Rosemarie Gebauers wunderschön illustriertes Sachbuch »Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut – Vom Zauber alter Pflanzennamen« befasst sich mit der teilweise bizarren volkstümlichen Namensgebung der meist einheimischen Kräuter- und Blumenwelt. Neben der Suche nach dem Namensursprung hat die Autorin das Buch mit Märchen, Sagen und Gedichten angereichert.
Handlung (dem Verlagstext entnommen): Ist das »Schlafmützchen« aufgewacht, wartet »Gretel im Busch« immer noch auf ihren Liebsten? Oder die Zwerge, waschen sie sich immer noch im »Tauschüsseli«? Und was hat es mit dem »Guten Heinrich« auf sich, mit »Hirtentäschel«, »Leberblumen« und »Stiefmütterchen«? Warum heißen die Pflanzen so? Viele waren lange vergessen, sind aber heute in der Küche wieder en vogue – wie Bärlauch, Knoblauchrauke, Kapuzinerkresse. Viele Namen stammen aus dem Mittelalter, haben mit Aberglauben oder Heilkräften zu tun, sind überliefert aus alten Büchern, Liedern und Bildern. Diese alten Namen bergen viele Geschichten und bieten viele interessante Einblicke in die Welt unserer Vorfahren, die diese phantasievollen Namen erfanden. Schauen wir also ganz genau hin. So können wir uns von der Schönheit der Pflänzchen, ihren Namen und Geschichten verzaubern lassen.
Die Idee, sich die phantastischen und teilweise sehr merkwürdigen Pflanzennamen, ihren Ursprung und ihre Bedeutung einmal genauer anzusehen, ist zauberhaft und absolut überfällig. Ich möchte Rosemarie Gebauer zustimmen, wenn Sie die LeserInnen in ihrem Vorwort auffordert:
»Schauen wir also genau hin, wie es auch unsere Vorfahren getan haben. So können wir uns von der Schönheit der Pflänzchen, ihren phantasievollen Namen und Geschichten verzaubern lassen.«
(Seite 8)
Wer bereit ist, sich der Magie der Kräuter und Blumen, ihren verwunschenen Namen und Geschichten hinzugeben, wird bei der Lektüre von Rosemarie Gebauers Buch »Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut – Vom Zauber alter Pflanzennamen« reich belohnt werden. Das wunderschön illustrierte Buch ist eine Bereicherung auch für eingefleischte Pflanzenkenner, die meinen, alles schon zu wissen. Die Diplombiologin beschäftigt sich schon lange mit der Bedeutung der Pflanzen in der Kunst und war die erste, die in Deutschland Museumsführungen zur Pflanzensymbolik Alter Meister machte. Neben der Bedeutung der Namen enthält das Buch oft auch Lyrik berühmter Dichter, die über den Liebreiz der Blumen schwärmen oder sie als Metapher nutzen und Sagen und Märchen, die mit den Pflanzen in Verbindung stehen. Somit kommen auch Märchenfreunde auf ihre Kosten, denn die eine oder andere Erzählung dürfte nicht allzu bekannt sein.
Eine Freude sind vor allem immer wieder die Vergleiche der volkstümlichen Namensgebungen innerhalb Deutschlands, in Österreich, der Schweiz oder auch England und Schweden:
»Chichorium hieß die Pflanze bereits im Mittelalter, so in Mecklenburg. Dann bekam sie viele Namen, welche sich auf die Wege bezogen, auf denen Wild und somit Jagdhunde liefen. Die Pflanze hieß nun ‚Hindlauf‘, ‚Hindlichte‘, ‚Hundslauf‘ usw. ‚Wegleuchte‘ in Schlesien, ‚Weglug‘ in Braunschweig. Als ‚Wegwarte‘ war sie in Österreich in einem der ersten gedruckten Kräuterbücher, im ‚Gart der Gesundheit‘ aus dem Jahre 1485, aufgeführt.«
(Seite 41 / 42 – Cichorium intybus – Gemeine Wegwarte – Wegeleuchte)
Die Zeichnungen sind wirklichkeitsgetreu und vielfarbig. Sie zeigen den Habitus der Pflanzen, Details von Knospen, Blüten, Blättern, Wurzeln und Samen. Das Buch hebt die Besonderheiten der einzelnen Pflänzchen hervor und oft auch ihre Veränderlichkeit im Rhythmus der Jahreszeiten. Was mir persönlich etwas fehlte, obwohl es auf den Seiten noch Platz gehabt hätte, sind die heutigen Anwendungsmöglichkeiten (z.B. bei Ringelblume Seite 28 oder Johanniskraut Seite 73). Obwohl ich einiges schon wusste, enthielt das Buch neben vielen Informationen, die mir neu waren, auch zahlreiche Tipps, wie zum Beispiel die Bereicherung des Salats durch Kräuter vor der Tür:
»Bei der Knoblauchrauke riechen und schmecken die Blätter beim Zerreiben stark nach Knoblauch. Diese Pflanze wächst an allen Wegen und wäre so gut vor der Tür für einen geschmackvollen Salat frisch zu pflücken.«
Seite 12 – Alliaria petiolata – Knoblauchrauke – Zwiebel ohne Zwiebel
Enthalten sind außerdem ein sehr hilfreicher Blühkalender sowie ein Namensregister botanisch / deutsch – die einzelnen Pflanzenbeiträge sind alphabetisch nach den botanischen Namen geordnet.
Durch die naturgetreuen Zeichnungen ermöglicht das Buch besondere Spaziergänge in der Natur. Nehmen Sie es einfach mit und erkunden Sie ihre Umgebung. Sicher nehmen Sie viele optisch vertraute Pflanzen nach dem Lesen der entsprechenden Texte anders wahr. Die Identifizierung macht Freude und bietet gerade in diesem bisher ungemütlichen Frühling einen Grund, sich dennoch in die Natur zu begeben. Rosemarie Gebauer bietet im Raum Berlin / Brandenburg auch geführte Spaziergänge in ‚geschichtsträchtigen Parks und Gärten‘ an. Den Link zu diesen Veranstaltungen finden Sie hier.
»Wenn Sie es der Hummel gleich machen wollen und mutig in den Rachen des gefährlichen Löwenmäulchens schauen möchten, legen Sie Daumen und Zeigefinger an den hinteren Teil der Blüte und drücken die Finger vorsichtig zusammen. Das Mäulchen geht auf und Sie können die weißen Zähnchen, sprich Staubblätter und Griffel, am ‚Oberkiefer‘ erkennen.«
(Seite 16 – Antirrhinum majus – Grosses Löwenmäulchen – Kalbsnase)
Fazit: Rosemarie Gebauers Sachbuch »Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut – Vom Zauber alter Pflanzennamen« ist geschaffen, um zu verzaubern! Ein Buch, das ich immer wieder zur Hand nehmen und in Ehren halten werde, denn es handelt sich um eine wunderhübsche Ausgabe, die sich – gerade jetzt zu Ostern – als Geschenk nicht nur für Pflanzenfreude unbedingt eignet.
Rosemarie Gebauers Sachbuch »Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut – Vom Zauber alter Pflanzennamen« ist im Oktober 2015 im Transit Verlag erschienen – gebunden, 144 Seiten mit farbigen Illustrationen, EUR 19,80, ISBN 978-3887473297.
Über die Autorin: Rosemarie Gebauer wuchs in einem Garten auf. Nach verschiedenen Berufen schloss sie ihr Studium an der Freien Universität Berlin als Diplombiologin ab. Es folgten Lehraufträge und Anstellung als wissenschaftliche Angestellte. Dann lenkte sie nach und nach ihren Weg dorthin, wo sie all ihre sonstigen Leidenschaften um die geliebte Botanik gruppieren konnte. Es gibt für sie nichts Schöneres, als mit einer Gruppe die geschichtsträchtigen Parks und Gärten Berlins und Brandenburgs zu erschließen oder auf einer Wiese Wiesengedichte vorzutragen oder im Wald Baumbetrachtungen anzustellen. Ihre Vorträge und Führungen lassen Alexander von Humboldts Orinokoreise mit deren Flora und Fauna wieder lebendig werden oder sie begleitet Goethe auf dessen botanischer Exkursion nach Italien oder irrt mit Homers Odysseus durch die mediterrane Flora. Als erste in Deutschland machte sie in einem Museum Führungen zur Pflanzensymbolik Alter Meister und begeistert seit Jahrzehnten mit ihren botanisch-literarischen Veranstaltungen.
Laila Mahfouz, 22. März 2016
Links:
Weitere Informationen zum Buch finden Sie auf der Seite des Transit Verlages.
Informationen zu Laila Mahfouz