Die französische Autorin Marie-Sabine Roger hat der Liebe zur Sprache ein wunderschönes Denkmal gesetzt, dem Jean Becker als Regisseur des gleichnamigen Films mit Gérard Depardieu und Gisèle Casadesus als Hauptdarstellern ein passendes Gesicht verleiht.
Inhalt: Germain ist ein Bär von Mann und nicht der Schlauste. Seine Kindheit ist nicht besonders glücklich verlaufen und nie hat er sich von seiner Mutter wirklich geliebt gefühlt. Auch bei seiner Berufswahl steht ihm seine fehlende Bildung im Weg, denn niemand erklärt ihm, warum er Glaser hätte lernen sollen, um sich den Traum vom Kirchenfenstermachen zu erfüllen. Germain wird Teil der proletarischen Arbeiter, zieht in einen alten Wohnwagen, der im Garten seiner Mutter steht, hängt mit seinen Kumpels in der Kneipe herum und zieht sein eigenes Gemüse! Als er irgendwann in einem Park Margueritte, eine reizende alte Dame, kennenlernt, wird sein Leben auf den Kopf gestellt. Zum ersten Mal interessiert sich jemand wirklich für den Germain, der tief in ihm verborgen auf diese Gelegenheit gewartet zu haben scheint. Der gebildeten Margueritte gelingt mit Geduld und Liebe etwas, das Germains Lehrer nicht einmal versucht haben: Sie begeistert ihn für Geschichten und die Sprache an sich. Sie schenkt ihm ein Lexikon und so erschließt sich dem Hünen langsam die Welt der Bücher. Je mehr er sich bildet oder kultiviert, wie Margueritte sagt, desto mehr schärft sich sein Blick für seine Umgebung, seine Freunde und sich selbst. Eindrucksvoll wird erzählt, wie ein ungebildeter Mensch, wenn er nur auf die richtige Weise motiviert wird, sich verändern und innerlich wachsen kann. Auf dem Weg versteht er nach und nach sogar das Verhalten seiner Mutter besser. Germains neue Persönlichkeit irritiert seine Kumpels sehr, doch ihn kann nun nichts mehr aufhalten. Die Freundschaft zu Margueritte erweist sich als die wichtigste Beziehung in Germains Leben.
Schon bei der ersten Beschreibung Germains hatte ich beim Lesen Gérard Depardieu vor Augen. Der französische Mime war in meinem Kopfkino die Idealbesetzung. Übergroß war dann auch meine Freude, als ich hörte, dass das Buch wirklich mit Depardieu in der Hauptrolle verfilmt werden sollte, neben dem die Darstellerin der Margueritte dem Buch entsprechend wirklich unglaublich zerbrechlich wirkt. Das Kunststück ist Jean Becker gelungen: Der Film ist bis in die Nebenrollen glaubhaft besetzt, spielt im richtigen Maße mit dieser Geschichte der leisen Töne und spiegelt alle wichtigen Aussagen wider. Dennoch habe ich mich gefragt, warum er mit gerade mal 78 Minuten so kurz geraten musste. Mir persönlich hätten zehn Minuten mehr und eine größere Ausführlichkeit in manchen Szenen insbesondere zwischen den Hauptdarstellern noch besser gefallen. Herausragend sind beide Hauptdarsteller, die sich in ihrer Gegensätzlichkeit wunderbar ergänzen. Ganz beachtlich ist die Leistung der 96-jährigen Gisèle Casadesus, die Margueritte jene Ernsthaftigkeit und Liebenswürdigkeit verleiht, die diese Rolle erfordert.
Fazit: Der Film wie auch insbesondere das Buch sind unbedingt empfehlenswert und für Bücherliebhaber ist diese Hommage an die Sprache sowieso ein Muss! Ich bin schon gespannt auf das neue Buch von Marie-Sabine Roger „Der Poet der kleinen Dinge“.
Marie-Sabine Roger „Das Labyrinth der Wörter“, Hardcover mit 208 Seiten, erschienen beim Hoffmann und Campe Verlag für EUR 18,00 unter ISBN 978-3455402544.
Laila Mahfouz, 15. Juli 2012
Links:
Informationen zu Marie-Sabine Roger auf der Verlagsseite des Hoffmann und Campe Verlags
„Das Labyrinth der Wörter“ beim Hoffmann und Campe Verlag inkl. Leseprobe
Die Facebook-Seite zum Film „Das Labyrinth der Wörter“
Informationen zu Laila Mahfouz