Am 11. August 2010 unterlag das österreichische Nationalteam den Gästen aus der Schweiz im letzten Testspiel vor der EM-Qualifikation knapp mit 0:1. Während dieses Ergebnis letztlich unwichtig ist, geben Spielverlauf und jüngere Historie des Teams jedoch Anlass zur satirisch verdauten Sorge in Hinblick auf die bevorstehenden Bewerbsspiele.
Niemals zuvor waren so viele österreichische Profifußballer im Ausland tätig – und das noch dazu tatsächlich in ihrem Beruf, also unter Nutzung ihrer genetisch und per Konditionierung erworbenen Kickkernkompetenzen. Das ist gut. Verbesserungswürdig ist, dass viele davon regelmäßig mehr Kontakt mit der Ersatzbank oder gar mit einem Tribünensitz haben als mit dem Spielgerät. Immerhin gibt es aber doch eine Reihe von Spielern in unterschiedlichsten Positionen, die sehr regelmäßig dem Publikum ihre ballestrischen Künste vorführen dürfen oder gar als Stammspieler angesehen werden können.
Dann gibt es da noch die zwei vielgescholtenen österreichischen Profiligen. Bei näherer Betrachtung kann durchaus konstatiert werden, dass zumindest bei der höchsten Spielklasse die Qualitätskurve seit einigen Jahren deutliche Tendenzen nach oben zeigt. Dies hat wohl mehrere Gründe, deren Erforschung hier und jetzt nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken soll – das soll vielmehr die Implikation dieser Tendenz, aber auch erst im übernächsten Absatz.
Schließlich finden sich in diversen Nachwuchsteams wiederholte Symptome, darunter der für österreichische Verhältnisse herausragende Erfolg bei der U20 WM 2007, das Erreichen der U19 EM heuer sowie das starke U21 Team, das durchaus noch gute Chancen hat, sich für die U21 EM zu qualifizieren. Irgendwie „umgekehrt pathologisch“, so sieht das aus: Wie eine systematische und anhand der Symptome diagnostizierbare Gesundung mit potenzieller Schubkraft in Richtung des „A-Teams“.
Malt man diese drei Tendenzen – viele „Legionäre“, stärker werdende Liga, starker Nachwuchs – vor sich auf, am Besten auf einer Taktiktafel, dann könnte man zu dem Schluss gelangen, dass der ÖFB für sein wichtigstes Team derzeit einen sehr breiten und starken Pool von Spielern zur Verfügung hat. So stark und breit wie schon lange nicht mehr. Mitunter vernimmt man gar Stimmen, die vom stärksten Pool aller Zeiten sprechen – wiewohl diese Aussage so ohne Weiteres weder falsifiziert noch bestätigt werden kann.
Ergo: Wir können uns darauf freuen, bald regelmäßig an Weltmeisterschaften und Europameisterschaften teilzunehmen und das eine oder andere Mal sogar die Vorrunde zu überstehen. Wenn da nicht dieses „t“ wäre: Weil es andernorts gleich drei Mal anzutreffen ist, wird es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch an unangenehmer Stelle in unsere Vorfreude einbringen und aus dem „können“ ein „könnten“ machen. „Andernorts“ ist „DieTmar ConsTanTini“ und „hier“ ist nun gleich der Ort, an dem Überlegungen dazu angestellt werden, warum das genau so behauptet wird und was man ändern, ja, könnte.
Die brasilianisch anmutende Abkürzung „DiCo“ ist nicht das einzige vermeintliche Omen im Nomen. „Constantini“ enthält auch das in der englischen Sprache verwendete Wort „constant“. Und gerade diese beiden Omen sind es bedauerlicherweise, die in diesem Fall den Namen eben ein schlechtes Zeichen sein lassen. Zu sehen an der taktischen und spielerischen Hilflosigkeit des Teams und an der kurz vor der EM-Qualifikation immer fast noch gänzlich fehlenden Stammformation.
Man könnte nun im Detail und Schritt für Schritt all das auflisten, analysieren und zusammenfügen, was Herrn Constantini in Summe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem schlechten Nationaltrainer für das österreichische Team macht. Dabei würde vermutlich aber die Gefahr drohen, dass man sämtliche Freude am Fußballsport verliert und sich in Zusammenhang mit zwischenmenschlicher Kommunikation auf eine Zeitreise weit in die Vergangenheit begibt.
Diese Zeitreise würde jedoch so verkehrt nicht sein, denn die jüngsten Auftritte des Teams erinnern in der Tat beinahe an eine Ära, in der 20 Akteure je nach Lust und Laune der Wuchtel hinterher gelaufen sind, während die verbleibenden zwei sich in bangevoller Erwartung des nächsten wohl oft zufällig aus dem planlosen Getümmel resultierenden Schusses zwischen den Holzpfosten aufhielten.
Es ist sehr klar zu erkennen, dass Dietmar Constantini sehr regelmäßig weder die Stärksten noch die Richtigen in das Team beruft. Es ist genauso klar zu erkennen, dass sein Verhalten den Spielern gegenüber und bei öffentlichen Auftritten genauso regelmäßig, gelinde gesagt, völlig unprofessionell ist. Nicht ganz so klar, aber bei naher Betrachtung sehr klar werdend, ist das Fehlen eines modernen Spielsystems samt jeweils maßgeschneiderter und hinreichend differenzierter Taktik – „nicht ganz so klar“, weil einige Siege im Track Record von Teamchef Constantini aufscheinen. Spitze Zungen könnten sich zu der Vermutung verleiten lassen, dass diese Erfolge nicht „wegen“ sondern vielmehr „trotz“ der Arbeit von „DiCo“ zustande kamen.
Insgesamt darf man wohl die Prognose wagen, dass Herr Constantini als Teamchef ein Ablaufdatum hat, das in nicht allzu ferner Zukunft, spätestens aber am Ende einer gescheiterten EM-Qualifikation liegen wird. Viele Absätze brauchte es, um hier zu diesem Schluss zu gelangen. Dem Grunde nach zu viele Absätze, in Hinblick auf den Zeitpunkt vielleicht sogar noch zu wenige. Vielleicht bedarf es da in der Tat einer detaillierten Auflistung aller Großtaten des selbst erkorenen „Feuerwehrmannes“, mit der man dann im Anschluß zum Beispiel die Wände der Büros der Herren Windtner und Ludwig tapezieren könnte. Es gibt ja schon einige Webpages, auf denen man seine Tapete selbst gestalten kann.
Sekundäres Ziel einer möglichst raschen Beendigung der Kooperation mit Constantini ist es in der Tat und allen Ernstes, die EM-Qualifikation zu retten. Denn – und das wagt man als von der nicht nur jüngeren Historie gebeutelter Österreicher kaum zu sagen – sie wäre zu retten, trotz scheinbar übermächtiger Gegner. Die Spieler sind gut genug, um dieses kleine Wunder zu schaffen. Primäres Ziel ist Aufbauarbeit in Hinblick auf die nächste WM-Qualifikation. Denn in Anbetracht der veränderten potenziellen Möglichkeiten sollte ein Erfolg in diesem Bewerb nicht als kleines Wunder angesehen, sondern vielmehr erwartet werden.
Als Gedankenexperiment wird Constantini nun mit sofortiger Wirkung beurlaubt: Wie kann es nach ihm weiter gehen? Wie sollte es nach ihm weiter gehen? Krankl, Hickersberger, Brückner. In den letzten Jahren konnte der ÖFB es den vielen Couchteamchefs der Alpenrepublik nicht recht machen, was auch immer man in Sachen Teamchef unternommen hatte. Das lag nicht zuletzt aber weniger an zu kritischen Couchteamchefs als an konsequent ausbleibenden Erfolgen. Am Ehesten wurden diese Misserfolge noch in der Ära „Hicke II“ mit zumindest einigermaßen attraktivem Gekicke errungen. Und all das eben bei einem zunehmend stärker werdenden Spielerpool – oder, wie auch oft bezeichnet: „Material“.
Woran liegt es? Was muß geschehen, um nach einem Abschied Constantinis den nächsten „Bauchfleck“ zu vermeiden? Das sind die Fragen, die es zu stellen und zu beantworten gilt. Eine gute Antwort könnte ein passender Trainer von „internationalem Format“ sein. Das „internationale Format“ ist im Idealfall durch Erfolge belegt, lässt sich mit hinreichendem Sachverstand aber auch ohne diese ganz gut erkennen. Und das „internationale Format“ muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass man bei der Suche nur dann fündig wird, wenn man sich jenseits der österreichischen Grenzen begibt.
Wie dem auch sei, eben diese Suche sollte in jedem Fall sofort beginnen – denn völlig unabhängig vom weiteren Schicksal Constantinis würde es dem österreichischen Fußball keineswegs schaden, wenn in irgendeiner Schublade des ÖFB eine professionell erstellte Shortlist mit potenziell passenden Teamchefs liegen würde. Zumal Angehörige dieser Spezies manchmal auch im „Verborgenen“ – d.h. bei kleinen Vereinen – zu finden sind, wie wiederholt zu sehen war, zuletzt am Beispiel von Ghanas Teamchef Milovan Rajevac, ein „internationaler Nobody“, der von zonalmarking.net (http://www.zonalmarking.net/2010/07/20/world-cup-2010-top-ten-managers) zum besten Trainer der WM in Südafrika erkoren wurde.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich der vielfach geäußerte Wunsch einer Rückkehr Constantinis zu seinen Kindercamps zum Wohle des mittelfristigen Erfolges des österreichischen Fußballs hoffentlich – wenn überhaupt – nur im benachbarten Ausland erfüllt.
Anders Balari, 16. August 2010
Links:
www.best-of-di.co – hier ist eine detaillierte Chronologie im Entstehen, anhand der man sich noch mal alle Glanzlichter des teamcheflichen Schaffens in Erinnerung rufen kann
http://www.oefb.at/fanbereich-service-pid572 – und hier geht’s zu jener Seite des ÖFB, auf der sich ein Kontaktformular befindet; dieses kann man zum Beispiel ganz großartig dazu nutzen, um den ÖFB über die eigene Meinung zum Thema Teamchef in Kenntnis zu setzen