3. April 2016 im Theater „Das Zimmer“: Unter der Regie von Jan Holtappels und in beeindruckender Kulisse spielte Sandra Kiefer sich singend durch die Lieder von Andrew Lloyd Webbers Bühnenstück. Fridtjof Bundel begleitete sie dabei live am Klavier. Ein unvergessliches Theatererlebnis auf Hamburgs kleinster Bühne.
Handlung: Getrieben von dem bedingungslosen Wunsch zu lieben und geliebt zu werden, bricht eine junge Frau ins Unbekannte auf. Doch je mehr sie um Liebe und Anerkennung kämpft, desto größer werden die Enttäuschungen. Um ihrer Einsamkeit zu entfliehen, lässt sie sich auf Liebschaften mit verschiedenen Männern ein, vom Familienvater bis zum schillernden Filmproduzenten und taucht ein in eine Welt von Träumen und bitteren Wahrheiten, Sehnsüchten und Hoffnungen.
»Mir egal, wenn’s die Nachbarn hör’n.
Sonst sagst Du doch immer, wir Deutschen sind viel zu steif.«
Schon mit der Overtüre, während der Sandra Kiefer sich im Tempo der Musik bewegte, brachte sie am Ende nicht nur ihr Blut in Wallung. Ihre Wut war sofort spürbar und so begann das Stück mit einem heftigen Streit und dem Ende der ersten Beziehung.
»Ich sterb nicht dran, wenn ich wieder allein bin, auch wenn ich ziemlich enttäuscht bin.
[…] Ich sterb nicht dran. Ich bin wieder frei!«
Mit all den Höhen und Tiefen berührte die Geschichte einer jungen Deutschen (im Original Britin), deren Suche nach der Liebe sie nach New York, Hollywood und schließlich zurück nach Manhattan führt, wohl jeden Zuschauer (besonders jene, welche selbst schon einmal eine gescheiterte Beziehung erlebt haben).
Jedes Lied griff genau die Problematik oder die Glücksgefühle der jeweiligen Verbindung auf. Die Texte sind passend übersetzt, komisch, tragisch und mitreißend. Teilweise werden sie auch kritisch – insbesondere wenn es um die oberflächliche Gesellschaft in Hollywood geht:
»Bluejeans und weißer Smoking, das ist Beverly Hills,
man trifft in jeder Bar einen Beinahstar,
und sagt beim Abschied cool: ‚Have a nice day!‘
[…] Mit 70 zieht ein Mann sich wie mit 17 an.
[…] Das Lachen kommt vom Band in diesem Wunderland.
[…] Und beim Abschied sagt man cool: ‚Have a nice day!’«
Schön war auch die Aufteilung zwischen den paarbezogenen Liedern und den gesungenen Briefen an die Mutter in Deutschland, der auf diesem Wege von all den gescheiterten Beziehungsversuchen berichtet wird. Die Hoffnung am Anfang jeder Beziehung, dieses Mal das große Los gezogen zu haben, war rührend und Sandra Kiefer verkörperte die Frau auf der Suche nach Glück so gefühlvoll, dass ich mich dabei ertappte, ihr genau für die jeweilige Situation die Daumen zu drücken, auch wenn die Vernunft mir schon sagte, dass es hoffnungslos ist.
Normalerweise kommt die Musik auf kleinen Bühnen vom Band. Dass Fridtjof Bundel das gesamte Stück samt Overtüre live am Klavier begleitete, war das Besondere an der Aufführung im Theater Das Zimmer. Teilweise war ich so versunken in die Musik, dass ich fast vergessen hatte, dass sie dort rechts im Dunkeln gerade live gespielt wird. Durch Bundels sensibles Spiel (übrigens komplett ohne Notenblatt!) wurden die Erlebnisse noch lebendiger und gegenwärtiger. (Unglaublich störend waren allerdings die stetig die Aufführung lautstark kommentierenden Zuschauer in der hinteren Reihe – auf so einer kleinen Bühne ist ein solch rücksichtsloses Verhalten noch unbegreiflicher, unangenehmer und noch mehr fehl am Platz als in einem größeren Raum!)
Sandra Kiefers Spiel war wieder einmal unglaublich intensiv und von geradezu berstender Kraft. Sie schaffte es, ihre beinahe unbändige Energie immer in passendem Maße in die Stimmung ihrer Rolle fließen zu lassen. Stärke, Zartheit und Sensibilität, Hoffnung, Urvertrauen und Angst – alle Facetten brachte sie auf diese kleine Bühne und spiegelte sie dem Publikum.
Ihr Spiel überzeugte in jedem Moment und dass ihr beim Singen die starken Töne besser als die zarten gelangen und sie manchmal nicht so perfekt sang wie eine erprobte Musicaldarstellerin, nahm ich für das Erlebnis ihrer Authentizität und ihrer gefühlvollen Umsetzung der Lieder gern hin, steht dies doch in angenehmem Gegensatz zu perfekten aber leider oft leblosen und synthetisch wirkenden Darbietungen.
»Wie verzaubert durch ein Lied, ein rätselhaftes Lied, das nur wir beide hören.«
Ein großes Lob geht auch an Nicole Bettinger für ein umwerfendes Bühnenbild und Jan Holtappels für die vielen kleinen genialen Einfälle, die die Aufführung bereichern und unauslöschliche Bilder ins Gedächtnis brennen. Die Männer der Geschichte stehen als schwarze „Scherenschnitte“ gleichförmig, uniform im Raum, eine Schultafel prangt über dem Klavier, auf der gekachelten Wand wimmelt es von schadhaften Stellen und die dezente Einbeziehung des Publikums ins Spiel ist immer überraschend. Leider, leider kann ich, um die Effekte für zukünftige Zuschauer nicht zu zerstören, nicht mehr verraten. Nur dies: Chapeau! Wieder ein Geniestreich!
Fazit: Sandra Kiefer bezauberte durch ihr intensives Spiel und ihre Intensität ebenso wie Fridtjof Bundels Klavierdarbietung durch die sensible Umsetzung. Die Darstellung, Texte, Melodien und das Bühnenbild – all diese Eindrücke machten den Abend so besonders. Ich möchte dieses Stück allen empfehlen, die schon einmal verliebt waren, denen, die nie die Hoffnung aufgegeben haben oder denen, die gerade von der Liebe auf den Boden geschmettert wurden. Vielleicht hilft es, wie die Hauptperson von Webbers Ein-Personen-Stück ein Stehauf“männ“chen in Sachen Liebe zu werden! Die Darbietung im Theater Das Zimmer macht nachdenklich, bringt zum Lachen und auch mal zum Weinen. Tolle Leistungen und abermals eine unheimlich ideenreiche Aufführung! Sehenswert!
Spiel: Sandra Kiefer
Musikalische Leitung / am Klavier: Fridtjof Bundel
Regie: Jan Holtappels
Bühne: Nicole Bettinger
Musik: Andrew Lloyd Webber
Text: Don Black
Übersetzung: Michael Kunze
Laila Mahfouz, 14. April 2016
Links:
Heute und morgen um jeweils 20 Uhr sind die nächsten Vorstellungen von „Tell Me on a Sunday“. Weitere Aufführungen und nähere Informationen finden Sie auf der Seite des Theaters „Das Zimmer“.
Das Theater „Das Zimmer“ auf Facebook.
Die Website von Jan Holtappels finden Sie hier.
Mehr Informationen zum dem Bühnenstück „Tell Me on a Sunday“ finden Sie hier.
Alle Fotos mit Sandra Kiefer hat Anders Balari fotografiert.
Mehr über Laila Mahfouz finden Sie hier.