Richard Latzin stellt in seinem Buch »Das Literaturquiz: Wie heißt das Buch?« 220 Bücher auf spannende Weise vor, überrascht bei der Auswahl, verändert den Blick auf manches Werk und lässt die Bücherwunschliste länger werden.
Es handelt sich bei Richard Latzins Buch »Das Literaturquiz: Wie heißt das Buch? Fragen und Antworten von Homer bis Harry Potter« um ein literarisches Ratespiel für Fortgeschrittene. So sehr dies Freunde der Literatur begeistern wird, so könnte es Gelegenheits- und Nie-Leser langweilen oder abstoßen. Allerdings wird wohl kaum jemand, auf den Literatur nicht diese magische Anziehungskraft ausübt, zu diesem Rätselbuch greifen.
Das Buch beginnt mit einem fünfseitigen Vorwort des Autors, in welchem er seine Beweggründe zur Entwicklung des Literaturquiz sowie den Aufbau des Buches beschreibt. Hier ein kurzer Ausschnitt daraus:
»Wer immer wieder erlebt, dass ein Mensch, wenn von einem bestimmten Buch die Rede ist, leuchtende Augen bekommt, als spräche er von einer Person, die er aufrichtig liebt, wem es wie mir schon passiert ist, dass er so in ein Buch vertieft war, dass er versäumt hat, an der richtigen Haltestelle die U-Bahn oder den Bus zu verlassen, wer es bedauert, um zwei Uhr in der Früh schon müde zu sein, wo es doch nur noch ein paar Seiten wären bis zum Kapitelende […], wer fünf oder sechs Buchhandlungen abklappert, nur um ein Buch, auf das er oder sie neugierig ist, gleich zu bekommen, wer von wildfremden Menschen angesprochen wird, weil er ein Buch in der Hand hat, das diese einst in Begeisterung versetzt hat, der weiß, welch faszinierende Beschäftigung das Lesen ist, der weiß, wie verrückt man nach Büchern sein kann, der sucht vielleicht das ganze Leben lang immer wieder nach dem richtigen Buch…«
(Vorwort, Seite 5 + 6)
Vorgestellt werden insgesamt 220 Bücher auf jeweils einer Seite. Eingangs wird der erste Satz zitiert, wobei Personennamen meistens durch […] ersetzt werden.
Dem Zitat folgt jeweils eine von Richard Latzin angefertigte Beschreibung des Buches und seines Autors.
Sollte der erste Satz schon ausgereicht haben, um das gesuchte Buch zu erraten, lohnt es sich in jedem Fall, die Beschreibung dennoch zu lesen, denn Latzins humorvolle Art und die Hinweise und Einsichten das Werk betreffend sind unbedingt eine Bereicherung.
Die Idee, den ersten Satz zu zitieren, finde ich einerseits ganz spannend, denn er verrät viel über den Stil des Buches. Andererseits gibt er oft zu viel preis und nimmt so den Ratespaß, der beim alleinigen Studieren der Beschreibungen entsteht. Wäre der erste Satz eine ausklappbare Option des Spiels, würde das Quiz noch gelungener sein. Dies ist in Buchform allerdings nicht leicht und insbesondere nicht kostengünstig zu bewerkstelligen.
Es ist ratsam, sich direkt die Buchtitel zu notieren, deren Beschreibung fasziniert und neugierig gemacht hat. Mich hat dieses Literaturquiz zum Kauf von gut einem Dutzend weiterer Bücher verführt und ich persönlich bin immer dankbar für solche Anregungen. Auch hat es meine Sichtweise auf manche Bücher verändert. Selbst einige Klassiker, deren Inhaltsangabe mich bisher nie dem Wunsch, sie zu lesen, näher gebracht hat, sind so auf meiner Wunschliste gelandet.
Hier ein typisches Beispiel (gekürzt und ohne Auflösung) eines beliebigen und in diesem Fall wohl eher leicht zu erratenden Buches (auch wenn der erste Satz in diesem Fall mehr verbirgt als enthüllt):
»Das Atelier war überfüllt vom üppigen Duft der Rosen, und wenn der leichte Sommerwind durch die Bäume des Gartens fuhr, drang durch die offene Tür der schwere Geruch des Flieders oder der zarte Hauch des rosig blühenden Dornstrauches.«
Hauptpersonen des Werkes sind ein Adeliger, ein mit diesem befreundeter bildender Künstler und ein junger Mann, die zu Beginn im Atelier des Künstlers zusammentreffen. Der Künstler, der seinen Freund und dessen Lebensansichten kennt, versucht zu verhindern, dass dieser Einfluss auf den jungen Mann gewinnt, aber er ist nicht erfolgreich, im Gegenteil: Der junge Mann, bisher noch unschuldig und unverdorben, macht eine folgenschwere Aussage, die seine Existenz und das nach seinem Vorbild angefertigte Kunstwerk für viele Jahre auf höchst merkwürdige Weise verknüpft. […]
Allein für sich gelesen, ist die Lektüre des Literaturquiz ein Genuss und bietet zahlreiche Tipps zur Erweiterung des Bücherregals. Es wird allerdings kaum einem Menschen gelingen, all diese Rätsel zu lösen. Als Gesellschaftsspiel, möglichst bestehend aus Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedenen Literaturgeschmacks, ist das Buch besonders geeignet.
Dies ist sicher die vergnüglichste Art, mit dem Buch umzugehen, denn sicher findet sich so immer jemand, der den richtigen Tipp abgeben kann.
Neben vielen Klassikern der Weltliteratur beinhaltet das Buch vor allem Rätsel um Werke des letzten Jahrhunderts. Die aktuelleren Bücher sind fast ausschließlich deutschsprachige Kriminallektüre. Der Untertitel »[…] von Homer bis Harry Potter« lässt eine größere Spannbreite erwarten, als Richard Latzin in diesem Buch letztendlich bietet.
Autoren des angloamerikanischen Sprachraums und der Moderne sind nur vereinzelt zu finden. Skandinavien, Asien oder Afrika sind fast nicht vertreten, allerdings sind einige österreichische Bücher zu erraten, die außerhalb der Grenzen Österreichs kaum bekannt sein dürften. Da das Buch bereits 2004 erschienen ist, fehlen auch Werke von Autoren wie Daniel Kehlmann, die ihren Erfolg erst später oder erst später im deutschen Sprachraum feiern konnten. Ebenso wäre es für ein vollständiges Bild wünschenswert gewesen, die Romane, Novellen und Erzählungen durch Dramen und Lyrik zu ergänzen.
Viele Bücher (insbesondere die Klassiker) sind für Literaturinteressierte teilweise leicht zu erraten, ohne sie je selbst gelesen zu haben. Als wenige Beispiele sind hier zu nennen: »Der Idiot«, »1984«, »Der kleine Prinz«, »Alexis Sorbas«, »Momo«, »Hunger«, »Der alte Mann und das Meer«, »Der Fremde«, »Madame Bovary«, »Die Odyssee«, »Anna Karenina«, »Peter Pan«, »Die Kameliendame« oder auch »Das Tagebuch der Anne Frank«. An anderen Beschreibungen scheitert man wiederum und ist die Lösung genannt, staunt man über die eigene Unfähigkeit, die durchweg guten Beschreibungen mit den eigentlich bekannten Buchinhalten zu verbinden.
»Es gibt kein Buch, das man gelesen haben muss; man muss gar nichts gelesen haben. […] Für mich gilt beim Lesen nur ein Gebot: Du sollst nicht ständig unter deinem Niveau lesen! […] Dass man beim Lesen auf das Niveau achten soll, ist […] nichts anderes als ein Ausdruck der Selbstachtung und der Wertschätzung der eigenen Fähigkeiten.
Jeder macht es anders, alle haben ein Ziel: das richtige Buch zur richtigen Zeit.«
(Vorwort, Seite 6 + 7)
Fazit: Diesem schönen Ausschnitt aus dem Vorwort kann ich mich nur anschließen und obwohl mir, wie im Detail bereits ausgeführt, mache Richtungen der Literatur gefehlt haben, kann man die Auswahl dennoch als gelungene Mischung bezeichnen. Wer könnte sich schon unter allen Büchern der Welt für 220 entscheiden und würde es damit allen Lesern recht machen?
Richard Latzins Buch »Das Literaturquiz: Wie heißt das Buch?« ist auf jeden Fall mehr als ein netter Zeitvertreib, denn es öffnet neue Einsichten auf bekannte oder nur vom Hörensagen bekannte Bücher, macht neugierig auf Werke, mit denen man sich noch nicht beschäftigt hat und zaubert auf jedes Werk durch die gelungene Beschreibung und teilweise Interpretation seinen ganz eigenen Glanz.
Wenn es ab und zu gelingt, dass Ratende nach ein paar Stunden Rätselspaß eine Buchhandlung stürmen und mit Werken nach Hause gehen, die ihnen bisher unbekannt waren, dann hat das Buch seinen Zweck erfüllt. Bei mir hat es diesen Effekt gehabt und ich wünsche ihn auch anderen.
Laila Mahfouz, 17. Februar 2017
Richard Latzins Buch »Das Literaturquiz: Wie heißt das Buch?« ist bereits im März 2004 im Langen-Müller Verlag erschienen – gebunden, 288 Seiten, ISBN 978-3784429533.
Links:
Informationen zu Laila Mahfouz finden Sie hier.