13. April 2012 im kleinen Hoftheater Hamburg: Die Premiere der turbulenten und bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzten Komödie „Oscar“ war ausverkauft und wusste das Publikum mit einem Gagfeuerwerk bestens zu unterhalten. Wer sich nach leichter aber gut umgesetzter Unterhaltung sehnt, ist in diesem Bühnenstück bestens aufgehoben. Eine Empfehlung nicht nur für verregnete Frühlingsabende!
Bertrand Barnier wird von dem listigen Christian Martin ausgetrickst. v. l. Helmut Gentsch, Ulf Albrecht.
Foto: Anders Balari
„Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ so muss es sich auch Christian Martin (Ulf Albrecht) gedacht haben, als er um 8 Uhr morgens seinen Chef Bertrand Barnier (Helmut Gentsch) aus dem Bett holt, um ihn von seinen unerhörten Forderungen zu überzeugen. Der erst so überlegene Barnier wird im Laufe des Gesprächs immer unsicherer, denn die Hinterlist seines Mitarbeiters bringt ihn aus der Fassung. Erscheint Christian Martin dem Zuschauer anfangs noch als gerissener Schurke, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, so entpuppt er sich mehr und mehr als liebeskranker Fuchs, dem nichts als seine Angebetete, die Tochter des Chefs, am Herzen liegt.
Komplizen in Sachen Liebe und Lebensglück: Wibke Leni als Colette Barnier und Anja Frers als Barniers Dienstmädchen Bernadette. Foto: Anders Balari
Barniers Tochter Colette (Wibke Leni) versucht auf ihre eigene Weise, der Kontrolle des Elternhauses zu entrinnen und schmiedet mit ihrer Verbündeten, dem Dienstmädchen Bernadette (Anja Frers), einen todsichereren Plan. Damit der gestrenge Papa in ihre Heiratspläne einwilligt, erfindet sie eine Schwangerschaft und entsetzt ihn mit dem Gedanken an einen unehelichen Sohn mit dem schrecklichen Namen Blaise. Trauert Colette anfangs noch ihrer Affäre mit Oscar nach, der scheinbar spurlos verschwunden ist, so erklärt sie sich nun bereit Christian Martin zu heiraten, um ihre Freiheit zu erlangen.
Abermals kann sich Christian Martin (Ulf Albrecht hier mit Wibke Leni und Jens Raygrotzki) geschickt aus der Affäre ziehen.
Foto: Anders Balari
Der Auserwählte stellt jedoch verzweifelt feststellt, dass es sich bei Colette nicht um seine Angebetete handelt und macht ihr eine Verbindung mit Philippe (Jens Raygrotzki), dem vertrottelten Masseur Barniers schmackhaft. So wechselt Colette abermals den Verlobten und Philippe ist mehr als glücklich über ihre plötzliche Aufmerksamkeit. In all dies Durcheinander purzeln immer wieder drei identisch aussehende Koffer unterschiedlichen Inhalts, die häufig den Besitzer wechseln und Bertrand Barnier an den Rand der Verzweiflung bringen.
Der Muskelprotz verträgt keinen Alkohol. v. l. Helmut Gentsch, Jens Raygrotzki, Wibke Leni und Claudia Isbarn als Barniers immer leicht angesäuselte Gattin Marie-Louise. Foto: Anders Balari
Schon bald beginnt sich das Gedankenkarussel in Monsieur Barniers Kopf wie verrückt zu drehen, denn die vielen Koffer, Wahrheiten, Erkenntnisse und Beichten, die an diesem Morgen wie eine Lawine auf ihn niederrollen, würden wohl noch den abgeklärtesten Geschäftsmann in die Knie zwingen. Irgendwann ergeht es ihm ebenso wie seinem Masseur Philippe, der aufgrund seiner Begriffsstutzigkeit nach den verzwickten Erläuterungen Barniers unter Hirnsausen leidet und verzweifelt erklärt: „Also ich verstehe unter einfach etwas anderes.“
Erneute Erkenntnis - Der Tag der Überraschungen schleudert Bertrand stetig neue Wahrheiten ins Gesicht! v. l. Konni Fischer, Helmut Gentsch. Foto: Anders Balari
Dem Regisseur Lars Ceglecki ist es wieder einmal gelungen: Mit „Oscar“, dem französichen Bühnenstück von Claude Magnier (einst mit Louis de Funès in der Hauptrolle verfilmt) zaubert er eine schwungvolle, spritzige Komödie auf die Bretter des Hoftheaters und beschert den begeisterten Zuschauern der gestrigen Premiere einen Lachmuskelkater. Die großartig ausgewählten Darsteller glänzten bis in die Nebenrollen mit einer sehr guten Performance. Helmut Gentsch überzeugte als von vielen Geistern geplagter Bertrand Barniers ebenso wie Ulf Albrecht, dem die Rolle des mit allen Wassern gewaschenen Christian Martin auf den Leib geschrieben schien und dem ich bald auch eine ernste Rolle wünsche, um sein Talent in anderer Facette auszuleben. Claudia Isbarn brachte das Publikum als angesäuselte Gattin Marie-Louise Barnier, die fast nie ohne Sektglas zu sehen war und immer einen heiteren Tonfall behielt, ohne je wirklich den Durchblick über das Geschehen zu bekommen, immer wieder zum Glucksen. Als Jens Raygrotzki die Bühne betrat, waren die Zuschauer vor Lachen kaum zu halten, denn während er in die dankbare Rolle des vertrottelten Masseurs Philippe Dubois schlüpfte, dem sich überall Lücken in der verworrenen Geschichte Barniers auftun, war die Wahrung einer ernsten Miene einfach unmöglich. Dem Charakterdarsteller gelang es leicht, auch in „Oscar“ die Herzen des Publikums zu gewinnen. Auch Wibke Leni als heiratswütige Tochter Colette überzeugte durchgehend mit ihrem eindringlichen Spiel und brachte viel Ausstrahlung und Präsenz in die ohnehin turbulente Handlung. Nicht unerwähnt möchte ich die in jeder Hinsicht überzeugenden Leistungen von Anja Frers als Bernadette, Melanie Weirather als Jacqueline und Konni Fischer als Charlotte lassen, die in ihren kurzen Auftritten ebenfalls viel Profil zeigten. Allein der namensgebende Oscar (Jona Manow) hatte eine so undankbar kleine Rolle, dass er in der Menge unterging.
Fazit: Eine turbulente und bis in die kleinste Nebenrolle optimal besetzte Komödie, von Lars Ceglecki hervorragend umgesetzt und vor Lebendigkeit sprühend! Eine klare Empfehlung für einen der tristeren Frühlingstage, denn dieser Lachlawine kann auch die schlechteste Stimmung nicht widerstehen!
Laila Mahfouz, 14. April 2012
Links:
„Oscar“ wird im Hoftheater Hamburg noch bis einschließlich 13. Mai gezeigt. Nähere Informationen zum aktuellen Stück, zum Theater und den nächsten Aufführungen finden Sie auf der Seite des kleinen Hoftheaters Hamburg.
Das kleine Hoftheater auf Facebook.
Hier geht’s zu einer Fotostrecke des Stücks.
Mehr über die Autorin Laila Mahfouz
Mehr über den Photographen Anders Balari