4. Oktober 2013 im kleinen Hoftheater Hamburg: Die Premiere von Kerry Renards Bühnenstück bescherte dem amüsierten Publikum in der Tat „Zauberhafte Zeiten“. Eine gelungene Inszenierung, die ein warmes Gefühl im Bauch hinterließ. Eine Wärme, die insbesondere aus einer stark in Anspruch genommenen Lachmuskulatur resultierte.
Inhalt: Der Wallstreet-Broker Chris Redford kehrt nach zwei Wochen Urlaub in Kanadas Einsamkeit in seine New Yorker Wohnung zurück und findet diese von seiner neuen Vermieterin Debbie Lewis besetzt, die ihm eine fristlose Kündigung wegen Eigenbedarfs unter die Nase hält. Anfangs versuchen die beiden, sich gegenseitig loszuwerden, doch als Chris seinen Job verliert und dies unbedingt vor seiner Mutter geheim halten will, macht Debbie ihm einen Vorschlag, den er nicht ablehnen kann und eigentlich auch nicht ablehnen will.Plot und Dialoge legen eine Klassifizierung als Screwball-Komödie nahe, ein bewährtes Rezept, das auch dieses Mal reibungslos gemäß dem zugrunde liegenden dramaturgischen Plan funktioniert. In Form von kurzen, aber wohlgesetzten Spitzen in Zusammenhang mit der seit dem Jahr 2007 anhaltenden Finanzkrise, aber auch durch die Handlung selbst, bringt Autor Kerry Renard eine kritische politische Dimension in sein Werk, die allerdings dezent im Hintergrund bleibt.
Die Darbietung lebte von der überaus stimmigen und humoristisch wohldosierten Inszenierung Ulf Albrechts ebenso wie von der Spielfreude seiner Darsteller, blieb dabei verbindlich und greifbar, vermied also geschickt den Absturz in übertriebenen Slapstick. Die gebürtige Niederländerin Dominique Aref verkörperte Debbie Lewis mit nachgerade schwindelerregender Energie und Leidenschaft, es war eine Freude, sie in dieser Rolle zu erleben. Sie ergänzte sich wunderbar mit dem erfrischend vielseitigen Spiel des charismatischen Ulrich Allroggen, dem es als Chris Redford gelang, die Sympathien des Publikums trotz seines unbeliebten Berufsstandes zu gewinnen. Der routinierte Musical-Darsteller, dessen Aussehen einerseits an Pierce Brosnan erinnert und der andererseits durchaus als Vorlage bei der Gestaltung von Barbies Freund Ken gedient haben könnte, lieferte sich mit seiner Partnerin wider Willen einen herrlich schrillen Schlagabtausch in bester Screwball-Manier. Schillernd war auch die überzeugende Ria Schindler als Ellen, Chris‘ zunächst stockkonservativ erscheinende Mutter, die nach der Offenbarung der neuen beruflichen Pläne ihres Sohnes nicht so reagierte, wie er und auch das Publikum es von ihr erwartet hätten. Ria Schindler, vor Jahren in über hundert Folgen der „Lindenstraße“ zu sehen, ist vor allem eins: eine Theaterschauspielerin, die den Brettern, die die Welt bedeuten, immer treu geblieben ist. In ihrem Elan stand sie am Freitag ihrer jungen Kollegin kaum nach und wenn beide gemeinsam agierten, versprühten sie ein kleines Feuerwerk auf der Bühne des Hoftheaters. Ulf Albrecht hatte ein gutes Händchen bei der Besetzung von Kerry Renards Theaterstück. So bringt auch (JanHoltappels) als Postbote einmal mehr Farbe auf die Bühne. Mit seinem komödiantischen Talent brachte er das Publikum wiederholt zum Lachen, um schließlich als Conferencier Jahn Van de Beerg nicht nur mit einem überaus echt wirkenden holländischen Akzent zu verblüffen.
Ulrich Allroggen scheint außerdem auch Talent als Zauberer zu besitzen, denn er überzeugte das Publikum neben seiner Verkörperung des Chris Redford auch mit gekonnten Zaubertricks. Dies freilich war in hohem Maße das Verdienst von Jörg-Michael Müller, der sich dieses Mal als Zaubercoach und nicht als Bühnenbildner kreativ und erfolgreich einbrachte.
Sicher ist allerdings, dass die Kündigung an der Wallstreet für Chris Redford letztendlich ein Geschenk war, denn er begann dadurch endlich, glücklich zu leben. Der thematisierte radikale berufliche Wandel – von der Wall Street auf die Showbühne – mag sozialromantisch oder gar irreal erscheinen. Um diesem potenziellen Kritikpunkt vorzubeugen, ist anzumerken, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich in der Mitte ihres Lebens dazu entscheiden, eben dieses Leben gänzlich umzukrempeln, das nicht selten in mehrfacher Hinsicht unmenschliche „Hamsterrad“ zu verlassen und viel zu riskieren, um ihren Träumen zu folgen – mitunter unfreiwillig wie Chris, meistens jedoch freiwillig wie Debbie. So auch die Autoren dieser Rezension, von denen etwa Anders Balari Anfang 2010 unter seinem bürgerlichen Namen Günther Lehner noch Manager in einem der weltweit größten Wirtschaftsprüfungskonzerne war.
Fazit: Der humoristische Spannungsbogen entfaltet sich auf gelungene Weise, die ihn befeuernden Gags kommen in perfektem Timing und auch dann noch wohldosiert, wenn sie Schlag auf Schlag Attacken gegen die Ausdauer der Lachmuskeln reiten. Das magische Stück ist ein Vergnügen und wer „Zauberhafte Zeiten“ erleben will, sollte sich noch bis 3. November einen Platz im kleinen hoftheater sichern.
Laila Mahfouz & Anders Balari, 6. Oktober 2013
Links:
„Zauberhafte Zeiten“ wird im kleinen Hoftheater noch bis 3. November 2013 jeweils freitags und samstags um 20 Uhr sowie sonntags um 16 Uhr gezeigt. Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des kleinen Hoftheaters.
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