtdarbietung herausragen ließ. Eine Intensität, die wohl auch mäßig empathischen Theaterbesuchern in einigen Momenten eine Gänsehaut bescherte. Sehr stark auch Haiko Schröder als „Ed“, dem es überzeugend gelang, den maßgeblich im dritten Akt stattfindenden Reifeprozess des von ihm dargestellten Charakters zu vermitteln. In den weiteren Rollen waren Marco Irmer, Conrad Leilich und Franziska Aick mit solidem Spiel zu sehen.
Fazit: Eine empfehlenswerte Inszenierung mit starken schauspielerischen Leistungen, deren unter die Haut gehende Tragikomik durch die örtlich bedingte hohe Intimität des Spiels stimmig unterstrichen wird.
Anders Balari, 30. August 2010
Links:
http://www.kellertheater.de/content/2_repertoire/kuckuck.php
http://de.wikipedia.org/wiki/Harvey_Fierstein
http://en.wikipedia.org/wiki/Torch_Song_Trilogy
Von links nach rechts: Monika Gutte, Franziska Aick und Steffen Lorenz. Foto: Laila Mahfouz.
Von links nach rechts: Franziska Aick, Haiko Schröder und Steffen Lorenz. Foto: Laila Mahfouz.