Gastbeitrag: Die Germanistin Katharina Hoernes hat uns gestattet, ihren Gedacht-Eintrag »Ich will keine Nazis boxen«, den sie in ihrem Blog liesdochmaleinbuch bereits im September veröffentlicht hat, hier bei uns zu teilen.
Die Ergebnisse der Bundestagswahl am Sonntag treiben mich um. Habe ich die Prognosen nicht gesehen? War es nach den Ergebnissen der Landtagswahlen in den letzten Jahren nicht zu erwarten? Ja, doch, natürlich. Trotzdem will es mir nicht in den Kopf, dass so viele Menschen eine Partei unterstützen, die so unverhohlen Hass, Hetze und Parolen verbreitet.
Als Konsequenz habe ich also den Vorsatz gefasst, regelmäßig demonstrieren zu gehen. Für mich, meine Bedürfnisse und meinen Lebensentwurf einzustehen, aber auch für diejenigen, die aus verschiedenen Gründen zum Ziel rechter Hetze werden. Damit nach außen hin deutlich wird, dass ich zu den 87% gehöre, die nicht rechts-konservativ gewählt haben. Denn wenn ich weiterhin meinen Fernseher auslache oder anschreie, dann hilft es weder mir, noch meinem Blutdruck, noch dem politischen Klima in Deutschland.
Ich bin also tapfer zu einer Mahnwache mit anschließender Demo losgezogen: Typisch Freiburg waren dort einige Familien,viele junge Leute, eine bunte Mischung und alles ganz friedlich, so weit so gut. Nach einer Menschenkette formierte sich der Zug zur Demo. Und dann hatten wir plötzlich ein Flugblatt in der Hand, auf dem davon die Rede war, Nazis zu jagen, Banden zu bilden, Nazis zu schlagen. Auf den Boden wurde „FCK AFD“ gesprüht, man trottete mit der Menschenmasse.
Und das war der Punkt, an dem ich stutzig wurde. Widerstand zu leisten ist gut und wichtig. Kleinbeizugeben, den Rechten irgendeine Entschuldigung für ihr Verhalten oder ihre Ansichten zu liefern, wäre falsch. Aber wie kann es sein, dass sich der Widerstand so häufig (es war nicht meine erste Demo) dermaßen martialisch präsentiert. Klar, es schreit sich besser mit gereckter Faust, klar, Emotionen bilden Gemeinschaft. Aber funktioniert nicht genau so auch rechte Hetze? Verfallen wir nicht genau in die Verhaltensmuster der Rechten und ihrer Anhänger, indem wir uns über linke Gewaltfantasien freuen?
Ich persönlich möchte niemanden boxen. Ich habe kein Interesse an Jagd auf Nazis. Ich möchte keine Bande bilden. Nein, danke. Viel mehr möchte ich, dass wir für uns selbst und einander einstehen. Uns solidarisch zeigen. Tatsächlich denjenigen helfen, die in Gefahr sind.
Anders gesagt: Ich habe keinerlei Verständnis und keinerlei Toleranz für rechte Gewalt. Aber auch keine für linke.
Aus der Geschichte könnte man lernen – aber das ist vielleicht zu abstrakt. Denn man kann es aus dem täglichen Leben lernen: Wut mit Wut zu beseitigen, klappt nicht. Angst verschwindet nicht durch Angst vor der Angst. Hysterie und Hysterie heben sich nicht auf.
Natürlich ist es naiv zu sagen: Liebe ist das einzige Mittel gegen Hass. Aber ist es nicht auch einfach wahr?
Ich habe mir vorgenommen, mich argumentativ zu wappnen, anstatt mit Parolen und habe mir dafür vor allem Carolin Emckes »Gegen den Hass«, für das sie letztes Jahr mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde nochmal zur Hand genommen. Sie schreibt:
»Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seine Einladung, sich ihm anzuverwandeln, ausschlägt.
Es gilt zu moblilisieren, was den Hassenden abgeht:
genau Beobachten, nicht nachlassendes Differenzieren und Selbstzweifel.«
Außerdem lese ich Heribert Prantls »Der Terrorist als Gesetzgeber – Wie man mit Angst Politik macht«. Prantl ist für mich einer der klügsten, wichtigsten und besonnensten Denker Deutschlands. Da das Thema Angst vor allem in der AfD als Motor fungiert, finde ich es wichtig zu wissen, wie er es erklärt und bewertet.
Zusätzlich lese ich endlich einmal Texte von Hannah Arendt, einer sehr mutigen Frau, die sich traute, die Geschehnisse ihrer Zeit zu bewerten und zu analysieren.
Unbequem sein. Bedacht sein. Nicht wie sie werden.
Das nehme ich mir vor.
Ich wünsche mir, dass wir in vier Jahren unsere Lektion gelernt haben und besser wählen.
Let love rule.
Katharina Hoernes, 28. September 2017
Links:
Den Blog von Katharina Hoernes finden Sie hier.